Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 31.01.2013, Az.: BVerwG 8 B 64.12
Voraussetzungen für die Annahme eines offensichtlich missbräuchlichen Ablehnungsgesuchs von Richtern bei fehlender substanziierter Darlegung konkreter Anhaltspunkte für eine Besorgnis der Befangenheit
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 31.01.2013
Referenz: JurionRS 2013, 32391
Aktenzeichen: BVerwG 8 B 64.12
ECLI: [keine Angabe]

BVerwG, 31.01.2013 - BVerwG 8 B 64.12

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 31. Januar 2013
durch
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth und
Guttenberger sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper
beschlossen:

Tenor:

Die gegen die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth und Guttenberger sowie gegen die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper gerichteten Ablehnungsgesuche vom 15. Januar 2013 werden verworfen.

Die Gegenvorstellung zu dem Beschluss vom 11. Dezember 2012 wird zurückgewiesen.

Gründe

1

1. Die Ablehnungsgesuche der Beigeladenen sind offensichtlich rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig. Sie sind deswegen unter Mitwirkung der abgelehnten, nach dem Geschäftsverteilungsplan des Bundesverwaltungsgerichts aber zuständigen Richter (vgl. dazu Beschluss vom 11. Dezember 2012 - BVerwG 8 B 64.12 - Rn. 8) zu verwerfen (stRspr; vgl. Urteil vom 5. Dezember 1975 - BVerwG 6 C 129.74 - BVerwGE 50, 36 <37> = Buchholz 448.0 § 34 WehrPflG Nr. 48 S. 11).

2

Aus Gründen der Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens ist der abgelehnte Richter in den klaren Fällen eines unzulässigen oder missbräuchlich angebrachten Ablehnungsgesuchs an der weiteren Mitwirkung nicht gehindert; dadurch soll in diesen Fällen ein aufwändiges und zeitraubendes Ablehnungsverfahren verhindert werden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Juli 2007 - 1 BvR 2228/06 - NJW 2007, 3771).

3

Offensichtlich missbräuchlich ist ein Ablehnungsgesuch jedenfalls dann, wenn es nur mit solchen Umständen begründet wird, die die Besorgnis der Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtfertigen können und mit der Art und Weise seiner Anbringung ein gesetzeswidriger und damit das Instrument der Richterablehnung missbrauchender Einsatz dieses Rechts erkennbar wird (stRspr; vgl. u.a. Beschlüsse vom 13. Juni 1991 - BVerwG 5 ER 614.90 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 1 VwGO Nr. 28, vom 21. Dezember 2011 - BVerwG 4 BN 12.11 - [...] und vom 14. November 2012 - BVerwG 2 KSt 1.11 - [...]). Das ist hier der Fall.

4

Gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO setzt die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit voraus, dass ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Es genügt, wenn vom Standpunkt der Beteiligten aus gesehen hinreichende objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an seiner Unparteilichkeit zu zweifeln. Eine rein subjektive Besorgnis, für die vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht dagegen nicht aus (Urteil vom 5. Dezember 1975 a.a.O. S. 38 f. bzw. S. 13; Beschluss vom 20. Oktober 2011 - BVerwG 9 B 82.11 u.a. - [...] Rn. 3). Die bloße Vorbefassung der zur Entscheidung berufenen Richter mit der Sache vermag die Besorgnis der Befangenheit von vornherein nicht zu begründen (Beschluss vom 4. Mai 2009 - BVerwG 8 B 20.09 - [...] Rn. 11).

5

Soweit die Beigeladenen ihre nunmehr (auch) gegen die beschließenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth und Guttenberger sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper gerichteten Ablehnungsgesuche damit begründen, diese hätten im Beschluss vom 11. Dezember 2012 rechtskräftige frühere Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Gera und des Bundesverwaltungsgerichts nicht "kritisiert, korrigiert oder berichtigt", vermag dies mangels jeglicher Entscheidungserheblichkeit eine Besorgnis der Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zu begründen. Gleiches gilt im Ergebnis, soweit sie kritisieren, die Stellungnahme der Klägerinnen, in der diese die damaligen Ablehnungsgesuche für unzulässig gehalten hatten, sei ihnen nicht vor, sondern erst mit Ergehen des Beschlusses vom 11. Dezember 2012 übersandt worden. Daraus ergibt sich entgegen ihrer Auffassung insbesondere kein Verstoß gegen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör. Denn der beschließende Senat hat seinen Beschluss vom 11. Dezember 2012 nicht auf Vorbringen der Klägerinnen gestützt, das er zuungunsten der Beigeladenen verwertet hätte.

6

Die Beigeladenen leiten in ihren neuen Ablehnungsgesuchen ihre Besorgnis der Befangenheit letztlich aus einer unterschiedlichen - d.h. von der ihren abweichenden - Beurteilung der prozessualen und materiellen Rechtslage durch die abgelehnten Richter im Beschluss vom 11. Dezember 2012 her. Dies betrifft im Kern die Auslegung und Anwendung sowohl von § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO (Voraussetzungen des Vorliegens eines Ablehnungsgrundes) als auch von § 67 Abs. 4 VwGO (notwendige Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten). Dass ein abgelehnter Richter bei der rechtlichen Beurteilung eine andere Rechtsauffassung vertritt als ein Beteiligter, reicht indes regelmäßig nicht aus, um eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen; das gilt selbst für irrige Ansichten (Beschlüsse vom 29. Mai 1991 - BVerwG 4 B 71.91 - NJW 1992, 1186 <1187> und vom 20. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 5; vgl. auch Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 54 Rn. 11b m.w.N.).

7

Soweit die Beigeladenen die nunmehrigen Befangenheitsanträge gegen die zur Entscheidung berufenen Senatsmitglieder (Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth, Richter am Bundesverwaltungsgericht Guttenberger und Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper) außerdem damit begründen, der so besetzte Spruchkörper habe in seinem Beschluss vom 11. Dezember 2012 nicht gemeinsam über die vier Ablehnungsanträge gegen die abgelehnten Richter (Vizepräsident des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert; Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser, Dr. Held-Daab und Dr. Rudolph) entscheiden dürfen, kritisieren sie ebenfalls die darin vertretene Rechtsauffassung, legen jedoch weder sprachlich noch inhaltlich nachvollziehbar dar, inwiefern sich daraus vom Standpunkt der Beteiligten aus gesehen hinreichende objektive Gründe ergeben, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an der richterlichen Unparteilichkeit zu zweifeln. Abgesehen davon verkennen sie in der Sache die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach nur individuelle auf die Person des einzelnen Richters bezogene Gründe für eine Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit erheblich sein können; hingegen ist die Ablehnung eines Gerichts oder eines gesamten Spruchkörpers als solchen unzulässig (stRspr; vgl. u.a. Urteil vom 2. Juli 1976 - BVerwG 6 C 109.75 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 21 sowie Beschlüsse vom 14. August 2007 - BVerwG 8 B 18.07 - [...] Rn. 2 und vom 7. April 2011 - BVerwG 3 B 10.11 u.a. - [...] Rn. 2), soweit nicht die Befangenheit aus Anhaltspunkten in einer von der abgelehnten Richterbank getroffenen Kollegialentscheidung hergeleitet wird (vgl. dazu Beschluss vom 8. März 2006 - BVerwG 3 B 182.05 - [...] Rn. 4). Daraus folgt jedoch nicht, dass der zuständige Spruchkörper eines Gerichts nicht gemeinsam über mehrere im Verfahren vorliegende Ablehnungsgesuche entscheiden dürfte. Dafür sprechen nicht zuletzt prozessökonomische Gründe. Prozessrechtliche Vorschriften stehen dem nicht entgegen.

8

Im Übrigen wiederholen die Beigeladenen weitgehend ihr Vorbringen in früheren Verfahren und machen nochmals lediglich geltend, aus welchen Gründen nach ihrer Ansicht andere Entscheidungen hätten ergehen müssen.

9

Mangels jeglicher substanziierter Darlegung eines konkreten Anhaltspunktes für eine Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richter liegt der offensichtliche Missbrauch des Ablehnungsrechts auf der Hand. Die Prüfung des erneuten Ablehnungsantrags setzt angesichts dessen auch keine Beurteilung des eigenen Verhaltens der abgelehnten Richter voraus und ist deshalb keine Entscheidung in eigener Sache.

10

2. Auch die Gegenvorstellung gegen den Beschluss vom 11. Dezember 2012 hat keinen Erfolg. Dabei kann offenbleiben, ob sie überhaupt statthaft ist. Sie ist jedenfalls unbegründet. Die von den Beigeladenen vorgebrachten Gesichtspunkte geben keine Veranlassung, die Sach- und Rechtslage abweichend zu beurteilen. Der Senat hat den Vortrag der Beigeladenen in der Sache bereits im Beschluss vom 11. Dezember 2012 berücksichtigt und auch ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt. Wie im Beschluss vom 11. Dezember 2012 im Einzelnen dargelegt (Rn. 22), war das gegen die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph gerichtete Ablehnungsgesuch unzulässig; es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass die zum Ablehnungsgesuch eingeholte Stellungnahme der abgelehnten Richterin erst mit dem Beschluss den Beigeladenen übersandt worden ist.

Dr. Deiseroth

Guttenberger

Schipper

Hinweis: Das Dokument wurde redaktionell aufgearbeitet und unterliegt in dieser Form einem besonderen urheberrechtlichen Schutz. Eine Nutzung über die Vertragsbedingungen der Nutzungsvereinbarung hinaus - insbesondere eine gewerbliche Weiterverarbeitung außerhalb der Grenzen der Vertragsbedingungen - ist nicht gestattet.