Doppelerfolg vor Landgericht Görlitz am 30.01.2015 in 5 O 530 und 479/13: Eheleute können Beteiligungen rückabwickeln

Aktien Fonds Anlegerschutz
20.02.2015296 Mal gelesen
Als spekulative Investments stufte das Gericht die beiden Beteiligungen an einem geschlossenen Immobilienfonds ein. Sie können ihr eingezahltes Geld und Freistellung von Verbindlichkeiten verlangen.

Bautzen, 20.02.2015 Gerade noch rechtzeitig vor Ablauf der 10-jährigen Verjährungsfrist konnten beide Eheleute aus H. in zwei getrennten Verfahren Klagen einreichen und nach einer über 6 Stunden währenden Verhandlung das Gericht von ihren Vorwürfen gegen einen Strukturvertrieb aus Süddeutschland überzeugen.

Die Fälle

Beide Eheleute beteiligten sich im Jahre 2003 an einem geschlossenen Immobilienfonds mit einem Gewerbeobjekt in Stuttgart. Überzeugen konnte sie die Strukturvertriebsmitarbeiterin B. aus F. im Büro des Strukturvertriebs in H. Deswegen war auch das LG Görlitz zuständig. Trotz fehlender Ansparungen und ihrer geringen Einkommen wurde seitens der Beraterin empfohlen, die teilweise von ihren Eltern angesparten Lebensversicherungen zu kündigen und die Rückkaufswerte in den Fonds zu zahlen. Es könne nichts passieren, wurde ihnen gesagt, da das Objekt zu 90 % vermietet sei. Aufgrund der hohen Fremdfinanzierungsquote, des Aktienfondsdepots im Fonds sowie des zu gering kalkulierten Mietausfallwagnisses von 3%, stufte das Gericht die Beteiligungen jedoch als spekulativ ein. Dass der Strukturvertrieb an der Prospektherausgeberin als Mehrheitsaktionärin beteiligt war, welche eine Fondsschließungsgarantie abgegeben hatte und damit für die (Nicht)Einwerbung von Anlegerkapital haftet, wurde nicht erwähnt.


Die noch nicht rechtskräftigen Entscheidungen

Das Gericht sah es nach 6 h Beweisaufnahme als erwiesen an, dass die Beraterin wohl zu euphorisch die Investments den falschen Anlegern empfohlen hatte. Selbst zum Zeitpunkt der mndl. Verhandlung am 24.04.2014 war sie immer noch der Meinung, dies wären gute Investments gewesen, gleichwohl die prospektierten Erträge bei weitem verfehlt wurden und sich prospektierte Risiken verwirklicht hatten.

Zeugen waren bei den Beratungsgesprächen nicht zugegen. Damit es überhaupt zu Beweisaufnahmen kommen konnte, haben sich die Eheleute wechselseitig ihre Ansprüche abgetreten und als Zeugen eingesetzt. Dann halfen auch nicht mehr die taktischen Drittwiderklagen der Beklagten gegen sie als Zeugen, weil sofortige Anerkenntnisse postwendend folgten. Zum Doppelerfolg beigetragen haben dürfte wohl auch die Beiziehung eines jahrelang erprobten Strafverteidigers, welcher dem Verfasser bei den aufwendigen Zeugenvernehmungen hilfreich zur Seite stand.

Zugesprochen wurden den Anlegern am 30.01.2015 sämtliche eingezahlten Beträge. Gleichzeitig wurden sie von der Haftung auf Abzahlung ihrer Ratenzahlermodelle befreit, sie müssen nichts mehr einzahlen. Haben die Urteile bestand, dürfen sie sich über mehr als € 10.000,00 freuen, mit denen sie in ihrer Verzweiflung schon nicht mehr gerechnet hatten.

Dem OLG Dresden als Berufungsinstanz sind dieser Sachverhalt und dieser Strukturvertrieb nicht unbekannt. Bislang hielten alle vom Verfasser erstrittenen erstinstanzlichen Urteile auch vor diesem OLG.

Schlussfolgerungen

Diese Fälle sind geradezu exemplarisch für eine Vielzahl von Anlegerschicksalen. Gute Ideen, wie die Beteiligungen an Immobilien für kleine Leute, werden in der Branche des grauen Kapitalmarktes regelmäßig in ihr Gegenteil verkehrt. Mangelhafte Verkaufsgespräche, verschwiegene Interessenkonflikte sowie zu hohe Kosten und zu geringe wirtschaftliche Risikovorsorge bei den Fonds, der Gesetzgeber lässt hier Narrenfreiheit zu, sorgen regelmäßig für Anlegerbeschwerden und Vermögensverluste.

Beherztes rechtzeitiges Handeln verhindert die Verjährung von Schadensersatzansprüchen. Die Zeit läuft gegen den ahnungslosen Anleger.

Aufwendige Aufarbeitungen der zugrundeliegenden Lebenssachverhalte durch Anleger und Anwälte sowie die richtigen Prozesstaktiken führen zum Erfolg.

Die maßgebliche Anlageberaterin dürfte sich, wie so oft beobachtet, ihrerseits auf einen Regress der Strukturvertriebsfirma gefasst machen, weil sie deren provisions- und Belohnungssystem missverstand und diese erfolgreichen Anlegerprozesse gegen ihre Firma durch Falschberatungen verursachte. Ihre Unwissenheit dürfte die ehemalige Kindergärtnerin nicht davor schützen, die Schäden und die Prozesskosten persönlich bezahlen zu müssen. Die Anleger und deren Rechtsschutzversicherung freut´s.

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Rechtsanwalt Jens Reime
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