Abmahnung im Arbeitsrecht: Wie kann sich der Arbeitnehmer hiergegen wehren? (Rüter & Pape Rechtsanwälte für Arbeitsrecht in Frankfurt am Main)

Arbeit Betrieb
23.06.20101775 Mal gelesen
Über die Voraussetzungen einer wirksamen Abmahnung, ihre Bedeutung für eine Kündigung und die Möglichkeiten des Arbeitnehmers, sich hiergegen zu wehren.

Abmahnung im Arbeitsrecht

Abmahnungen spielen im Arbeitsleben eine bedeutende Rolle, vor allem im Vorfeld einer Kündigung. Daneben ist die Abmahnung auch ein Mittel der Personalführung, soll sie den Arbeitnehmer doch zu einem vertragsgemäßen Verhalten in der Zukunft bewegen. Zudem gibt sie als Bestandteil der Personalakte ein Bild über die Leistung und das Verhalten des Arbeitnehmers und kann so sein berufliches Fortkommen erheblich beeinträchtigen.


Begriff

Eine Abmahnung liegt vor, wenn der Arbeitgeber in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise die Verletzung einer arbeitsvertraglichen Pflicht beanstandet und zugleich darauf hinweist, dass im Wiederholungsfall der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist. Die Abmahnung hat demnach 3 Funktionen, nämlich den Arbeitnehmer für ein bestimmtes Fehlverhalten zu rügen (Rüge), ihm Gelegenheit zu geben, sich in Zukunft wieder vertragsgemäß zu verhalten (Ermahnung), und ihn zu warnen, dass im Wiederholungsfall Konsequenzen bis hin zur Kündigung drohen (Warnung).

Wird der Arbeitnehmer nur gerügt, aber nicht gewarnt, dann liegt eine Ermahnung vor; sie ist bloße Vorstufe zur Abmahnung und hat keine kündigungsrechtliche Relevanz, da eine Kündigungsandrohung für den Wiederholungsfall fehlt.


Wirksamkeitsvoraussetzungen


Eine Abmahnung ist nur wirksam, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:


Vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers

Abgemahnt werden kann jedes vertragswidrige Verhalten des Arbeitnehmers, gleich ob es sich um die Verletzung der Arbeitspflicht oder die Nichtbeachtung einer vertraglichen Nebenpflicht handelt (Beispiele: Unentschuldigtes Fehlen oder Zuspätkommen, Leistungsmängel, eigenmächtiger Urlaubsantritt, Nichtbefolgung von Arbeitsanweisungen oder Vortäuschen einer Krankheit).

Ein Verschulden des Arbeitnehmers ist nicht erforderlich. Es genügt, dass der abgemahnte Sachverhalt auf Tatsachen gestützt wird, die den erhobenen Vorwurf objektiv rechtfertigen.


Konkrete Bezeichnung des Fehlverhaltens

Der Arbeitnehmer muss genau wissen, welches Fehlverhalten ihm vorgeworfen wird. Hierzu muss der Arbeitgeber den Sachverhalt exakt nach Ort, Zeit und den beteiligten Personen umschreiben sowie erklären, welches Verhalten er in Zukunft von dem Arbeitnehmer erwartet. Floskeln wie "Der Umgang mit Kunden ließ zu wünschen übrig" oder "Sie haben sich als unzuverlässig erwiesen" genügen nicht und machen die Abmahnung unwirksam.

Rügt der Arbeitgeber mehrere Pflichtverletzungen in einer Abmahnung, dann ist die gesamte Abmahnung unwirksam, falls sich später auch nur ein Vorwurf als falsch erweist.


Verhältnismäßigkeit

Die Abmahnung muss verhältnismäßig sein. So darf der Arbeitnehmer bei allenfalls geringfügigen oder bedeutungslosen Pflichtverletzungen nur ermahnt, nicht aber abgemahnt werden. Andererseits ist eine Abmahnung nicht schon deshalb unverhältnismäßig, weil das gerügte Fehlverhalten auch im Wiederholungsfall keine Kündigung rechtfertigen würde.


Ausspruch durch eine abmahnungsberechtigte Person

Zur Abmahnung sind nur solche Personen berechtigt, die dem Arbeitnehmer auch kündigen (Dienstvorgesetzte, z. B. Personalchef) oder ihm verbindliche Anweisungen betreffend den Ort, die Zeit sowie die Art und Weise der Arbeitsleistung erteilen (Fachvorgesetzte, z. B. Abteilungsleiter) dürften.


Zugang der Abmahnung

Die Abmahnung kann auch mündlich erfolgen, aus Beweisgründen wird sie in der Praxis aber fast immer schriftlich erteilt. Sie muss dem Arbeitnehmer auch zugehen, damit er die Möglichkeit hat, die gerügte Pflichtverletzung zur Kenntnis zu nehmen. Bei Arbeitnehmern, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, ist die Abmahnung zu übersetzen. Hingegen ist es nicht erforderlich, den Arbeitnehmer oder den Betriebsrat vor Ausspruch der Abmahnung anzuhören.


Frist

Eine Regelfrist, innerhalb derer eine Abmahnung erklärt werden muss, besteht nicht. Der Arbeitgeber ist also nicht verpflichtet, die Pflichtverletzung innerhalb einer bestimmten Zeit zu rügen. Andererseits läuft er Gefahr, sein Recht zum Ausspruch einer Abmahnung zu verwirken, wenn er nicht zeitnah auf eine Pflichtverletzung reagiert und der Arbeitnehmer deshalb davon ausgehen darf, der Arbeitgeber habe ihm sein Fehlverhalten verziehen. Nach welchem Zeitablauf von einer Verwirkung des Rügerechts auszugehen ist, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab; jedenfalls nach 6 Monaten Untätigkeit aber darf der Arbeitgeber ohne neue Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers keine Abmahnung mehr aussprechen.


Abmahnung und Kündigung

Spricht der Arbeitgeber für eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers eine Abmahnung aus, dann kann wegen des abgemahnten Sachverhalts nicht mehr gekündigt werden:

Zum einen bringt der Arbeitgeber mit der Abmahnung zum Ausdruck, dass er das Fehlverhalten als noch nicht ausreichend für eine Kündigung ansieht.

Zum anderen muss dem abgemahnten Arbeitnehmer grundsätzlich Gelegenheit gegeben werden, sich zukünftig vertragsgemäß zu verhalten, was aber gerade voraussetzt, dass wegen der abgemahnten Pflichtverletzung nicht zugleich gekündigt wird.

Arbeitgeber sollten deshalb intern regeln, wer eine Abmahnung aussprechen darf: Nicht selten nämlich spricht der Abteilungsleiter vorschnell eine Abmahnung aus, während der Personalleiter dasselbe Fehlverhalten zum Anlass einer Kündigung nehmen wollte. Die Pflichtverletzung ist dann durch die (womöglich sogar unwirksame) Abmahnung als Kündigungsgrund verbraucht.

Eine andere Frage ist, ob dem Arbeitnehmer erst gekündigt werden darf, wenn er zuvor abgemahnt worden ist: Diese Frage stellt sich überhaupt nur, soweit es um ordentliche Kündigungen aus verhaltensbedingten Gründen (Fehlverhalten, das der Arbeitnehmer steuern und damit abstellen kann) im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes oder um fristlose Kündigungen geht. Bei ordentlichen Kündigungen während der Probezeit oder bei ordentlichen Kündigungen in Kleinbetrieben oder innerhalb der ersten 6 Monate des Beschäftigungsverhältnisses ist also eine vorherige Abmahnung nicht erforderlich.

Zu beachten ist, dass die Abmahnung ohnehin nur eine von mehreren Kündigungsvoraussetzungen darstellt. Ist eine Abmahnung zwar wirksam und für die Kündigung auch erforderlich, dann kann die Kündigung gleichwohl noch aus anderen Gründen unwirksam sein.

Eine verhaltensbedingte Kündigung setzt wegen der Ermahnungsfunktion der Abmahnung und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in der Regel voraus, dass der Arbeitnehmer zuvor bereits wegen einer gleichartigen Pflichtverletzung abgemahnt worden ist. Denn würde dem Arbeitnehmer ohne vorherige Abmahnung sofort gekündigt werden, dann erhielte er gerade keine zweite Chance, sein Verhalten in der Zukunft zu ändern. Durch die vorherige Abmahnung aber ist der Arbeitnehmer gewarnt, dass der Arbeitgeber sein Verhalten missbilligt und ihm im Wiederholungsfall kündigen wird. Auch rechtfertigt regelmäßig erst die erfolglose - weil vom Arbeitnehmer nicht beachtete - Abmahnung die für eine verhaltensbedingte Kündigung erforderliche Negativprognose, dass sich der Arbeitnehmer auch in Zukunft vertragswidrig verhalten werde.

Eine verhaltensbedingte Kündigung setzt weiterhin voraus, dass der Arbeitnehmer trotz vorheriger Abmahnung weitere gleichartige Pflichtverletzungen begangen hat. Insoweit muss zwischen Abmahnungs- und Kündigungssachverhalt ein innerer Zusammenhang bestehen. Wer also bisher nur wegen Zuspätkommens abgemahnt worden ist, kann nicht gekündigt werden, weil er erstmals nicht an einer dienstlichen Besprechung teilgenommen hat. Gleichartigkeit in diesem Sinne bedeutet aber nicht Identität, weshalb gleichartige Pflichtverletzungen bereits dann gegeben sein können, wenn sie auf einer Ebene liegen und Ausdruck einer spezifischen Unzuverlässigkeit des Arbeitnehmers sind. So besteht Gleichartigkeit, wenn der Arbeitnehmer zuvor wegen Unpünktlichkeit abgemahnt worden ist und nun wegen vorzeitigen Verlassens des Arbeitsplatzes gekündigt werden soll.

Vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung ist die Abmahnung allerdings entbehrlich, wenn sie ihren Zweck offensichtlich nicht erfüllen kann. Dies ist der Fall, wenn die Pflichtverletzung des Arbeitnehmers so schwerwiegend ist, dass er selbst ohne Weiteres die Rechtswidrigkeit seines Handelns erkennen und deshalb nicht ernsthaft erwarten konnte, dass der Arbeitgeber dieses Verhalten duldet; ferner, wenn und weil aufgrund einer schwerwiegenden Pflichtverletzung im Vertrauensbereich in Zukunft nicht mit einer Wiederherstellung des zerstörten Vertrauens zu rechnen ist.

Grundsätzlich genügt bereits eine Abmahnung, um den Arbeitnehmer zu einem vertragsgemäßen Verhalten aufzufordern. Unzutreffend ist daher die Ansicht, es müsse immer erst dreimal abgemahnt werden, ehe gekündigt werden könne. Hier liegt gerade die Gefahr für den Arbeitgeber: Denn je mehr Abmahnungen er wegen gleichartiger Pflichtverletzungen ausspricht, desto mehr schwächt er die Warnfunktion der Abmahnung ab. Folge ist dann, dass die letzte Abmahnung, die er vor der Kündigung ausgesprochen hat, besonders eindringlich gewesen sein muss ("letzte Abmahnung"), weil die Kündigung sonst bereits wegen fehlender Abmahnung (mit Warnfunktion) unwirksam sein kann.


Rechte des Arbeitnehmers

Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, sich gegen die Abmahnung zu wehren. In einem späteren Kündigungsschutzprozess kann er immer noch die Rechtmäßigkeit der Abmahnung als Bestandteil der Kündigung bestreiten und so den Arbeitgeber zwingen, die in der Abmahnung erhobenen Vorwürfe zu beweisen. Gelingt dies nicht, dann fehlt eine wirksame Abmahnung, sodass die Kündigung bereits hieran scheitern kann.

Der Arbeitnehmer kann aber auch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte klagen. Der Arbeitgeber muss dann darlegen und beweisen, dass der in der Abmahnung geschilderte Sachverhalt zutreffend ist und einen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten begründet.

Der Arbeitnehmer kann ferner eine schriftliche Gegendarstellung fertigen und vom Arbeitgeber verlangen, diese gemäß § 83 Abs. 2 BetrVG zur Personalakte zu reichen.

RA Marco Pape

Rüter & Pape Rechtsanwälte

Klingerstr. 23

60313 Frankfurt am Main

Telefon: 069 / 29 72 34 70

Telefax: 069 / 29 72 34 71

 

http://www.rp-anwaelte.de

www.rp-anwaelte.de/index.php?page=arbeitsrecht

Stand: 01.03.2012