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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 29.05.2012, Az.: BVerwG 10 B 44.11
Hinreichende Begründung der Annahme einer fortbestehenden anderweitigen Verfolgungssicherheit im Sinne von § 27 AsylVfG durch das Verwaltungsgericht; Hinreichende Darlegung eines Verfahrensmangels i.R.d. Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 29.05.2012
Referenz: JurionRS 2012, 16879
Aktenzeichen: BVerwG 10 B 44.11
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

OVG Rheinland-Pfalz - 14.10.2011 - AZ: OVG 10 A 10544/11

BVerwG, 29.05.2012 - BVerwG 10 B 44.11

Redaktioneller Leitsatz:

Für die Verfahrensrüge ist es unerheblich, ob die erkennbaren sachlichrechtlichen Erwägungen des Gerichts materiellrechtlich in vollem Umfang zutreffen.

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts

am 29. Mai 2012

durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit

und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig

und Dr. Maidowski

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 14. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1

Die Beschwerde, mit der ein Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sowie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend gemacht werden, bleibt ohne Erfolg.

2

1.

Ohne Erfolg rügt die Beklagte, das Berufungsgericht habe hinsichtlich der Frage, ob einer Asylanerkennung des Klägers eine anderweitige Sicherheit vor Verfolgung (§ 27 AsylVfG) entgegensteht, seine Begründungspflicht (§ 108 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) verletzt.

3

Nach § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind in einem Urteil die für die richterliche Überzeugung leitenden Gründe anzugeben. Das Gericht muss deutlich machen und begründen, von welchen Tatsachen es ausgeht, welchen rechtlichen Maßstab es anlegt und wie es die tatsächlichen Urteilsgrundlagen rechtlich bewertet. Dabei sind allgemeine, formelhafte Darlegungen nicht ausreichend; vielmehr muss das Urteil erkennen lassen, dass das Gericht den ermittelten Tatsachenstoff und den Vortrag der Verfahrensbeteiligten wertend gesichtet und in welchen konkreten Bezug es ihn zu den angewandten Rechtsnormen gesetzt hat. Eine alle Einzelheiten des Streitstoffs ausdrücklich erwähnende Begründung ist allerdings regelmäßig nicht erforderlich (Beschlüsse vom 2. März 2012 - BVerwG 2 B 8.11 - Rn. 18 ff., vom 23. November 2011 - BVerwG 10 B 32.11 -und vom 21. Mai 2003 - BVerwG 1 B 298.02 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 270).

4

Im vorliegenden Fall ist schon nicht zu erkennen, dass die Beschwerde ihrer Pflicht, den geltend gemachten Verfahrensmangel hinreichend darzulegen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), nachgekommen ist. Die Beklagte selbst hat weder in ihrem Bescheid vom 7. Mai 2008 noch im Laufe des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens eine anderweitige Verfolgungssicherheit des Klägers im Iran oder im Nordirak als möglich angesprochen. Zwar würde dies einen gerichtlichen Verfahrensverstoß für sich genommen nicht ausschließen (vgl. Beschluss vom 22. Juni 2011 - BVerwG 10 B 12.11 - [...]). Doch setzt sie sich auch in der Beschwerdebegründung nicht damit auseinander, dass das Berufungsgericht auf der Grundlage seiner Feststellungen zum Sachverhalt der Sache nach hinreichend erkennbar davon ausgegangen ist, dass der Kläger diese Gebiete verlassen hat, weil die PKK ihm den Schutz im Hinblick auf seine zunehmend kritische Haltung gegenüber deren militärischen Vorgehen entzogen hat. Dieser Gesichtspunkt ist indes geeignet, die Annahme einer fortbestehenden anderweitigen Verfolgungssicherheit im Sinne von § 27 AsylVfG zu widerlegen, und hätte deshalb in der Beschwerde behandelt werden müssen.

5

Hiervon abgesehen greift die Verfahrensrüge mangelnder Urteilsbegründung auch in der Sache nicht durch. Dem Berufungsurteil lässt sich noch hinreichend nachvollziehbar entnehmen, warum das Gericht davon ausgegangen ist, dass die Vermutung anderweitiger Verfolgungssicherheit als widerlegt zu gelten hat. Das Oberverwaltungsgericht hat - ausgehend von dem Obersatz, dass das Asylrecht des Klägers ausgeschlossen wäre, hätte er in einem Drittstaat Sicherheit vor politischer Verfolgung gefunden (UA S. 10) - festgestellt, dass der Kläger sich der PKK im Jahre 2002 im Iran bzw. Nordirak angeschlossen hatte, spätestens im April 2006 aber von der PKK losgesagt hat und auf der Flucht wieder in die Türkei zurückgekehrt ist (UA S. 17 ff., 34). Diese Begründung mag knapp sein, lässt aber hinreichend erkennen, auf welcher tatsächlichen und rechtlichen Grundlage das Berufungsgericht die Voraussetzungen des § 27 AsylVfG nicht für gegeben erachtet hat (zu diesem Maßstab Beschlüsse vom 21. Mai 2003 a.a.O., vom 22.Juni 2011 a.a.O. Rn. 2 und vom 30. Januar 2012 - BVerwG 10 B 41.11 - [...] Rn. 9). Für die Verfahrensrüge nicht erheblich ist, ob die erkennbaren sachlichrechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichts materiellrechtlich in vollem Umfang zutreffen.

6

2.

Auch die von der Beklagten erhobene Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) führt nicht zur Zulassung der Revision. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Frage des revisiblen Rechts aufgeworfen wird, die sich in dem angestrebten Revisionsverfahren stellen würde. Eine solche Rechtsfrage lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen.

7

Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage,

"wie sich bei bereits erlangter anderweitiger Sicherheit eine zwischenzeitliche (freiwillige) Rückkehr in das Verfolgerland auswirkt",

würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Wie oben ausgeführt, hat das Oberverwaltungsgericht - für den Senat bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO) -festgestellt, dass der Kläger den Iran bzw. den Nordirak verlassen hat, weil er sich mehr und mehr von der PKK abgewandt und sich damit aus Sicht dieser Organisation nicht "bewährt" hatte (UA S. 23). Seine Rückkehr in die Türkei ist vom Berufungsgericht deshalb der Sache nach nicht als freiwillige Aufgabe anderweitiger Verfolgungssicherheit eingestuft worden, so dass die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren als unerheblich anzusehen wäre.

8

3.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

9

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Satz 1 RVG.

Prof. Dr. Berlit
Prof. Dr. Dörig
Dr. Maidowski

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