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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 14.10.2013, Az.: BVerwG 10 B 20.13
Geltendmachung der Verletzung rechtlichen Gehörs durch die Ablehnung eines Beweisantrages
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 14.10.2013
Referenz: JurionRS 2013, 47101
Aktenzeichen: BVerwG 10 B 20.13
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

VGH Bayern - 25.02.2013 - AZ: VGH 9 B 10.30367

BVerwG, 14.10.2013 - BVerwG 10 B 20.13

Redaktioneller Leitsatz:

Auskünfte des Auswärtigen Amtes in Asylsachen stellen, auch wenn ihr Inhalt in einer gutachtlichen Äußerung besteht, zulässige selbstständige Beweismittel dar, die ohne förmliches Beweisverfahren verwertet werden können. Aus dieser Besonderheit der Beweiserhebung durch Einholung einer amtlichen Auskunft ergibt sich, dass die Beteiligten nicht nach § 98 VwGO i.V.m. § 411 Abs. 3 ZPO verlangen können, dass das Gericht das Erscheinen ihres Verfassers zwecks mündlicher Erläuterung der Auskunft anordnet.

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Oktober 2013
durch
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Maidowski
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs 25. Februar 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1

Die Beschwerde, mit der der Kläger Verfahrensmängel des Berufungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) rügt, hat keinen Erfolg.

2

Der Kläger hat in der Berufungsverhandlung die Vernehmung eines instruierten Vertreters des Auswärtigen Amtes zu der Tatsache beantragt, dass es aufgrund des gerichtlichen Schreibens vom 16. Januar 2008 weitere Ermittlungen durch den Vertrauensanwalt der (deutschen) Botschaft in der Türkei gegeben habe, dass insbesondere die Ehefrau des Dorfvorstehers F.C., der Sohn von S.B., M.B., S.B., sowie der Vater des Klägers, R.C. von dem Vertrauensanwalt angerufen worden seien. Der Verwaltungsgerichtshof hat diesen Beweisantrag als unbehelflich abgelehnt und den Beschluss weiter damit begründet, dass zum einen die unter Beweis gestellte Tatsache nicht entscheidungsrelevant sei. Ob der Vertrauensanwalt nach der ersten Auskunft des Auswärtigen Amtes (vom 4. Dezember 2007) nochmals vor Ort Recherchen angestellt habe, sei für die Erkenntnislage insoweit ohne Bedeutung, als ersichtlich keine weiterführenden Informationen hätten ermittelt werden können. Im Übrigen stehe eine derartige weitergehende Anfrage nicht im Widerspruch zum Wortlaut der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 3. April 2008. Zum anderen stellten amtliche Auskünfte des Auswärtigen Amtes in Asylsachen selbstständige Beweismittel dar, die ohne förmliches Beweisverfahren im Wege des Freibeweises verwertet werden könnten, ohne dass die Beteiligten einen Anspruch darauf hätten, dass die zugrunde liegenden Informationsquellen genannt würden oder der Verfasser der Auskunft zur mündlichen Erläuterung geladen werde.

3

Die Beschwerde macht dazu im Wesentlichen geltend, das rechtliche Gehör werde durch die Ablehnung des Beweisantrags verletzt. Die Begründung des Verwaltungsgerichtshofs finde im Prozessrecht keine Stütze, da das Berufungsgericht die Beweiswürdigung in unzulässiger Weise vorweggenommen habe. Stelle sich nämlich die Richtigkeit der unter Beweis gestellten Tatsache heraus, lägen entsprechende weitere, vom Auswärtigen Amt nicht mitgeteilte Informationen vor. Darüber hinaus ergäben sich in diesem Fall erhebliche Zweifel an der Zuverlässigkeit von dessen Auskünften. Im Übrigen seien Tatsachengerichte nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dann zur näheren Prüfung der Auskünfte des Auswärtigen Amtes verpflichtet, wenn durch bestimmte Anhaltspunkte belegte Zweifel an der Zuverlässigkeit der in der Auskunft verwerteten Informationen erkennbar seien. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keinen Verfahrensmangel des Berufungsgerichts auf.

4

Auskünfte des Auswärtigen Amtes in Asylsachen stellen, auch wenn ihr Inhalt in einer gutachtlichen Äußerung besteht, zulässige selbstständige Beweismittel dar, die ohne förmliches Beweisverfahren verwertet werden können. Dadurch soll es ermöglicht werden, das besondere Fachwissen einer Behörde in das Verfahren einzuführen, ohne dass das Gericht gezwungen wäre, den Verfasser der Auskunft oder weitere bei der Erstellung beitragende Bedienstete zu vernehmen. Aus dieser Besonderheit der Beweiserhebung durch Einholung einer amtlichen Auskunft ergibt sich, dass die Beteiligten - anders als im förmlichen Verfahren einer Beweiserhebung durch Sachverständige - nicht nach § 98 VwGO i.V.m. § 411 Abs. 3 ZPO verlangen können, dass das Gericht das Erscheinen ihres Verfassers zwecks mündlicher Erläuterung der Auskunft anordnet, weil dadurch die amtliche Auskunft ihre Eigenschaft als selbstständiges schriftliches Beweismittel verlieren und ein Wechsel vom Freibeweis in den formalisierten Sachverständigenbeweis eintreten würde. Vielmehr kann unter Heranziehung des in §§ 402, 397 und § 411 Abs. 3 ZPO enthaltenen Rechtsgedankens nur eine Verpflichtung des Gerichts in Betracht kommen, auf schriftlichem Wege erneut an das Auswärtige Amt heranzutreten, wenn eine Erläuterung des Gutachtens durch einen Verfahrensbeteiligten verlangt wird (Urteil vom 22. Januar 1985 - BVerwG 9 C 52.83 - Buchholz 310 § 87 VwGO Nr. 5 = NVwZ 1986, 35).

5

Demzufolge war das Berufungsgericht nicht verpflichtet, einen instruierten Vertreter des Auswärtigen Amtes zu laden und ihn zu der unter Beweis gestellten Tatsache einzuvernehmen. In dem hier vorliegenden Fall war es auch nicht gehalten, der Behauptung des Klägers durch eine weitere Anfrage beim Auswärtigen Amt nachzugehen. Denn das Verwaltungsgericht hatte bereits eine Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 4. Dezember 2007 u.a. zu der Frage der politischen Betätigung des Klägers, anhängigen Ermittlungsverfahren sowie Fahndungsersuchen eingeholt. Diese hatte es aufgrund von Einwänden des Klägers durch eine ergänzende Stellungnahme vom 3. April 2008 seitens des Auswärtigen Amtes erläutern lassen. Zu einer nochmaligen Nachfrage bestand mangels hinreichend substanziiert vorgetragener Eignung der nunmehr aufgestellten Behauptung zur Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts, nämlich einer Gefährdung des Klägers bei Rückkehr in die Türkei, kein Anlass. Weder bei Stellung des Beweisantrags noch mit der Beschwerde wurde ausreichend substanziiert, aus welchen Gründen die unter Beweis gestellte Tatsache, der Vertrauensanwalt der deutschen Botschaft in der Türkei habe aufgrund des gerichtlichen Schreibens vom 16. Januar 2008 weiter durch Anrufe der von der Klägerseite benannten Personen ermittelt, zur Klärung des für die Verfolgungsprognose relevanten Sachverhaltskerns bedeutsam ist. Das Vorbringen des Klägers dazu ist spekulativ. Auch die von ihm vorgelegte schriftliche Stellungnahme des Dorfvorstehers vom 7. Januar 2008 begründet keine Zweifel am Beweiswert der eingeholten Auskunft, da das Auswärtige Amt darin unter Nr. 6 nur über die mangelnde Erinnerung des Dorfvorstehers an Hausdurchsuchungen beim Kläger zu dem genannten Zeitpunkt berichtet.

6

Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

7

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

Prof. Dr. Kraft

Dr. Maidowski

Fricke

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