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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 01.07.2013, Az.: BVerwG 4 B 12.13
Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage im Zusammenhang mit der Herleitung aus einer Wohnsiedlungsgenehmigung einen Bauanspruch
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 01.07.2013
Referenz: JurionRS 2013, 39967
Aktenzeichen: BVerwG 4 B 12.13
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

OVG Berlin-Brandenburg - 14.11.2012 - AZ: OVG 2 B 5.11

BVerwG, 01.07.2013 - BVerwG 4 B 12.13

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. Juli 2013
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Dr. Decker
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. November 2012 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 55 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

2

1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Kläger beimessen.

3

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, so bereits Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>; siehe auch Beschluss vom 1. Februar 2011 - BVerwG 7 B 45.10 - [...] Rn. 15). Daran fehlt es hier.

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Die Beschwerde hält folgende Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig:

Ist bei der Beurteilung, ob aus einer Wohnsiedlungsgenehmigung ein Bauanspruch abgeleitet werden kann, auf sämtliche für das Wohnsiedlungsgesetz erhebliche siedlungspolitische oder bodenrechtliche Interessen abzustellen oder lediglich darauf, ob das Vorhaben in aufschließungsrechtlicher, also erschließungsrechtlicher Hinsicht andere Anforderungen stellt?

5

Mit dieser Fragestellung möchten die Kläger, wie sie in ihrem Schriftsatz vom 19. Mai 2013 im Hinblick auf die entsprechenden Ausführungen des Beklagten dargelegt haben, nicht geklärt wissen, "ob eine Baugenehmigung (richtig: ein Bauvorbescheid) nach Erteilung einer Wohnsiedlungsgenehmigung noch aus Gründen abgelehnt werden kann, die Gegenstand der Prüfung im Wohnsiedlungsverfahren waren", sondern vielmehr, "welche Gründe, die nicht bereits im Rahmen des Wohnsiedlungsverfahrens behandelt wurden, der Erteilung eines späteren Bauvorbescheids entgegen gehalten werden können, insbesondere, ob dies nur aufschließungsrechtliche bzw. erschließungsrechtliche Gründe sein können oder auch andere Gründe". Es kann offen bleiben, in welchem Sinne die von den Klägern gestellte Frage auszulegen ist, denn sie könnte sich sowohl in der vom Beklagten angenommenen als auch in der von den Klägern erläuterten Fassung in einem Revisionsverfahren allenfalls dann stellen, wenn das umstrittene Vorhaben mit dem Vorhaben, das den Gegenstand der Wohnsiedlungsgenehmigung bildet, identisch oder ihm gegenüber ein "Minus" ist. Das ist jedoch nicht der Fall. Nach der tatrichterlichen Würdigung, an die der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden ist, ist das den Gegenstand des Vorbescheids bildende Vorhaben der Kläger gegenüber dem Vorhaben, das im Wohnsiedlungsverfahren genehmigt worden ist, ein "aliud".

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Vor diesem Hintergrund müsste die Frage lauten, ob im Fall einer Änderung der Bauabsichten in einem Vorbescheidsverfahren gegenüber dem Verfahren auf Erteilung einer Wohnsiedlungsgenehmigung die Versagung des Bauvorbescheids nur gerechtfertigt ist, wenn das den Gegenstand des Vorbescheidsantrages bildende Vorhaben in erschließungsrechtlicher Hinsicht andere Anforderungen stellt als das ursprünglich beabsichtigte Vorhaben. Diese Frage ist zu verneinen. Einer Wohnsiedlungsgenehmigung kommt Bindungswirkung hinsichtlich solcher baurechtlicher Ansprüche zu, die Gegenstand der Prüfung im Wohnsiedlungsverfahren waren (Beschluss vom 9. November 1967 - BVerwG 4 B 113.66 - Buchholz 406.20 § 4 WSG Nr. 5). Gelockert bzw. aufgehoben wird die Bindung, wenn eine Änderung der Bauabsichten nach Art und Umfang die für das Wohnsiedlungsgesetz erheblichen siedlungspolitischen oder bodenrechtlichen Interessen wesentlich berührt (vgl. Urteil vom 4. März 1960 - BVerwG 1 C 43.59 - BVerwGE 10, 202[BVerwG 04.03.1960 - I C 43.59] <208>). Entfällt aus diesem Grund die Bindungswirkung, wie das nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hier der Fall ist (UA S. 17, 18), ist im Verfahren auf Erteilung eines Vorbescheids alles das zu prüfen, was nach dem jeweiligen Landesrecht geprüft werden muss. Das ist eindeutig und bedarf keiner Bekräftigung in einem Revisionsverfahren.

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2. Auch der geltend gemachte Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor; das Oberverwaltungsgericht hat nicht gegen § 86 Abs. 3 VwGO verstoßen.

8

Gemäß § 86 Abs. 3 VwGO hat der Vorsitzende unter anderem darauf hinzuwirken, dass sachdienliche Anträge gestellt bzw. unklare Anträge erläutert werden. Durch die in dieser Vorschrift zur Pflicht gemachten Hinweise müssen die Verwaltungsgerichte aufgrund ihres besseren Überblicks dem Kläger bei der Rechtsverfolgung behilflich sein und ihm den rechten Weg weisen, wie er im Rahmen der jeweils gegebenen Möglichkeiten das erstrebte Ziel am besten und zweckmäßigsten erreichen kann (Urteil vom 28. April 1981 - BVerwG 2 C 18.80 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 31 S. 5). Die Hinweispflicht umfasst je nach der Lage des Einzelfalles auch den Hinweis auf solche als sachdienlich angesehenen Anträge, die nur im Rahmen der Klageänderung in den anhängigen Rechtsstreit eingeführt werden können (Beschluss vom 20. Oktober 1976 - BVerwG 7 B 57.75 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 18 S. 2). Der Vorsitzende darf jedoch auf keinen Fall die Stellung eines Sachantrages, der über das von den Beteiligten angestrebte Rechtsschutzziel hinausgeht, oder einen zusätzlichen, auf ein weiteres Ziel gerichteten Sachantrag anregen, denn das Rechtsschutzziel bestimmen die dispositionsbefugten Beteiligten (Dawin, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand August 2012, § 86 Rn. 143). Die Pflicht des Vorsitzenden, auf sachdienliche Anträge hinzuwirken, erstreckt sich auch nicht auf die Anregung zur Stellung von seiner Meinung nach offensichtlich unbegründeten oder aussichtslosen Anträgen (Beschluss vom 10. März 1977 - BVerwG 6 B 38.76 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 21 S. 5 m.w.N.) sowie solchen Anträgen, die er nicht für sachdienlich halten darf, weil sie ohne weiteres als unzulässig abgewiesen werden müssten (Beschluss vom 16. Januar 1968 - BVerwG 2 B 65.67 - Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 2 S. 2). Ist der Kläger anwaltlich vertreten, so ist die Belehrungspflicht ihrem Umfang nach zwar geringer als sonst; sie ist jedoch nicht etwa von vornherein ausgeschlossen (stRspr, seit Urteil vom 10. Juni 1965 - BVerwG 2 C 195.62 -BVerwGE 21, 217[BVerwG 10.06.1965 - BVerwG II C 195.62] <218>, siehe auch Beschlüsse vom 20. Oktober 1976 a.a.O. und vom 21. März 1989 - BVerwG 2 B 27.89 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 38). Allerdings verpflichtet § 86 Abs. 3 VwGO den Vorsitzenden nicht, einen anwaltlich vertretenen Kläger in allen möglichen, denkbaren materiellen Richtungen zu beraten und ihn z.B. zur Änderung des Klagegrundes zu veranlassen (Beschluss vom 14. Februar 1984 - BVerwG 3 B 111.81 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 34). Die Unterlassung einer Anregung zur Änderung eines Klagantrages stellt einen Verfahrensmangel nur dann dar, wenn sich eine solche Anregung dem Vorsitzenden nach der eindeutigen Sach- und Rechtslage aufdrängen musste (stRspr, z.B. Urteile vom 10. Juni 1965 a.a.O. und vom 28. April 1981 a.a.O. m.w.N.; BVerfG, Beschluss vom 8. Mai 1991 - 2 BvR 170/85 - NVwZ 1992, 259 <260>).

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Unter Anwendung vorstehender Grundsätze kann ein Verstoß gegen § 86 Abs. 3 VwGO im vorliegenden Fall schon deshalb nicht festgestellt werden, weil die Kläger nicht dargetan haben, dass sich die Umstellung/Ergänzung der Berufungsanträge in Richtung auf die Erteilung eines Vorbescheids mit einem Inhalt, wie er von den Klägern in ihrem Schriftsatz zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde vom 18. Januar 2013 dargelegt wird, der Vorsitzenden des erkennenden Senats des Oberverwaltungsgerichts nach der eindeutigen Sach- und Rechtslage hätte aufdrängen müssen. Dafür ist auch nichts ersichtlich. Die Anregung, einen Vorbescheid mit dem Inhalt zu beantragen, dass die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit einer Wohnbebauung als solche oder aber lediglich festgestellt wird, dass aufgrund der Bindungswirkung der Wohnsiedlungsgenehmigung ein Bauvorbescheid nicht aus Gründen versagt werden darf, die im Rahmen der Erteilung der Wohnsiedlungsgenehmigung geprüft worden waren, wäre aus Sicht des Oberverwaltungsgerichts vielmehr erkennbar sachwidrig gewesen, weil sie unter Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung nicht zu einer Verbesserung der Rechtsposition der Kläger beigetragen hätte. Die Errichtung mehrerer Wohngebäude (hier drei Einfamilienhäuser und vier Doppelhaushälften) ist nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts unzulässig, weil die Baugrundstücke im Außenbereich liegen, die den Gegenstand des Vorbescheidsantrages bildenden Vorhaben sonstige Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB sind und ihre Ausführung zumindest öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB beeinträchtigt (UA S. 12, 13); die Feststellung, dass aufgrund der Bindungswirkung der Wohnsiedlungsgenehmigung ein Bauvorbescheid nicht aus Gründen versagt werden darf, die im Rahmen der Erteilung der Wohnsiedlungsgenehmigung geprüft worden waren, scheitert daran, dass der Wohnsiedlungsgenehmigung nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts keine Bindungswirkung zukommt (UA S. 16 ff.).

10

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Prof. Dr. Rubel

Dr. Decker

Dr. Gatz

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