Kontovollmacht des Erblassers und Auskunftsanspruch des Miterben gegen andere Miterben

Erbrecht Eigentum
12.07.2019355 Mal gelesen
Miterbe darf von anderem Miterben Rechenschaft über Verwendung der zu Lebzeiten von Erblasserin erteilten Kontovollmacht verlangen, wenn Zweifel an der Zuverlässigkeit des bevollmächtigten Miterben bestehen (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 02.04.2019, Az.: 3 U 39/18)

Sachverhalt

Kläger und Beklagter sind Brüder und Miterben nach ihrer verstorbenen Tante, der Erblasserin. Diese erteilte zu Lebzeiten beiden Brüdern eine notarielle General- und Vorsorgevollmacht. Dem Beklagten erteilte die Erblasserin zusätzlich noch Kontovollmachten über ihre sämtlichen Konten.

Die Tante erklärte gegenüber den Mitarbeitern der Betreuungsbehörde, dass der Beklagte sich weiterhin um sie kümmere und brachte ihr bestehendes Vertrauen zum Ausdruck.

Der Beklagte wurde wegen Betrugs verurteilt, weil er in Ausübung der Kontovollmacht Geld vom Konto der Verstorbenen abgehoben hatte.

Der Kläger ging davon aus, dass der Beklagte noch weitere unberechtigte Abhebungen vom Konto tätigte und verlangt Auskunft und Rechenschaft über die in Ausübung der Vollmacht getätigten Kontoverfügungen.

Urteilsgründe

Das OLG Brandenburg urteilte, dass dem Kläger gegen den Beklagten ein Anspruch auf Auskunft und Rechenschaft über die Verwendung einer (Konto)Vollmacht für den gesamten geltend gemachten Zeitraum, in dem die Vollmacht bestanden hatte, aus Auftrag zwischen der Verstorbenen und den beauftragten Brüdern zusteht. Der der Erblasserin als Auftraggeberin zustehende Auskunftsanspruch aus Auftrag ist kraft Erbfolge auf die Erben übergegangen.

Nach den Umständen des Einzelfalles ist nicht von einem Gefälligkeitsverhältnis zwischen der Erblasserin und dem Beklagten ohne rechtliche Pflichten, sondern von einem Auftragsverhältnis mit Rechtsbindungswillen auszugehen. Ein Rechtsbindungswille ist insbesondere gegeben, wenn für den Auftraggeber wesentliche Interessen wirtschaftlicher Art auf dem Spiel stehen und er sich auf die Zusage des Auftragnehmers verläßt.

Ein besonderes persönliches Vertrauensverhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer spreche grundsätzlich nicht gegen einen Auftrag. Denn ein "besonderes Vertrauensverhältnis" zwischen den Beteiligten ist der Regelfall eines Auftrags mit rechtlichen Verpflichtungen. Wenn ein Familienangehöriger Geldgeschäfte für einen anderen Familienangehörigen erledigt - im Rahmen einer Vorsorgevollmacht oder auch im Rahmen eines Einzelauftrags - ist im Regelfall von einem Auftrag mit rechtlichen Verpflichtungen auszugehen. Eine abweichende Bewertung kommt nur ausnahmsweise auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls in Betracht.

Ein Verzicht der Verstorbenen auf den Auskunftsanspruch kann zwar darin zu sehen sein, dass sie gegenüber den Mitarbeitern der Betreuungsbehörde erklärt hat, der Beklagte kümmere sich weiterhin um sie und ihr bestehendes Vertrauen zum Ausdruck gebracht hat. Ein stillschweigender Verzicht auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung kann unter Umständen dann angenommen werden, wenn der Auftraggeber während langjähriger Verwaltung niemals Rechnungslegung verlangt hat. Selbst wenn hier ein stillschweigender Verzicht auf die Rechnungslegung anzunehmen wäre, ist es dem Beklagten aber verwehrt, sich auf einen Verzicht zu berufen. Nach dem Bundesgerichtshof besteht ein Auskunftsanspruch, wenn sich im Nachhinein Zweifel an der Zuverlässigkeit des Beauftragten aufdrängen (BGH NJW-RR 1987, 963). Die Berufung des Beklagten auf den Verzicht ist ausgeschlossen. Denn der Beklagte ist bereits wegen eines Betrugs verurteilt worden, der gerade durch die Vollmacht möglich wurde und den er unter Ausnutzung dieser Stellung begangen hat. Dass die Erblasserin, die nichts davon wusste, ihm dennoch ihr Vertrauen ausgesprochen hat, ändert daran nichts. Hätte sie gewusst, dass der Beklagte bereits zum Zeitpunkt des Gesprächs mit der Betreuungsbehörde unberechtigte Kontoabhebungen getätigt hatte, hätte sie diesen Anspruch selbst sofort wieder - auch rückwirkend - geltend machen können.

Mein Rechtstipp

Es kommt in der Praxis nicht selten vor, dass die erteilte Vollmacht durch den Beauftragten dazu benutzt wird, unberechtigte Geldabhebungen vom Konto und sonstige Geschäfte getätigt werden. Einem Beauftragten ist aufgrund der ergangenen Gerichtsentscheidungen dazu zu raten, eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben vorzunehmen, auch und gerade dann, wenn er ein Kind des Auftraggebers ist. Das Eltern-Kind-Verhältnis ist zwar ein Vertrauensverhältnis, aber es schließt die Annahme eines Auftragsverhältnisses mit Auskunfts- und Rechenschaftspflichten nicht aus.