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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 07.06.2016, Az.: BVerwG 1 B 60.16
Reichweite des Beurteilungsspielraums des EuGH nach den Kontrollmaßstäben des innerstaatlichen Rechts
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 07.06.2016
Referenz: JurionRS 2016, 19485
Aktenzeichen: BVerwG 1 B 60.16
ECLI: ECLI:DE:BVerwG:2016:070616B1B60.16.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

OVG Berlin-Brandenburg - 16.02.2016 - AZ: 7 B 7.15

Rechtsgrundlage:

Art. 267 Abs. 3 AEUV

BVerwG, 07.06.2016 - BVerwG 1 B 60.16

Redaktioneller Leitsatz:

Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union sind nicht divergenzfähig.

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. Juni 2016
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Februar 2016 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.

3

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist (BVerwG, Beschlüsse vom 23. März 2016 - 1 B 29.16 - Rn. 4 und vom 1. April 2014 - 1 B 1.14 - AuAS 2014, 110).

4

Die Beschwerde erachtet als grundsätzlich klärungsbedürftig:

"Ist der 'weite Beurteilungsspielraum', den der EuGH in seinem Urteil vom 19. Februar 2013 in der Rechtssache Koushkaki (C-84/12) zugrunde legt, den Kontrollmaßstäben des innerstaatlichen Rechts zu entnehmen, wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 17. September 2015, BVerwG 1 C 37.14, Rz. 18 ausführt?"

5

Dies führt nicht zur Zulassung der Revision. Die Klärung dieser Rechtsfrage ist für die Entscheidung in der Sache nicht erheblich und kann daher der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung verleihen. Das Oberverwaltungsgericht ist - entgegen der Auffassung der Kläger - gerade nicht davon ausgegangen, dass der "weite Beurteilungsspielraum" im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom 19. Dezember 2013 - C-84/12 [ECLI:EU:C:2013:862], Koushkaki) "den Kontrollmaßstäben des innerstaatlichen Rechts zu entnehmen ist". Vielmehr ergibt sich aus den Entscheidungsgründen des Oberverwaltungsgerichts (UA S. 8 f.), dass das Oberverwaltungsgericht (in Übereinstimmung mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. September 2015 - 1 C 37.14 - Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 77 Rn. 18) davon ausgeht, dass nach der verbindlichen Auslegung der einschlägigen Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (ABl. L 243 S. 1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (ABl. L 77 S. 1) - Viskodex - durch den Gerichtshof der Europäischen Union der "weite Beurteilungsspielraum" der zuständigen Behörden bei der Prüfung der Rückkehrabsicht durch das Unionsrecht unmittelbar vorgegeben ist und nicht - wovon die Zulassungsfrage ausgeht - "den Kontrollmaßstäben des innerstaatlichen Rechts zu entnehmen" ist. Dem innerstaatlichen Recht sind lediglich die Maßstäbe für die gerichtliche Kontrolle des unionsrechtlich vorgegebenen Entscheidungsspielraums zu entnehmen, da das einschlägige Unionsrecht insoweit keine Vorgaben macht (vgl. im Einzelnen: BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 1 C 37.14 - Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 77 Rn. 21).

6

Das übrige Vorbringen der Beschwerde enthält auch nicht ansatzweise eine bestimmte, höchstrichterlich noch nicht geklärte und für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts. Es erschöpft sich vielmehr in der Art der Begründung eines bereits zugelassenen Rechtsmittels in Ausführungen dazu, weshalb die Auffassung des Berufungsgerichts nach Ansicht der Beschwerde rechtsfehlerhaft ist. Dies kann nicht zur Zulassung der Revision führen.

7

2. Auch die von der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) führen nicht zur Zulassung der Revision.

8

a) Ein Verfahrensverstoß liegt nicht darin, dass die Rechtssache nicht dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt wurde. Art. 267 Abs. 3 AEUV verpflichtet das Berufungsgericht zur Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Union nur für den Fall, dass seine Entscheidung mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts nicht weiter angefochten werden kann. Vorliegend ist hiergegen aber die streitgegenständliche Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision statthaft. Die Annahme der Beschwerde, dass das Berufungsgericht die Kläger ihrem gesetzlichen Richter entzogen hätte (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), scheidet daher aus (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Oktober 2010 - 7 B 22.10 - Rn. 9).

9

b) Soweit die Kläger eine Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 VwGO) erheben, genügt diese bereits nicht den Anforderungen an die ordnungsgemäße Rüge eines Verstoßes gegen die richterliche Sachaufklärungspflicht (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

10

Die Rüge der Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht erfordert eine substantiierte Darlegung, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären (BVerwG, Beschluss vom 15. Februar 2013 - 8 B 58.12 - ZOV 2013, 40). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht.

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3. Schließlich hat die Beschwerde auch insoweit keinen Erfolg, als sie eine Divergenz zu der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (C-84/12, Koushkaki) geltend macht. Denn Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union sind nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht divergenzfähig. Das entsprechende Vorbringen der Kläger könnte allenfalls unter dem Gesichtspunkt einer grundsätzlichen Bedeutung der Sache zur Zulassung der Revision führen, genügt aber insoweit nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

12

4. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

13

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Prof. Dr. Berlit

Prof. Dr. Dörig

Dr. Rudolph

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