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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 01.07.2014, Az.: BVerwG 2 B 39.13
Anspruch eines wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzten Polizeibeamten auf finanziellen Ausgleich für nicht angeordnete Mehrarbeit aus den vergangenen Jahren
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 01.07.2014
Referenz: JurionRS 2014, 19257
Aktenzeichen: BVerwG 2 B 39.13
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

OVG Rheinland-Pfalz - 14.01.2013 - AZ: OVG 2 A 10626/12.OVG

Rechtsgrundlagen:

Art. 6 RL 2003/88/EG

§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO

BVerwG, 01.07.2014 - BVerwG 2 B 39.13

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. Juli 2014
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dr. Hartung
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 14. Januar 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 960,68 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Der 1952 geborene Kläger stand als Polizeihauptkommissar (Besoldungsgruppe A 11) im Dienst des Beklagten und war Leiter einer Diensthundegruppe. Von April 2009 bis zu seiner Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit mit Wirkung vom 1. November 2010 war der Kläger ununterbrochen dienstunfähig krank. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich auf seinem Arbeitszeitkonto 341 Überstunden aus den vorangegangen Jahren angesammelt. Seinen Antrag aus dem Oktober 2010 auf Vergütung dieser Stunden lehnte der Beklagte ab. Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage haben die Vorinstanzen abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen auf Folgendes abgestellt:

3

Mangels angeordneter Mehrarbeit habe der Kläger keinen Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung. Auch aus der Fürsorgepflicht ergebe sich kein finanzieller Ausgleichsanspruch, zumal seine Wochenarbeitszeit unter der höchstzulässigen Zahl von 48 Stunden geblieben sei. Ein Ausgleichanspruch folge auch nicht aus Treu und Glauben, weil er nicht in zeitlichem Zusammenhang mit der Entstehung dieser Überstunden geltend gemacht worden sei. Schließlich gewähre auch Unionsrecht dem Kläger keine Ansprüche. Weder gehe es um Mehrarbeit über die nach Art. 6 der Richtlinie 2003/88/EG festgesetzte durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum von 48 Stunden hinaus noch sei die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs über die finanzielle Abgeltung von nicht genommenem Jahresurlaub auf die Unmöglichkeit der Inanspruchnahme eines durch Mehrarbeit erworbenen Freizeitausgleichsanspruchs übertragbar.

4

2. Der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (stRspr, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18 und vom 2. Februar 2011 - BVerwG 6 B 37.10 - NVwZ 2011, 507 Rn. 2). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

5

Die erste als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage,

"Setzt der Anspruch auf zeitlichen oder finanziellen Ausgleich für geleistete Mehrarbeit unter Berücksichtigung von Art. 6 der Richtlinie 2003/88EG i.V.m. der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 25. November 2010, Rs. C-429/09) unter richtlinienkonformer Auslegung abweichend von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 29. September 2012 - BVerwG 2 C 32.10) einen Antrag bzw. eine Geltendmachung voraus?"

rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht, weil sie in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt ist.

6

In mehreren Urteilen vom 26. Juli 2012 u.a. im Verfahren BVerwG 2 C 29.11 (BVerwGE 143, 381) hat der Senat ausgeführt, dass der unionsrechtliche Staatshaftungsanspruch keinen vorherigen Antrag beim Dienstherrn voraussetzt (a.a.O. Rn. 25), während bei nicht gesetzlich geregelten nationalrechtlichen Ausgleichsansprüchen es einer Geltendmachung im Sinne einer Rügeobliegenheit oder Hinweispflicht des Beamten bedarf, wobei an eine solche Rüge keine hohen Anforderungen zu stellen sind (a.a.O. Rn. 27). Das Oberverwaltungsgericht hat im Berufungsurteil diese Rechtsprechung ausdrücklich zugrunde gelegt.

7

Zwar kann eine bereits revisionsgerichtlich geklärte Rechtsfrage wieder im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO klärungsbedürftig werden. Das setzt aber voraus, dass neue Gesichtspunkte von Gewicht vorgebracht werden, die die bisherige Rechtsprechung in Frage stellen und eine erneute revisionsgerichtliche Entscheidung geboten erscheinen lassen (Beschlüsse vom 25. November 1992 - BVerwG 6 B 27.92 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 306 S. 224 m.w.N. und zuletzt vom 14. Mai 2014 - BVerwG 2 B 96.13 - [...] Rn. 9). Dies ist der Beschwerdebegründung des Klägers nicht zu entnehmen.

8

Soweit die Beschwerde auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 25. November 2010 (Rs. C-429/09, Fuß - NZA 2011, 53 Rn. 80 f. [EuGH 25.11.2010 - Rs. C-429/09]) verweist, stellt dies keinen neuen Gesichtspunkt dar; dieses Urteil ist in den oben genannten Urteilen des Senats vom 26. Juli 2012 umfassend berücksichtigt worden und war maßgeblich dafür, dass der Senat für den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch ein Antragserfordernis verneint hat (z.B. BVerwG 2 C 29.11, a.a.O. Rn. 25). Soweit die Beschwerde meint, beim Anspruch aus Treu und Glauben handele es sich um Unionsrecht, so dass deshalb auch für diesen Anspruch ein Antragserfordernis zu verneinen sei, geht dies fehl: In den Fällen von über das unionsrechtlich zulässige Maß hinausgehender Wochenarbeitszeit kann neben einem unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch auch ein beamtenrechtlicher - und damit nationalstaatlicher - Ausgleichsanspruch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben in Verbindung mit den Regeln über einen Ausgleich von Mehrarbeit gegeben sein, der - wie bereits dargelegt - der Geltendmachung im Sinne einer Rügeobliegenheit oder Hinweispflicht des Beamten bedarf. Auch dies hat der Senat in den Urteilen vom 26. Juli 2012 ausgeführt (z.B. BVerwG 2 C 29.11, a.a.O. Rn. 26). Weiterer Klärungsbedarf hierzu besteht nicht.

9

Auch die zweite als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage,

"Ist die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur finanziellen Abgeltung von Urlaub (Urteil vom 3. Mai 2012, Rs. 337/10) auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme eines durch Mehrarbeit erworbenen Freizeitausgleichsanspruchs wegen krankheitsbedingter Dienstunfähigkeit übertragbar mit der Folge, dass ein nicht gewährter Freizeitausgleichsanspruch bei Beendigung des Dienstverhältnisses abzugelten ist?"

rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Sie lässt sich ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dahingehend beantworten, dass kein Anspruch auf Ausgleich besteht.

10

Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG regelt den Jahresurlaub. Danach treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen erhält (Absatz 1). Der bezahlte Mindestjahresurlaub darf außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden (Absatz 2). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in dem von der Beschwerde angeführten Urteil vom 3. Mai 2012 (Rs. C-337/10, Neidel - NVwZ 2012, 688 Rn. 21 ff. [EuGH 03.05.2012 - C-337/10]) zwar seine Rechtsprechung fortgeführt, wonach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG einen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für bezahlten Jahresurlaub gewährt, den der Beamte oder sonstige Arbeitnehmer im Sinne dieser Richtlinie nicht genommen hat, weil er aus Krankheitsgründen keinen Dienst geleistet hat. In diesem Urteil (Rn. 35) hat er aber auch klargestellt, dass sich diese Richtlinie auf die Aufstellung von Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung beschränkt und die Mitgliedstaaten für die Arbeitnehmer günstigere Regelungen schaffen können. Da für Beamte keine andere Anspruchsgrundlage als der unmittelbar anwendbare Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG besteht, hat der Senat entschieden, dass der Umfang dieses Urlaubsabgeltungsanspruchs auf den vierwöchigen Mindesturlaub nach Absatz 1 der Richtlinie beschränkt ist und weder darüber hinausgehenden Erholungsurlaub noch den Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX noch Arbeitszeitverkürzungstage erfasst (Urteile vom 31. Januar 2013 - BVerwG 2 C 10.12 - NVwZ 2013, 1295 Rn. 18 ff. und vom 30. April 2014 - BVerwG 2 A 8.13 - [...] Rn. 18). Hiervon ausgehend ist eindeutig, dass nicht durch Freizeitausgleich ausgeglichene Überstunden oder Mehrarbeit ebenfalls -und erst recht - keinen Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG auslösen können.

11

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 52 Abs. 3, §§ 47 und 40 GKG.

Domgörgen

Dr. Hartung

Dr. von der Weiden

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