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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 14.06.2016, Az.: BVerwG 5 B 27.16, 5 AV 1.16
Verwerfung eines Ablehnungsgesuchs unter Mitwirkung abgelehnter Richter als unzulässig; Offenbarer Missbrauch des Ablehnungsrechts
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 14.06.2016
Referenz: JurionRS 2016, 19506
Aktenzeichen: BVerwG 5 B 27.16, 5 AV 1.16
ECLI: ECLI:DE:BVerwG:2016:140616B5B27.16.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

OVG Niedersachsen - 18.04.2016 - AZ: 4 LB 90/16

BVerwG, 14.06.2016 - BVerwG 5 B 27.16, 5 AV 1.16

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Juni 2016
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Harms
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 18. April 2016 (4 LB 90/16) und ihr Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts werden verworfen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Von der Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen.

Gründe

1

Das Ablehnungsgesuch der Antragstellerin (1), ihre Nichtzulassungsbeschwerde (2) und ihr Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts (3) haben keinen Erfolg.

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1. Dem Ablehnungsgesuch der Antragstellerin, über das unter Mitwirkung des abgelehnten Richters zu befinden ist, ist kein Erfolg beschieden.

3

Ein Ablehnungsgesuch nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 1 und 2 ZPO kann ausnahmsweise dann unter Mitwirkung abgelehnter Richter als unzulässig verworfen werden oder überhaupt unberücksichtigt bleiben, wenn es sich als offenbarer Missbrauch des Ablehnungsrechts darstellt (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 30. Dezember 1993 - 1 B 154.93 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 50 S. 17 und vom 12. März 2013 - 5 B 9.13 - Rn. 3, jeweils m.w.N.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 2010 - 1 BvR 96/10 - NVwZ-RR 2010, 545 f.). Davon ist auszugehen, wenn geeignete Befangenheitsgründe weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht werden, vielmehr das Vorbringen des Antragstellers von vornherein ersichtlich ungeeignet ist, die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 30. Dezember 1993 - 1 B 154.93 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 50 S. 17 und vom 12. März 2013 - 5 B 9.13 - Rn. 3, jeweils m.w.N.). So liegt es hier.

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Die Antragstellerin lehnt den Vorsitzenden Richter des Senats im Kern mit der Begründung ab, dessen Verfügung vom 27. Mai 2016 begründe die Besorgnis seiner Befangenheit. Der abgelehnte Richter hat mit Verfügung vom 27. Mai 2016 den Schriftsatz der Antragstellerin vom 4. Mai 2016, mit dem sie Nichtzulassungsbeschwerden erhoben und Anträge auf Beiordnung eines Notanwalts gestellt hatte, Herrn Rechtsanwalt M. zugeleitet und diesen um Mitteilung bis zum 6. Juni 2016 gebeten, ob er Einwilligungen hinsichtlich der Beschwerden und Anträge erteilt habe oder - sollte dies nicht der Fall sein - er insoweit zustimme. In der Verfügung wird darauf hingewiesen, dass für den Fall, dass innerhalb der gesetzten Frist keine Erklärung abgegeben werde, davon ausgegangen werde, dass Einwilligungen nicht vorlägen und Zustimmungen nicht erteilt würden. Die auf diese Verfügung bezogene Begründung des Befangenheitsgesuchs ist von vornherein ersichtlich ungeeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen. Die Anfrage an Herrn Rechtsanwalt M. war geboten, weil aus den nachstehenden Gründen die von der Antragstellerin erhobenen Nichtzulassungsbeschwerden und ihre Anträge auf Beiordnung eines Notanwalts der Einwilligung oder der Zustimmung von Rechtsanwalt M. bedürfen. Schon deshalb ist die Verfügung vom 27. Mai 2016 nicht ansatzweise geeignet, dem Befangenheitsantrag zum Erfolg zu verhelfen.

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2. Die von der Antragstellerin mit Schreiben vom 4. Mai 2016 erhobene Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Antragstellerin nicht prozessfähig ist.

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Der Mangel der Prozessfähigkeit folgt jedenfalls aus § 62 Abs. 2 VwGO. Danach ist ein geschäftsfähiger Betreuter bei Bestehen eines Einwilligungsvorbehalts nach § 1903 BGB, der den Gegenstand des Verfahrens betrifft, nur insoweit zur Vornahme von Verfahrenshandlungen fähig, als er nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ohne Einwilligung des Betreuers handeln kann oder durch Vorschriften des öffentlichen Rechts als handlungsfähig anerkannt ist. Im Fall der Antragstellerin besteht ein den Gegenstand des Verfahrens betreffender Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 BGB. Das Amtsgericht Rotenburg (Wümme) hat mit rechtskräftigem Beschluss vom 18. Dezember 2014 (10 XVII S 1057) nach § 1896 Abs. 1 BGB für die Antragstellerin einen Betreuer u.a. mit dem Aufgabenkreis "Rechtsangelegenheiten" bestellt und gemäß § 1903 Abs. 1 Satz 1 BGB angeordnet, dass sie zu Willenserklärungen auch in solchen Angelegenheiten (grundsätzlich) der Einwilligung des Betreuers bedarf. Die Voraussetzungen, unter denen die Antragstellerin nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts den von ihr anhängig gemachten Rechtsbehelf ohne Einwilligung des Betreuers einlegen könnte, sind nicht erfüllt. Zwar bedarf der Betreute nach § 1903 Abs. 3 Satz 1 BGB trotz eines angeordneten Einwilligungsvorbehalts nicht der Einwilligung des Betreuers, wenn die Willenserklärung dem Betreuten lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt. Die Nichtzulassungsbeschwerde gehört jedoch nicht zu solchen Willenserklärungen, weil deren Einlegung mit einem Kostenrisiko nach § 154 Abs. 2 VwGO verbunden ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Januar 1996 - 5 B 219.95 - Buchholz 310 § 62 VwGO Nr. 24 S. 2). Vorschriften des öffentlichen Rechts, die die Antragstellerin hinsichtlich des hier in Rede stehenden Rechtsbehelfs als handlungsfähig anerkennen, sind nicht ersichtlich.

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Mithin hätte die Antragstellerin zur wirksamen Einlegung des Rechtsbehelfs der Einwilligung ihres Betreuers bedurft (§ 1903 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB). Dieser hat weder eine entsprechende Einwilligung erteilt noch erklärt, dass er insoweit zustimme. Obwohl die Antragstellerin hinsichtlich der Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht prozessfähig ist, begründet deren Einlegung ein begrenztes Prozessrechtsverhältnis, in dem der Senat eine Entscheidung über die Zulässigkeit mit der sich aus § 154 VwGO ergebenden Kostenfolge zu treffen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. April 1998 - 3 B 70.97 - Buchholz 310 § 62 VwGO Nr. 27 m.w.N.).

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3. Der Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts ist aus den vorstehenden Gründen ebenfalls unzulässig. Davon abgesehen hat er auch deshalb keinen Erfolg, weil die Nichtzulassungsbeschwerde aus den vorstehenden Gründen aussichtslos ist (§ 173 VwGO i.V.m. 78b Abs. 1 ZPO).

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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Von der Erhebung von Gerichtskosten wird nach § 21 Abs. 1 Satz 3 GKG abgesehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. April 1998 - 3 B 70.97 - Buchholz 310 § 62 VwGO Nr. 27).

Vormeier

Dr. Störmer

Dr. Harms

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