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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 08.06.2010, Az.: BVerwG 8 B 127.09
Rechtsschutzmöglichkeit eines Rechtsanwalts gegen eine ihn nicht berücksichtigende gerichtliche Entscheidung über die Bestellung zum Insolvenzverwalter; Ermessensermächtigung zur Bestellung eines Sachverständigen für die technische Prüfung von Röntgeneinrichtungen; Verbot der Bedürfnisprüfung für die Bestellung von Sachverständigen; Voraussetzungen der Aufnahme in den Kreis der für eine künftige Auswahlentscheidung in Frage kommenden Bewerber
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 08.06.2010
Referenz: JurionRS 2010, 17910
Aktenzeichen: BVerwG 8 B 127.09
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

OVG Rheinland-Pfalz - 09.09.2009 - AZ: 6 A 11097/08.OVG

BVerwG, 08.06.2010 - BVerwG 8 B 127.09

Redaktioneller Leitsatz:

Die Ermessensermächtigung zur Bestellung eines Sachverständigen für die technische Prüfung von Röntgeneinrichtungen nach § 4a RöV vermittlt auch unter Berücksichtigung der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG nicht jedem ausreichend qualifizierten Bewerber einen Anspruch auf Bestellung, sondern lässt es zu, die Bestellung von einer Bedürfnisprüfung abhängig zu machen.

In der Verwaltungsstreitsache
...
hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. Juni 2010
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem aufgrund mündlicher Verhandlung vom 9. September 2009 ergangenen Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 EUR festgesetzt.

Gründe

1

Die auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

Die Divergenzrüge ergibt eine die Revision eröffnende Abweichung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht; denn eine solche wird nicht hinreichend bezeichnet (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten ebensolchen deren Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (Beschluss vom 21. Juni 1995 - BVerwG 8 B 61.95 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 18). Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht oder das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge nicht (Beschluss vom 17. Januar 1995 - BVerwG 6 B 39.94 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 342).

3

Hinsichtlich des geltend gemachten Zulassungsgrundes wird die Beschwerde den dargelegten Anforderungen nicht gerecht. Ohne einen Rechtssatzwiderspruch herauszuarbeiten, rügt sie pauschal, dass sich das Oberverwaltungsgericht an die zitierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts nicht gehalten habe und gibt ihre Rechtsmeinung wieder, dass § 4a RöV keine hinreichende gesetzliche Grundlage darstelle, um die Bestellung von Sachverständigen zu reglementieren. Die auszugsweise Wiedergabe von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zu Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG ohne Herstellung eines hinreichenden Bezugs zur angefochtenen Entscheidung zeigt keine Divergenz im dargelegten Sinne auf. Genauso wenig reicht es aus, auf die vom Verwaltungsgericht in seinem Urteil (S. 11 ff.) zitierte Rechtsprechung zu verweisen, um eine Divergenz plausibel zu machen. Die Beschwerde verkennt, dass es nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts ist, anhand von Zitaten einen eventuellen Rechtssatzwiderspruch aufzudecken.

4

Dessen ungeachtet ist das Oberverwaltungsgericht mit seiner Entscheidung nicht von den zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen. Die von der Klägerin zitierten angeblichen Divergenzentscheidungen stellen keinen Rechtssatz auf, der im Widerspruch zu tragenden abstrakten Rechtssätzen des Berufungsurteils stünde. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts beruht auf der Annahme, die Ermessensermächtigung zur Bestellung eines Sachverständigen für die technische Prüfung von Röntgeneinrichtungen nach § 4a RöV vermittle auch unter Berücksichtigung der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG nicht jedem ausreichend qualifizierten Bewerber einen Anspruch auf Bestellung, sondern lasse es zu, die Bestellung von einer Bedürfnisprüfung abhängig zu machen. Dies widerspricht nicht den tragenden Rechtssätzen der von der Klägerin zitierten bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidungen zu geschlossenen Bewerberlisten für die Bestellung zum Insolvenzverwalter (BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2006 - 1 BvR 2530/04 - BVerfGE 116, 1) und zur angemessenen Berücksichtigung von Qualifikationsmerkmalen bei der Bestellung neben- oder hauptamtlicher Notare (BVerfG, Beschluss vom 20. April 2004 - 1 BvR 838/01 u.a. - BVerfGE 110, 304 und Kammerbeschluss vom 28. April 2005 - 1 BvR 2231/02 u.a. - NJW-RR 2005, 998 ).

5

In der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Mai 2006 a.a.O. ging es um die Rechtsschutzmöglichkeit eines Rechtsanwalts gegen eine ihn nicht berücksichtigende gerichtliche Entscheidung über die Bestellung zum Insolvenzverwalter. In diesem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller Bewerber und die Bestellung zum Insolvenzverwalter im konkreten Fall eine der Sicherung des chancengleichen Zugangs zum Auswahlverfahren angemessene Verfahrensgestaltung fordert. Soweit Auswahllisten geführt werden, bleibe den Fachgerichten deren Gestaltung überlassen. Zu beachten sei jedoch, dass das Modell einer "geschlossenen Liste", nach dem die Zahl der aufgenommenen Bewerber begrenzt ist und nur bei Ausscheiden einer bereits geführten Person ein neuer Bewerber in den Kreis möglicher Insolvenzverwalter aufgenommen wird, der Chancengleichheit der Bewerber nicht hinreichend Rechnung trägt. Eine Liste sei daher so zu führen, dass in sie jeder Bewerber aufgenommen wird, der die grundsätzlich zu stellenden Anforderungen an eine generelle, von der Typizität des einzelnen Insolvenzverfahrens gelöste Eignung für das Amt des Insolvenzverwalters erfüllt.

6

Entgegen der Auffassung der Klägerin können die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts, dass das Modell einer "geschlossenen Liste" der Chancengleichheit der Bewerber nicht hinreichend Rechnung trägt (Beschluss vom 23. Mai 2006 a.a.O. S. 17), nicht auf die "Liste" der bereits bestellten Sachverständigen, sondern nur auf das Auswahlverfahren unter den Bewerbern übertragen werden, das durchzuführen wäre, sofern ein Bedürfnis für die Bestellung von Sachverständigen besteht. Insoweit hat das Oberverwaltungsgericht, das diesen Unterschied als maßgeblich angesehen hat, keinen abweichenden Rechtssatz zu der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aufgestellt. Es hat zu Recht die Auffassung vertreten, dass sich aus dieser Entscheidung kein Verbot der Bedürfnisprüfung für die Bestellung von Sachverständigen, die der entscheidende Grund für die Ablehnung der Klägerin war, herleiten lasse. Ebenso wenig ist dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zu entnehmen, dass schon die ausreichende Qualifikation einen Anspruch auf Auswahl und Bestellung vermittle. Das Bundesverfassungsgericht hat sich (allein) mit der Frage befasst, von welchen Voraussetzungen die Aufnahme in den Kreis der für eine künftige Auswahlentscheidung in Frage kommenden Bewerber abhängig gemacht werden darf (Beschluss vom 23. Mai 2006 a.a.O. S. 16).

7

Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20. April 2004 a.a.O. hat die Auswahl unter mehreren Bewerbern beim Zugang zum Beruf des Notars (im Nebenamt) zum Gegenstand. Beanstandet wurde die Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften, weil sie eine konkrete und einzelfallbezogene Bewertung der fachlichen Leistungen des Bewerbers vermissen ließen. Die Klägerin führt als Rechtssätze aus dieser Entscheidung die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zum Grundrecht Art. 12 Abs. 1 GG auf freie Berufswahl, insbesondere zum Recht, mehrere Berufe zu wählen und gleichzeitig nebeneinander auszuüben, an und hebt hervor, dass an die Bestimmtheit und Erkennbarkeit der gesetzlichen Einschränkungen der Freiheit der Berufswahl strengere Anforderungen zu stellen sind als an Regelungen, die nur die Freiheit der Berufsausübung betreffen. Einen Widerspruch zu diesen Rechtssätzen sieht die Klägerin darin, dass es in der Röntgenverordnung an jeglichen gesetzlichen Regelungen für die Auswahl unter geeigneten Bewerbern fehle und eine Bedürfnisprüfung mit der sich aus Art. 3 und 12 GG ergebenden Verpflichtung der Beklagten nicht vereinbar sei, jeden, der geeignet ist, zum Sachverständigen zu bestellen (Beschwerdebegründung, S. 6). Eine Divergenz zu den Rechtssätzen des Bundesverfassungsgerichts scheidet aus, weil hier, wie dargelegt, die Bestimmung der Klägerin zur Sachverständigen nicht im Rahmen einer Auswahlentscheidung unter mehreren Bewerbern, sondern allein deshalb abgelehnt worden ist, weil kein Bedarf für die Bestellung eines weiteren Sachverständigen bestehe. Ob die Voraussetzungen für eine sachgerechte Auswahl unter Bewerbern gegeben waren, war mithin nicht entscheidungserheblich. Mit der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer Bedürfnisprüfung hat sich das Bundesverfassungsgericht nicht befasst.

8

Dies gilt in gleicher Weise auch für den Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 28. April 2005 a.a.O., der sich mit der sogenannten "Landeskinderklausel" in § 7 Abs. 1 Bundesnotarordnung bei der Berufung von Bewerbern zu hauptberuflichen Notaren befasst. Auch insoweit lässt sich keine Divergenz feststellen. Das Bundesverfassungsgericht hat einen verfassungswidrigen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG durch die angegriffene Vorschrift verneint, weil die "Landeskinderklausel" dem öffentlichen Interesse an einer geordneten Rechtspflege dient. Einschränkend hat es hinzugefügt, dass die Gewährleistung der Berufsfreiheit der Notare in Art. 12 Abs. 1 GG eine schematische Berufung auf den Regelvorrang für "Landeskinder" bei der Entscheidung für einen Bewerber nicht zulasse. Der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts ist nicht einmal ansatzweise eine schematische Betrachtungsweise zu entnehmen.

9

Der Beschwerde ist schließlich keine Divergenz zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Mai 2004 - BVerwG 3 C 45.03 - (BVerwGE 121, 23 = Buchholz 451.55 Subventionsrecht Nr. 106) zu entnehmen. Diese Entscheidung geht davon aus, dass eine Regelung zur Beschränkung der Förderung (ambulanter Pflegedienste) auf einen von mehreren Konkurrenten eine berufsregelnde Tendenz hat und, wenn sie ihre Intensität nach einer objektiven Berufszulassungsschranke gleichkommt, nur durch überragend gewichtige Gemeinschaftsgüter gerechtfertigt werden kann, und andernfalls zumindest eine Rechtfertigung durch Gründe von erheblichem Gewicht verlangt (Urteil vom 13. Mai 2004 a.a.O. S. 28). Dem widersprechen die das Berufungsurteil tragenden rechtsgrundsätzlichen Erwägungen nicht. Mit der Anknüpfung an das einschlägige Urteil vom 21. Februar 1989 - BVerwG 1 C 73.86 - (Buchholz 451.26 Sachverständige Nr. 8 S. 4 ff.) gibt das Oberverwaltungsgericht vielmehr zu erkennen, dass es die Ermessensermächtigung zur Bedürfnisprüfung bei der Bestellung zum Sachverständigen für die technische Prüfung von Röntgeneinrichtungen, die es aus § 4a der RöV ableitet, nicht als objektive Schranke der Zulassung zu einem selbstständigen Beruf versteht, sondern als bloße auf die "Erweiterung der Berufstätigkeit" bezogene Beschränkung der Berufsausübung. Damit widerspricht es nicht den in der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an die Rechtfertigung objektiver Berufszulassungsschranken, sondern hält diese aufgrund einer Subsumtion der einfach-gesetzlichen Ermächtigung unter den Begriff der objektiven Berufszulassungsschranke für nicht einschlägig. Ob eine Einordnung zutrifft, ist keine Frage rechtsgrundsätzlich abweichender Definition der objektiven Berufszulassungsschranke oder ihrer verfassungsmäßigen Rechtfertigung, sondern eine Frage zutreffender Anwendung dieser Grundsätze im Einzelfall, die nicht Gegenstand der Divergenzrüge sein kann.

10

Es kann offenbleiben, ob mit der Beschwerde trotz der Beschränkung der Ausführungen auf die Divergenzrüge - sinngemäß - auch eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) begehrt wird. Denn dieser Zulassungsgrund setzt jedenfalls die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus. Daran fehlt es hier, weil sich die Ausführungen der Klägerin im Wesentlichen mit dem Auswahlverfahren und dazu ergangenen Entscheidungen befassen, ohne eine für klärungsbedürftig gehaltene entscheidungserhebliche konkrete Rechtsfrage zu bezeichnen; auf das Auswahlverfahren kam es im vorliegenden Verfahren nicht an, weil die Bestimmung der Klägerin zur Sachverständigen bereits wegen fehlenden Bedarfs abgelehnt wurde. Zur Bezeichnung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) hätte es darüber hinaus der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage bedurft (Beschlüsse vom 15. September 1981 - BVerwG 8 B 210.81 - Buchholz 401.5 GewStG Nr. 2 und vom 11. August 2006 - BVerwG 1 B 105.06 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 84). Auch hieran fehlt es. Insbesondere setzt sich die Klägerin nicht mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage der Klärungsbedürftigkeit z.B. der in Betracht kommenden Frage der Vereinbarkeit einer Bedürfnisprüfung mit dem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG auseinander. Hierzu hätte insbesondere deshalb Anlass bestanden, weil das Urteil der Vorinstanz sich zur Zulässigkeit einer solchen Bedürfnisprüfung ausdrücklich auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Februar 1989 a.a.O. bezogen hat.

11

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Gödel
Dr. Deiseroth
Dr. Hauser

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