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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 21.01.2014, Az.: BVerwG 20 F 1.13
Anspruch gegen den Verfassungsschutz auf ungeschwärzter Vorlage der Akte
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 21.01.2014
Referenz: JurionRS 2014, 10901
Aktenzeichen: BVerwG 20 F 1.13
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

OVG Niedersachsen - 14.12.2012 - AZ: OVG 14 PS 2/12

Rechtsgrundlagen:

§ 1 Abs. 1 S. 1 IFG

§ 99 VwGO

BVerwG, 21.01.2014 - BVerwG 20 F 1.13

Redaktioneller Leitsatz:

1.

Der Umstand, dass die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder Erkenntnisse austauschen, ist ebenso wenig geheimhaltungsbedürftig wie der Umstand, dass in Fällen von Auskunftsersuchen Betroffener bei der Stelle, die die Information ursprünglich gewonnen hat, nachgefragt wird, ob Bedenken gegen die Erteilung einer Auskunft bestehen.

2.

Sind Behörden wie die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder bei der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben auf Angaben Dritter angewiesen, dürfen sie zum Schutz des Informanten dessen Identität geheim halten.

In der Verwaltungsstreitsache
hat der Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts
für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO
am 21. Januar 2014
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann
beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 14. Dezember 2012 geändert. Die Sperrerklärung des Beklagten vom 30. Januar 2007 in der Fassung der Erklärungen vom 14. September 2011 und vom 27. November 2012 ist auch insoweit rechtswidrig, als sie sich auf Blatt 368 bis 370, Blatt 373 bis 384, Blatt 386 bis 388 und Blatt 425 der Beiakte E bezieht.

Die weitergehende Beschwerde der Klägerin wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Klägerin neun Zehntel und der Beklagte ein Zehntel.

Gründe

I

1

Die Klägerin ist Mitglied der Partei "Die Linke". Sie war von 1998 bis 2006 Landesvorsitzende der PDS in Niedersachsen und gehörte in der 16. und 17. Wahlperiode dem Deutschen Bundestag als Abgeordnete an. Die Klägerin forderte das Niedersächsische Landesamt für Verfassungsschutz auf, ihr Auskunft darüber zu erteilen, welche personenbezogenen Daten über sie gesammelt und gespeichert seien, sowie ihr insbesondere Einsicht in die vollständigen Akten zu gewähren. Das Landesamt teilte der Klägerin mit, neben allgemeinen biographischen Daten lägen zu ihrer Person aus parteieigenen oder parteinahen Publikationen entnommene allgemeine Informationen zum parteipolitischen Werdegang, zur Teilnahme an Parteiveranstaltungen und zur Berufung in Bundesgremien der Partei vor. Aktenkundig sei ferner, dass sie ein Bundestagsmandat innehabe. Der Bescheid des Landesamtes bezeichnet einzelne Erkenntnisse, die zu ihr über die Informationen hinaus gespeichert seien, die aus Verfassungsschutzberichten bereits bekannt seien. Weiter bestünden Erkenntnisse über extremistische Aktivitäten, deren Mitteilung schützenswerte Belange entgegenstünden. Ein Anspruch auf Einsicht in die Akte bestehe nicht.

2

In der Folge benannte das Landesamt der Klägerin weitere Erkenntnisse, die über ihre Person gespeichert seien.

3

Die Klägerin hat im zugehörigen Ausgangsverfahren Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben, mit der sie unter anderem begehrt hat, das zunächst beklagte Landesamt für Verfassungsschutz zu verpflichten, ihr Einsicht in die über sie geführten Akten zu gewähren und ihr vollständige Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Daten zu erteilen.

4

Das Landesamt hat nach Aufforderung des Verwaltungsgerichts einzelne bei ihm geführte Akten vorgelegt, die Vorlage der vollständigen Akten hat das (nunmehr beklagte) Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport jedoch durch eine Sperrerklärung vom 30. Januar 2007 verweigert: Würden die nicht vorgelegten Aktenteile offengelegt, würde die Erfüllung der Aufgaben des Landesamtes erheblich erschwert. Die nicht vorgelegten Aktenteile enthielten Erkenntnisse und Informationen, die durch den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel gewonnen worden seien. Ihre Vorlage ließe offenbar werden, welche nachrichtendienstlichen Mittel zu bestimmten Zeitpunkten gegenüber einem bestimmten Personenkreis eingesetzt worden seien. Die Heimlichkeit der Informationsbeschaffung, die vom Gesetzgeber gewollt und für die Arbeit eines Nachrichtendienstes unverzichtbar sei, wäre nicht aufrechtzuerhalten. Aus anderen nicht vorgelegten Aktenteilen könnten Rückschlüsse auf die Erkenntnisgewinnung, die Arbeitsweise und den Kenntnisstand des Landesamtes sowie auf die Zusammenarbeit der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern gezogen werden.

5

Das Verwaltungsgericht hat über die Klage mündlich verhandelt und das beklagte Ministerium für Inneres und Sport durch Beschluss aufgefordert, dem Gericht sämtliche Akten und Aktenteile vorzulegen, die personenbezogene Daten über die Klägerin enthalten, insbesondere sämtliche ab September 2005 angelegten Vorgänge sowie die Vorgänge, die Gegenstand der Sperrerklärung vom 30. Januar 2007 waren.

6

Das beklagte Ministerium für Inneres und Sport legte daraufhin weitere (teilweise geschwärzte) Aktenteile vor und verweigerte im Übrigen mit Sperrerklärung vom 14. September 2011 die Vorlage der vollständigen Vorgänge. Es machte geltend, diese Aktenteile müssten zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Verfassungsschutzes, zum Schutz der Informationsquellen und zum Schutz der Persönlichkeitsrechte und sonstiger Belange Dritter geheim gehalten werden.

7

Auf Antrag der Klägerin legte das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 20. August 2012 dem Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts das Verfahren zur Entscheidung darüber vor, ob die Verweigerung der Vorlage von Vorgängen und Aktenteilen rechtmäßig ist. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht aus: Ohne genauere Kenntnis des Inhalts der bisher nicht vorgelegten Akten und Aktenteile könne es nicht nachprüfen, ob die behaupteten Geheimhaltungsgründe nach § 13 Abs. 2 Satz 1 NVerfSchG dem Auskunftsanspruch der Klägerin entgegenstünden.

8

Nach Vorlage der bisher zurückgehaltenen oder nur geschwärzt vorgelegten Akten und Aktenteile an den Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat das beklagte Ministerium für Inneres und Sport mit Schriftsatz vom 27. November 2012 seine Sperrerklärung vom 14. September 2011 ergänzt und die dort benannten Weigerungsgründe den nunmehr vorgelegten Aktenstücken nach Blattzahlen zugeordnet. Für einzelne Aktenteile hat das beklagte Ministerium die Sperrerklärung aufgehoben.

9

Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat durch den angefochtenen Beschluss festgestellt, dass die Verweigerung der Vorlage im Einzelnen bezeichneter Unterlagen rechtswidrig sei, im Übrigen aber rechtmäßig sei, da insoweit die geltend gemachten Geheimhaltungsgründe vorlägen.

10

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Klägerin.

II

11

Die Beschwerde der Klägerin ist nur zu einem geringen Teil begründet. Über die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts hinaus ist die Sperrerklärung des Beklagten für einige weitere Unterlagen rechtswidrig. Im Übrigen hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts zu Recht festgestellt, dass die Sperrerklärung des Beklagten rechtmäßig ist.

12

1. Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat zu Recht über den Antrag in der Sache entschieden. Die insoweit erforderliche Entscheidungserheblichkeit der zurückgehaltenen Akten hat das Verwaltungsgericht als Gericht der Hauptsache bejaht.

13

Hierfür ist grundsätzlich ein Beweisbeschluss oder eine vergleichbare förmliche Äußerung des Gerichts der Hauptsache zur Klärung der rechtlichen Erheblichkeit des Akteninhalts für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich.

14

a) Hieran fehlt es, soweit die Klägerin Akteneinsicht begehrt. Zwar ist ein Beweisbeschluss oder eine vergleichbare förmliche Äußerung ausnahmsweise entbehrlich, wenn die zurückgehaltenen Unterlagen zweifelsfrei rechtserheblich sind. Das kann der Fall sein, wenn die Pflicht zur Vorlage der Behördenakten bereits Streitgegenstand des Verfahrens zur Hauptsache ist und die dortige Entscheidung von der - allein anhand des Inhalts der umstrittenen Akten zu beantwortenden - Frage abhängt, ob die Akten, wie von der Behörde geltend gemacht, geheimhaltungsbedürftig sind (Beschluss vom 19. April 2010 - BVerwG 20 F 13.09 - BVerwGE 136, 345 Rn. 4 = Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 58). Zwar hat die Klägerin einen Anspruch auf Akteneinsicht geltend gemacht. Jedoch hat der Beklagte geltend gemacht, das Niedersächsische Verfassungsschutzgesetz gewähre in § 13 nur einen Anspruch auf Auskunft über die zu der Person des Betroffenen gespeicherten Daten, aber keinen Anspruch auf Einsicht in die über ihn geführte Akte. Insoweit verhält es sich anders als bei Ansprüchen beispielsweise nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, die auf Zugang zu amtlichen Informationen gerichtet sind und auf Antrag grundsätzlich in Gestalt der Akteneinsicht zu erfüllen sind (§ 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Sätze 1 und 2 IFG). Dass der in § 13 NVerfSchG geregelte Auskunftsanspruch eine Auskunft in Form der Akteneinsicht umfasst oder dass es außerhalb dieser Bestimmung auf anderer rechtlicher Grundlage einen Anspruch auf Einsicht in die Akten der Verfassungsschutzbehörde gibt und welche Weigerungsgründe insoweit bestehen, ist ohne hierauf bezogene, jedoch fehlende Darlegungen des Verwaltungsgerichts für den Fachsenat nicht feststellbar. Mit Blick auf einen Anspruch auf Akteneinsicht ist die Entscheidungserheblichkeit der zurückgehaltenen Akten mithin nicht verlautbart.

15

b) Die Klägerin hat jedoch (auch) einen Anspruch auf weitergehende Auskunft über die Erkenntnisse geltend gemacht, die der Verfassungsschutzbehörde zu ihr vorliegen. Das Landesamt für Verfassungsschutz hat ihr weitergehende Auskünfte wegen deren Geheimhaltungsbedürftigkeit unter Hinweis auf die entsprechende Vorschrift des Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetzes (§ 13 Abs. 2 NVerfSchG) versagt. Dass die Beiziehung vorhandener Akten oder Aktenteile mit Blick auf die materiellrechtlichen Gründe für eine Verweigerung von Auskünften erforderlich ist, hat das Verwaltungsgericht zwar nicht in seinem nur formelhaften Beweisbeschluss dargelegt, wohl aber in dem (an sich entbehrlichen) Beschluss, mit dem es die Akten nach Abgabe der Sperrerklärung dem Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts vorgelegt hat. Es reicht aus, wenn das Gericht der Hauptsache noch in diesem Stadium des Verfahrens die Entscheidungserheblichkeit der zurückgehaltenen Akten verlautbart, weil der Fachsenat auch dann feststellen kann, dass es seiner Entscheidung im Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO wegen der Entscheidungserheblichkeit der zurückgehaltenen Akten bedarf.

16

2. Die Weigerung, die Akten und Aktenteile vollständig und ungeschwärzt vorzulegen, ist rechtswidrig, soweit sie Blatt 368 bis 370, Blatt 373 bis 384, Blatt 386 bis 388 und Blatt 425 der Beiakte E betrifft. Für diese Unterlagen kann der Fachsenat nicht feststellen, dass die insoweit geltend gemachten Weigerungsgründe ihre Vorlage vollständig ausschließen. Vielmehr hätte der Beklagte prüfen müssen, ob eine Schwärzung von Teilen dieser Unterlagen ausgereicht hätte, den geltend gemachten Weigerungsgründen Rechnung zu tragen. Im Übrigen ist die Weigerung, die Akten und Aktenteile vorzulegen, in dem jetzt noch streitigen Umfang rechtmäßig.

17

Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind Behörden zur Vorlage von Urkunden oder Akten und zu Auskünften an das Gericht verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten oder Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage der Urkunden oder Akten oder die Erteilung der Auskünfte verweigern (§ 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO).

18

a) Ein Nachteil für das Wohl eines Landes kann gegeben sein, wenn die Bekanntgabe des Akteninhalts die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren würde (Beschluss vom 19. April 2010 a.a.O. Rn. 14).

19

Die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden kann erschwert und damit dem Wohl eines Landes ein Nachteil bereitet werden, wenn sich aus einer vollständigen Offenlegung von Unterlagen vor allem im Rahmen einer umfangreichen Zusammenschau Rückschlüsse auf die gegenwärtige Organisation der Sicherheitsbehörden, die Art und Weise ihrer Informationsbeschaffung, aktuelle Ermittlungsmethoden oder die praktizierten Methoden ihrer Zusammenarbeit mit anderen Stellen ableiten lassen (Beschluss vom 4. März 2010 - BVerwG 20 F 3.09 - [...] Rn. 6). Zu solchen Rückschlüssen grundsätzlich geeignet sind beispielsweise Vorgangsvorblätter, Aktenzeichen, Organisationskennzeichen und Arbeitstitel, Verfügungen und namentliche Hinweise auf Bearbeiter, Aktenvermerke, Arbeitshinweise, Randbemerkungen und Querverweise sowie Hervorhebungen und Unterstreichungen (Beschluss vom 23. März 2009 - BVerwG 20 F 11.08 - [...] Rn. 9). Nachrichtendienstliche Belange in diesem Sinne können zum Schutz der nachrichtendienstlichen Arbeitsweise und Aufklärungsarbeit der Verfassungsschutzbehörde die Weigerung rechtfertigen, Akten vollständig, insbesondere ungeschwärzt vorzulegen.

20

Der Beklagte hat mit Blick auf derartige nachrichtendienstliche Belange die Vorlage der Unterlagen Bl. 382 bis 384 und Bl. 386 der Beiakte E verweigert. Gründe, die Vorlage dieser Aktenteile vollständig zu verweigern, sind nicht erkennbar. Die Unterlagen betreffen eine Anfrage des Bundesamtes für Verfassungsschutz an das Niedersächsische Landesamt für Verfassungsschutz, ob Bedenken dagegen bestehen, dass der Klägerin auf deren Auskunftsersuchen gegenüber dem Bundesamt Erkenntnisse mitgeteilt werden können, die das Bundesamt vom Landesamt erhalten hat. Dass die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder Erkenntnisse austauschen, entspricht deren Aufgabe und ist deshalb ebenso wenig geheimhaltungsbedürftig wie der Umstand, dass in Fällen von Auskunftsersuchen Betroffener bei der Stelle, die die Information ursprünglich gewonnen hat, nachgefragt wird, ob Bedenken gegen die Erteilung einer Auskunft bestehen. Im konkreten Fall hat das Landesamt gegenüber dem Bundesamt keine Bedenken gegen die Mitteilung der in Rede stehenden Erkenntnisse geäußert. Deshalb erscheint auch der Inhalt der Anfrage selbst nicht geheimhaltungsbedürftig. Möglicherweise berechtigten nachrichtendienstlichen Belangen hätte deshalb durch eine Teilschwärzung etwa von Namen der Mitarbeiter, Aktenzeichen oder Bearbeitungsvermerken Rechnung getragen werden können.

21

Im Übrigen stehen nach Prüfung durch den Fachsenat die geltend gemachten nachrichtendienstlichen Belange einer vollständigen Offenlegung entgegen, soweit der Beklagte ihre Vorlage mit dieser Begründung verweigert hat.

22

b) Nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage der Akten unter anderem verweigern, wenn die Vorgänge ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen. Personenbezogene Daten sind grundsätzlich ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig. Bei personenbezogenen Daten besteht ein privates Interesse an der Geheimhaltung, das grundrechtlich geschützt ist. Geschützt sind nicht nur personenbezogene Daten, die ohne Weiteres zur Identifikation der Person führen, sondern auch Äußerungen und Angaben zur Sache können geheimhaltungsbedürftig sein, wenn die Mitteilungen Rückschlüsse auf die Person erlauben und in Abwägung mit den Interessen des Klägers ein berechtigtes Interesse an einer Geheimhaltung besteht.

23

Das gilt grundsätzlich auch im Fall von Personen, die einer Behörde Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben geben (vgl. Beschluss vom 22. Juli 2010 - BVerwG 20 F 11.10 - BVerwGE 137, 318 Rn. 9 f. = Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 60). Neben das grundrechtlich abgesicherte Interesse des Betroffenen, seine persönlichen Daten geheim zu halten, tritt im Falle des Informantenschutzes das öffentliche Interesse, die Wahrnehmung der behördlichen Aufgaben sicherzustellen. Sind Behörden - wie dies namentlich auf die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder zutrifft - bei der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben auf Angaben Dritter angewiesen, dürfen sie zum Schutz des Informanten dessen Identität geheim halten (Urteil vom 27. Februar 2003 - BVerwG 2 C 10.02 - BVerwGE 118, 10 <14> = Buchholz 237.7 § 85 NWLBG Nr. 9). Behörden werden die Informationen, die für eine effektive Erfüllung ihrer Aufgaben unentbehrlich sind, von Dritten in der Regel nur erhalten, wenn sie dem Informanten Vertraulichkeit der personenbezogenen Daten zusichern (vgl. Beschluss vom 22. Juli 2010 a.a.O. Rn. 11). Der Bruch einer zugesagten lebenslangen Vertraulichkeit gegenüber dem Informanten wäre generell geeignet, die Aufgabenwahrnehmung der Verfassungsschutzbehörden zu beeinträchtigen, indem die künftige Anwerbung von Informanten erschwert würde. Die Vertraulichkeit und der Schutz der Informanten der Sicherheitsbehörden stellen deshalb einen berechtigten Geheimhaltungsgrund dar (Beschluss vom 19. April 2010 a.a.O. Rn. 17).

24

Der Beklagte hat mit Blick auf den Schutz von Informationsquellen die Vorlage der Unterlagen Bl. 368 bis 370, Bl. 373 bis 375, Bl. 376 bis 381 der Beiakte E verweigert. Gründe, die Vorlage dieser Aktenteile vollständig zu verweigern, sind jedoch nicht erkennbar.

25

Bei der Unterlage Bl. 368 bis 370 der Beiakte E handelt es sich um einen Vermerk, in dem aus Anlass des streitigen Auskunftsersuchens der Klägerin die Erkenntnisse zusammengestellt sind, die dem Landesamt für Verfassungsschutz über die Klägerin vorlagen. Dieser Vermerk listet Erkenntnisse auf, über die unbedenklich Auskunft erteilt werden könne, und andere, die überwiegend aus Gründen des Quellenschutzes nicht mitgeteilt werden dürften. Vor diesem Hintergrund hätte der Beklagte prüfen müssen, ob berechtigten Geheimhaltungsbelangen durch eine Teilschwärzung des Vermerks Rechnung getragen werden könnte. Dasselbe gilt für den inhaltlich identischen Vermerk Bl. 373 bis 375, auf dem sich lediglich zusätzliche Bearbeitungsvermerke befinden. Aus den gleichen Gründen ist nicht nachvollziehbar, warum die Anfrage des Bundesamtes für Verfassungsschutz beim Landesamt für Verfassungsschutz, ob gegen die Mitteilung bestimmter Erkenntnisse an die Klägerin Bedenken bestehen (Bl. 376 bis 381), vollständig aus Gründen des Quellenschutzes geheim zu halten ist.

26

Im Übrigen hat der Fachsenat sich durch Einsichtnahme in die vollständigen Akten und Aktenteile davon überzeugt, dass der Beklagte unter Hinweis auf den Schutz von Informanten nur die Vorlage solcher Aktenteile verweigert hat, aus denen sich entweder unmittelbar die Person eines Informanten ergibt oder die Rückschlüsse auf eine bestimmte Person zulassen. Soweit zweifelhaft sein könnte, ob aus einzelnen Unterlagen im Falle ihrer (vollständigen) Offenlegung Rückschlüsse auf die Informationsquelle möglich sind (Bl. 28 und 29; Bl. 391; Bl. 392), durfte ihre Vorlage jedenfalls zum Schutz der Funktionsfähigkeit der Verfassungsschutzbehörde verweigert werden, weil es sich um zusammenfassende Aktenvermerke oder Zusammenstellungen, die das seinerzeitige Erkenntnisinteresse und den Erkenntnisstand des Verfassungsschutzes wiedergeben (Bl. 28 und 29; Bl. 391), oder um Bearbeitungsvermerke handelt (Bl. 392).

27

c) Ihrem Wesen nach geheim zu halten im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind - wie schon erwähnt - die persönlichen Daten dritter Personen. Ein grundrechtlich abgesichertes Interesse betroffener Dritter an einer Geheimhaltung bestimmter persönlicher Daten ist ein tragfähiger Grund, um die Vorlage von Akten in einem gerichtlichen Verfahren nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu verweigern (Beschluss vom 9. März 2010 - BVerwG 20 F 16.09 - [...] Rn. 7).

28

Allerdings erfasst dieser Schutzzweck grundsätzlich nur die Daten als solche und nicht die gesamten Vorgänge, in denen sie erwähnt werden. Aus diesem Grund ist nicht nachvollziehbar, warum der Beklagte unter Hinweis auf den Persönlichkeitsschutz Dritter die Vorlage der Vermerke Bl. 387 und Bl. 388 Beiakte E und den Ausdruck einer E-Mail Bl. 425 Beiakte E vollständig verweigert hat, obwohl aus dem Inhalt keine Rückschlüsse auf die Person gezogen werden können, dem Persönlichkeitsschutz also mit einer Schwärzung der Namen hätte genügt werden können. Sollte insbesondere der Vermerk Bl. 387 Beiakte E aus anderen Gründen seinem Inhalt nach teilweise geheim zu halten sein, was der Beklagte bisher nicht geltend gemacht hat, käme für diese Teile ebenfalls eine bloße Schwärzung in Betracht, ohne dass dadurch ein unverständlicher Torso übrig bliebe, der ein Absehen von einer Schwärzung und damit die Verweigerung einer Vorlage insgesamt rechtfertigt.

29

Im Übrigen enthalten Unterlagen, deren Vorlage der Beklagte zum Schutz der Persönlichkeitsrechte Dritter verweigert hat, beispielsweise auch Aktenzeichen, Organisationskennzeichen und Arbeitstitel, Verfügungen oder Arbeitshinweise, die eine Verweigerung ihrer vollständigen Vorlage rechtfertigen (Bl. 145/146, Bl. 159 Beiakte E).

30

d) Eine weiter gehende Begründung dazu, warum die geltend gemachten Weigerungsgründe konkret gegeben sind, ist nach § 99 Abs. 2 Satz 10 VwGO ausgeschlossen.

31

e) Der Beklagte hat auch erkannt, dass er nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO eine auf den laufenden Rechtsstreit bezogene und auf einer Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten im Prozess beruhende Ermessensentscheidung über die Aktenvorlage zu treffen hatte. Auf die zutreffenden Ausführungen des Fachsenats des Oberverwaltungsgerichts wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

32

3. Für dieses Zwischenverfahren kommt es nicht auf den Einwand der Klägerin an, die nachrichtendienstliche Sammlung und Auswertung von Informationen im Hinblick auf Abgeordnete des Deutschen Bundestages stelle eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung eines Mitglieds eines Verfassungsorgans dar und sei rechtswidrig. Der Fachsenat hat nur darüber zu entscheiden, ob die Sperrerklärung des Beklagten gemessen an den dargestellten Maßstäben des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO rechtmäßig ist, nicht hingegen darüber, ob die Datenerhebung durch die Verfassungsschutzbehörde die fachgesetzlich und gegebenenfalls verfassungsrechtlich gezogenen Grenzen beachtet hat (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 17. September 2013 - 2 BvR 2436/10 - NVwZ 2013, 1468). Darüber hat vielmehr das Gericht der Hauptsache zu entscheiden, soweit dort die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Datenerhebung beantragt wird oder sonst nach der Rechtsauffassung des Hauptsachegerichts entscheidungserheblich sein sollte.

33

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Neumann

Brandt

Dr. Kuhlmann

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