Entschädigung für Diskriminierung gibt es auch bei Kündigung während der Probezeit

Entschädigung für Diskriminierung gibt es auch bei Kündigung während der Probezeit
24.06.2013569 Mal gelesen
Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, die ihren Sachgrund in diskriminierenden Kündigungen haben, sind nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts Bremen nicht durch die einleitende Bestimmung in diesem Gesetz ausgeschlossen, nach der für Kündigungen

ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutzgelten.

Nach Absolvierung eines Praktikums in der Zeit vom 2. Dezember 2008 bis zum 16. Januar 2009 schloss eine Arbeitnehmerin mit einem Bremer Logistikunternehmen am 20. Januar 2009 einen Arbeitsvertrag ab. Das Unternehmen beschäftigt ständig weniger als zehn Arbeitnehmer. Der Arbeitsvertrag sah eine Probezeit von sechs Monaten vor.

Am 2. März 2009 nahm ein neuer Geschäftsführer seine Tätigkeit beim Logistikunternehmen auf, der am 6. April von der Gesellschafterversammlung zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt wurde. Schon am 11. März 2009 hat dieser neue Geschäftsführer in einem Personalgespräch mit der Arbeitnehmerin und einer weiteren Kollegin deren sprachliche Fähigkeiten kritisiert. Am 7. April 2009 wurde unserer Arbeitnehmerin die ordentliche Kündigung während der Probezeit erklärt.

Unsere Arbeitnehmerin verlangt daraufhin am 15. April 2009 mit Fristsetzung zum 30. April 2009 vom Logistikunternehmen Schadensersatz.

Nachdem das Logistikunternehmen nicht zahlte, erhob sie am 19. Mai 2009 Klage auf Entschädigung wegen Diskriminierung wegen ihrer ethnischen Herkunft. Sie behauptet, der Geschäftsführer hätte ihr gegenüber behauptet, die Kunden  würden sich auf Grund ihres russischen Akzentes erschrecken. Das Unternehmen könne es sich nicht leisten, Mitarbeiter mit Akzent zu beschäftigen. Die Kunden würden denken: "Was für ein Scheiß-Laden, in welchem nur Ausländer beschäftigt werden." Sie hätte nach diesem Gespräch auch nicht mehr das Telefon bedienen dürfen.

Sie verlangt daher mit ihrer Klage Schadensersatz in Höhe von 5.400 € nebst Zinsen.

Das Logistikunternehmen sieht keine Diskriminierung. Im Übrigen sei die Mitarbeiterin nicht wegen ihrer Aussprache, sondern betriebsbedingt wegen der schlechten Auftragslage entlassen worden. Ihr stehen daher keine Entschädigungszahlungen zu.

Sowohl Arbeitsgericht, als auch Landesarbeitsgericht gaben ihrer Klage statt.

Da das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz einleitend bestimmt, dass für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz gelten, diskutiert das Gericht die Frage, ob damit Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz ausgeschlossen seien, die ihren Sachgrund in diskriminierenden Kündigungen haben.

Mit ausführlicher Begründung kommt das Gericht zum Ergebnis, dass im Zusammenhang mit diskriminierenden Kündigungen Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz nicht ausgeschlossen seinen.

Tatbestandsvoraussetzung für einen Entschädigungsanspruch nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz sei ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot nach demselben.

Das Gericht nimmt an, dass der Mitarbeiterin die Kündigung ausgesprochen wurde, weil sie mit russischem Akzent spricht.

Auch wenn es sich bei der vom Unternehmen ausgesprochenen Kündigung um eine Probezeitkündigung handele, für deren Zulässigkeit lediglich irgendein einleuchtender Grund bestehen müsse, nimmt das Gericht dem Unternehmen die Behauptung, die Mitarbeiterin sei wegen Auftragsmangel in der Probezeit gekündigt worden nicht ab.

Die Mitarbeiterin habe bekundet, dass der Geschäftsführer O. gesagt habe, dass man es sich nicht leisten könne, Arbeitnehmer mit Akzent zu beschäftigen. Damit wurde nicht nur auf mangelhafte Deutschkenntnisse abgehoben, sondern die fehlenden Deutschkenntnisse seien in Zusammenhang mit der Herkunft der Mitarbeiterin aus dem russischen Sprachraum gebracht. Dies stelle eine Anknüpfung an die ethnische Herkunft dar.

Die Sachbearbeiterin habe genügend Indizien dafür vorgetragen und bewiesen, dass die ihr gegenüber ausgesprochene Kündigung wegen ihrer Herkunft aus dem russischen Sprachraum erfolgt sei. Das Unternehmen habe dies nicht hinreichend widerlegt.

Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz müsse die Entschädigung angemessen sein. Hierbei seien alle Umstände des Einzelfalls, also die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handels so-wie der Sanktionszweck der Entschädigungsnorm zu berücksichtigen.

Aus diesem Grunde seien 3 Monatsgehälter angemessen.

(Quelle: Landesarbeitsgericht Bremen, Urteil vom 29.06.2010; 1 Sa 29/10

Vorinstanz: Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven, Urteil vom 25.11.2009; 8 Ca 8322/09)

 

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