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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 25.10.2011, Az.: BVerwG 7 B 56.11
Voraussetzungen für ein Entfallen der Abwasserabgabe bei einer Verrechnung mit Aufwendungen für die Abwasserbehandlungsanlage der Verwaltungsgemeinschaft Schnaudertal; Anforderungen an eine gerichtliche Verletzung des Gebots auf rechtliches Gehör
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 25.10.2011
Referenz: JurionRS 2011, 27990
Aktenzeichen: BVerwG 7 B 56.11
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

VG Halle - 22.10.2009 - AZ: 4 A 87/09

OVG Sachsen-Anhalt - 07.06.2011 - AZ: 4 L 295/09

BVerwG, 25.10.2011 - BVerwG 7 B 56.11

Redaktioneller Leitsatz:

Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gebietet, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten in Erwägung zieht. Das Gericht ist gehalten, in den Entscheidungsgründen in angemessener Weise zum Ausdruck zu bringen, weshalb es von einer Auseinandersetzung mit dem Parteivorbringen abgesehen hat. Daraus folgt nicht die Verpflichtung, sich mit jedem Argument in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen auch in seine Erwägungen einbezogen hat, so dass nur bei Vorliegen deutlich gegenteiliger Anhaltspunkte ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör angenommen werden kann.

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. Oktober 2011
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Krauß und Brandt
beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Klägerin zu 2 wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 7. Juni 2011 insoweit aufgehoben, als es die Klage der Klägerin zu 2 abweist.

Die Sache wird insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 70 412,29 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Die Klägerin zu 2 wendet sich als Rechtsnachfolgerin der ehemaligen Gemeinde K. gegen die Heranziehung zu einer Abwasserabgabe. Die Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht teilweise Erfolg. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage der Klägerin zu 2 insoweit abgewiesen, als die ehemalige Gemeinde K. zur Zahlung einer Abwasserabgabe in Höhe von insgesamt 70 412,29 € herangezogen worden ist. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen.

2

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin zu 2.

II

3

Die Beschwerde der Klägerin zu 2 ist begründet. Es liegt ein sinngemäß geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat den Anspruch der Klägerin zu 2 auf rechtliches Gehör verletzt.

4

Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) gebietet, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten in Erwägung zieht (BVerfG, Beschluss vom 21. Oktober 1981 - 1 BvR 1024/79 - BVerfGE 58, 353 <356> m.w.N.). Das Gericht ist gehalten, in den Entscheidungsgründen in angemessener Weise zum Ausdruck zu bringen, weshalb es von einer Auseinandersetzung mit dem Parteivorbringen abgesehen hat. Daraus folgt zwar nicht die Verpflichtung, sich mit jedem Argument in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Grundsätzlich ist nämlich davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen auch in seine Erwägungen einbezogen hat, so dass nur bei Vorliegen deutlich gegenteiliger Anhaltspunkte ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör angenommen werden kann (vgl. u.a. Beschluss vom 27. Oktober 1998 - BVerwG 8 B 132.98 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 162 m.w.N.). Doch Letzteres ist vorliegend der Fall.

5

Die Klägerin zu 2 hat zur Begründung ihrer Klage auch vorgetragen, die beanspruchte Abgabe sei entfallen, da mit Aufwendungen für die Abwasserbehandlungsanlage der Verwaltungsgemeinschaft Schnaudertal die Verrechnung gemäß § 10 Abs. 3 bis 5 AbwAG erklärt worden sei. Hierauf wird im Tatbestand des angefochtenen Urteils ausdrücklich hingewiesen (vgl. UA S. 4). Mit der Frage, ob der angefochtene Abwasserabgabenbescheid wegen Verrechnung mit Investitionen rechtswidrig ist, befassen sich die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils aber mit keinem Wort.

6

Die Verrechnungserklärung ist für die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts auch nicht ersichtlich unerheblich. Zwar hat das Verwaltungsgericht diese Auffassung unter Hinweis auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. April 2005 - BVerwG 9 C 4.04 - (BVerwGE 123, 292 = Buchholz 401.64 § 10 AbwAG Nr. 9) vertreten; es ist jedoch zumindest zweifelhaft, ob dem gefolgt werden kann. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht auf eine Vielzahl offener, nicht abschließend geklärter Fragen hingewiesen (UA S. 18).

7

Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung macht der Senat von der Möglichkeit der Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Oberverwaltungsgericht Gebrauch (§ 133 Abs. 6 VwGO).

8

Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.

Sailer
Krauß
Brandt

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