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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 16.09.2015, Az.: BVerwG 6 AV 2.15
Rechtsweg bei einer nach dem endgültigen Nichtbestehen einer Abschlussprüfung verhängten Exmatrikulation
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 16.09.2015
Referenz: JurionRS 2015, 26076
Aktenzeichen: BVerwG 6 AV 2.15
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

VG Frankfurt am Main - AZ: VG 4 K 3176/14.F

BVerwG, 16.09.2015 - BVerwG 6 AV 2.15

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. September 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Hahn und Prof. Dr. Hecker
beschlossen:

Tenor:

Als zuständiges Gericht wird das Landgericht Frankfurt am Main bestimmt.

Gründe

I

1

Der Kläger studierte bei der Beklagten, einer staatlich anerkannten privaten Hochschule, im Bachelorstudiengang Business Administration. In der Abschlussprüfung wurden seine Klausuren im Fach Volkswirtschaftslehre 2 - Makroökonomie auch in den zulässigen Wiederholungsfällen jeweils mit der Note 5 (nicht bestanden) bewertet. Weil der Kläger damit nach der Prüfungsordnung der Beklagten die Abschlussprüfung endgültig nicht beanstanden hatte, exmatrikulierte ihn die Beklagte.

2

Der Kläger hat nach erfolglosem Widerspruch beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Klage gegen die Bewertung seiner Klausuren im Fach Volkswirtschaftslehre 2 - Makroökonomie und gegen seine Exmatrikulation erhoben. Das Verwaltungsgericht hat den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Frankfurt am Main verwiesen. Das Landgericht hat den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen. Das Verwaltungsgericht hat den Rechtsstreit dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt und um die Bestimmung des zuständigen Gerichts gebeten.

II

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1. Das Bundesverwaltungsgericht ist für die Entscheidung des negativen Kompetenzkonflikts zwischen dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main und dem Landgericht Frankfurt am Main zuständig. Dies folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 53 Abs. 1 Nr. 5 VwGO. Nach dieser Vorschrift wird ein negativer Kompetenzkonflikt zwischen Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit von dem Gericht entschieden, das den beteiligten Gerichten übergeordnet ist. Auf den Kompetenzkonflikt zwischen einem Verwaltungsgericht und einem Landgericht lässt sich diese Vorschrift zwar weder unmittelbar anwenden noch gibt es dafür sonst eine gesetzliche Regelung. Die damit gegebene Regelungslücke ist - im Einklang mit der Rechtsprechung anderer oberster Gerichtshöfe des Bundes - in der Weise zu schließen, dass dasjenige oberste Bundesgericht den negativen Kompetenzkonflikt zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige entscheidet, das einem der beteiligten Gerichte übergeordnet ist und zuerst angegangen wird (BVerwG, Beschlüsse vom 27. Mai 2014 - 6 AV 3.14 - Rn. 1; vom 17. März 2010 - 7 AV 1.10 - Buchholz 300 § 17a GVG Nr. 29 Rn. 5 und vom 26. Februar 2009 - 2 AV 1.09 - Rn. 6; BGH, Beschluss vom 26. Juli 2001 - X ARZ 69/01 - NJW 2001, 3631 <3632>; BSG, Beschluss vom 16. September 2009 - B 12 SF 7/09 S - Rn. 3).

4

2. Für die Klage ist das Landgericht Frankfurt am Main zuständig. Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist durch den Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 10. Dezember 2014 gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG bindend festgestellt. Die Beteiligten haben den Beschluss nicht mit der Beschwerde angefochten. Er ist deshalb unanfechtbar geworden. Die Bindungswirkung nach § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG tritt selbst bei einem fehlerhaften Verweisungsbeschluss ein, etwa wenn der Rechtsweg zu dem verweisenden Gericht entgegen dessen Rechtsauffassung gegeben war oder wenn das Gericht den Verweisungsbeschluss entgegen § 17a Abs. 4 Satz 2 GVG nicht begründet hat. Mit Rücksicht auf die in § 17a GVG selbst eröffnete Möglichkeit, den Verweisungsbeschluss in dem in § 17a Abs. 4 Satz 3 ff. GVG vorgesehenen Instanzenzug überprüfen zu lassen, kann die gesetzliche Bindungswirkung eines unanfechtbaren Verweisungsbeschlusses allenfalls bei extremen Rechtsverstößen durchbrochen werden, etwa wenn sich die Verweisung bei der Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsnormen so weit von dem diese beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entfernt hat, dass sie schlechthin nicht mehr zu rechtfertigen ist. Hiervon kann jedoch allenfalls dann ausgegangen werden, wenn die Entscheidung bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (BVerwG, Beschlüsse vom 8. Oktober 2012 - 6 AV 1.12 - Rn. 4 und vom 27. Mai 2014 - 6 AV 3.14 - Rn. 2; BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - Xa ARZ 283/10 - MDR 2011, 253; BGH, Beschluss vom 8. Juli 2003 - X ARZ 138/03 - NJW 2003, 2990, <2991>).

5

Ein derartiger extremer Rechtsverstoß liegt in dem Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 10. Dezember 2014 nicht. Das Verwaltungsgericht hat sich zur Begründung seiner Entscheidung auf den Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Juli 2013 - 9 E 1558/13 - (NVwZ-RR 2014, 117) bezogen und sich dessen Gründe dadurch zu eigen gemacht. Obwohl die Beklagte als Hochschule staatlich anerkannt ist und die Befugnis besitzt, Hochschulgrade zu verleihen, hat das Verwaltungsgericht ihre Entscheidungen in der Abschlussprüfung nicht dem öffentlichen Recht und deren Anfechtung nicht als öffentlich-rechtliche Streitigkeiten den Verwaltungsgerichten zugeordnet, weil eine Hochschule in privater Trägerschaft nach § 91 Abs. 4 Satz 1 des Hessischen Hochschulgesetzes mit der Anerkennung das Recht erhält, "auf privatrechtlicher Grundlage" einen Studien- und Prüfungsbetrieb durchzuführen, der mit einem akademischen Grad abschließt. Selbst wenn das Verwaltungsgericht den Begriff des "Prüfungsbetriebs" zu Unrecht über die Organisation und Durchführung des Prüfungsverfahrens hinaus auf die Prüfungsentscheidungen erstreckt und in diesem Zusammenhang die von ihm herangezogenen Gesetzesmaterialien fehl interpretiert haben sollte, würde eine solche fehlerhafte Beurteilung zwar zur Rechtswidrigkeit der hierauf gestützten Verweisungsentscheidung führen können, diese aber noch nicht in einem Ausmaß als unverständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen lassen, welches es rechtfertigen würde, von der Regelung des § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG abzuweichen.

Neumann

Hahn

Prof. Dr. Hecker

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