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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 19.08.2009, Az.: BVerwG 6 PB 20.09
Gebrauchmachen der Dienststelle von ihrem Letztentscheidungsrech in Personalangelegenheiten der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der Sachentscheidungsfrist durch die Einigungsstelle
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 19.08.2009
Referenz: JurionRS 2009, 21141
Aktenzeichen: BVerwG 6 PB 20.09
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

VG Dessau - 22.02.2007 - AZ: VG 11 A 1/07 DE

OVG Sachsen-Anhalt - 15.04.2009 - AZ: 5 L 5/07

Fundstellen:

DÖV 2010, 447

LKV 2009, 566

NZA-RR 2009, 680

PersV 2009, 459-460

VR 2010, 34

ZfPR 2010, 40 (amtl. Leitsatz)

ZfPR online 2010, 2-3 (Volltext mit amtl. LS)

BVerwG, 19.08.2009 - BVerwG 6 PB 20.09

Amtlicher Leitsatz:

Die zuständige Dienststelle darf in Personalangelegenheiten der Arbeitnehmer von ihrem Letztentscheidungsrecht Gebrauch machen und die beabsichtigte Maßnahme durchführen, wenn die Einigungsstelle die für ihre Sachentscheidung vorgesehene Frist nach § 64 Abs. 2 Satz 2 SAPersVG hat verstreichen lassen.

In der Personalvertretungssache
...
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. August 2009
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bardenhewer und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge und Vormeier
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde im Beschluss des Fachsenats für Landespersonalvertretungssachen des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 15. April 2009 wird zurückgewiesen.

Gründe

1

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 78 Abs. 2 SAPersVG i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg. Die allein erhobene Grundsatzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG greift nicht durch.

2

Der Antragsteller will sinngemäß geklärt wissen, ob die Dienststelle eine Einstellung vornehmen darf, nachdem der Personalrat seine gemäß §§ 61, 67 Abs. 1 Nr. 1 SAPersVG erforderliche Zustimmung verweigert und die angerufene Einigungsstelle sich nach Verstreichen der in § 64 Abs. 2 Satz 2 SAPersVG vorgesehenen Frist an einer Sachentscheidung gehindert gesehen hat. Die Frage ist mit dem Oberverwaltungsgericht eindeutig zu bejahen, so dass es der Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens nicht bedarf.

3

Nach § 64 Abs. 2 Satz 2 SAPersVG muss der Beschluss der Einigungsstelle, durch welchen sie über eine ihr unterbreitete mitbestimmungspflichtige Angelegenheit entscheidet, innerhalb von vier Wochen nach Bestellung ihres Vorsitzenden ergehen. Nach Ablauf der Frist kann die Einigungsstelle keinen wirksamen Beschluss mehr fassen (vgl. BAG, Urteil vom 3. Juli 1996 - 2 AZR 813/95 - BAGE 83, 266 <273 f.> ; Vogelgesang, in: Bieler/Vogelgesang/ Plaßmann/Kleffner, Landespersonalvertretungsgesetz Sachsen-Anhalt, § 64 Rn. 23). Ein solcher Fall liegt hier nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts vor; darüber streiten die Beteiligten nicht.

4

Welche Folge die Beendigung des Einigungsstellenverfahrens, die durch das Verstreichen der Frist nach § 64 Abs. 2 Satz 2 SAPersVG herbeigeführt wird, für das Mitbestimmungsverfahren insgesamt und die Durchführung der von der Dienststelle beabsichtigten Maßnahme hat, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Rechtssystematisch aufschlussreich sind jedoch diejenigen gesetzlichen Bestimmungen, welche die Verantwortung der Einigungsstelle im Mitbestimmungsverfahren beschreiben. Dabei sind zwei Fallgestaltungen zu unterscheiden:

5

Nach § 62 Abs. 5 Satz 2 SAPersVG tritt in den dort genannten beteiligungspflichtigen Angelegenheiten die Entscheidung der Einigungsstelle an die Stelle der Entschließung der Personalvertretung und bindet die beteiligten Behörden. Es handelt sich um die Fälle der uneingeschränkten Mitbestimmung, in welchen die Entscheidung der Einigungsstelle verbindlich ist. Es liegt auf der Hand, dass weder das bloße Verstreichen der Frist nach § 64 Abs. 2 Satz 2 SAPersVG noch ein dahingehender deklaratorischer Beschluss der Einigungsstelle die nach dem Gesetz erforderliche Zustimmung zu der betreffenden Maßnahme zu ersetzen vermag. Dies gilt in beiden Richtungen: Weder wird die nach § 61 Abs. 1 SAPersVG erforderliche Zustimmung des Personalrats ersetzt noch diejenige der Dienststelle zu einem Initiativantrag des Personalrats nach § 61 Abs. 4 SAPersVG.

6

Grundlegend anders ist die Rechtslage in denjenigen beteiligungspflichtigen Angelegenheiten, welche in § 62 Abs. 7 Satz 1 SAPersVG genannt sind und zu denen insbesondere personelle Einzelmaßnahmen gegenüber Arbeitnehmern nach § 67 SAPersVG zählen. Dabei handelt es sich um die Fälle der eingeschränkten Mitbestimmung, in denen die Einigungsstelle lediglich eine Empfehlung abgibt und die oberste Dienstbehörde endgültig entscheidet. Hier drängt sich bereits rechtssystematisch der Schluss auf, dass die Beendigung des Einigungsstellenverfahrens durch Verstreichen der Frist nach § 64 Abs. 2 Satz 2 SAPersVG die Letztentscheidung der obersten Dienstbehörde ebenso wenig zu hindern vermag wie die empfehlende Sachentscheidung der Einigungsstelle nach § 62 Abs. 7 Satz 1 Halbs. 1 SAPersVG. Dies hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend erkannt.

7

Diese Erwägung wird durch Sinn und Zweck der Regelung in § 64 Abs. 2 Satz 2 SAPersVG bestätigt. Dieser geht dahin, das Verfahren vor der Einigungsstelle und damit den Abschluss des Mitbestimmungsverfahrens insgesamt zu beschleunigen. Dieser Gedanke erhält in Personalangelegenheiten, die aus Gründen des demokratischen Prinzips der Letztentscheidung der obersten Dienstbehörde nicht entzogen werden dürfen, ein zusätzliches, verfassungsrechtlich relevantes Gewicht. Dem demokratischen Gebot ist nämlich nicht schon dann Genüge getan, wenn der obersten Dienstbehörde die Kompetenz zur Letztentscheidung formal zugewiesen ist. Hinzu kommen muss vielmehr, dass sie auch verfahrensrechtlich in die Lage versetzt ist, von dieser Kompetenz sach- und zeitgerecht Gebrauch zu machen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 1995 - 2 BvF 1/92 - BVerfGE 93, 37 <74> ). Diesem Gedanken trägt das in § 64 Abs. 2 Satz 2 SAPersVG zum Ausdruck kommende Beschleunigungsgebot Rechnung, indem es der obersten Dienstbehörde ermöglicht, in mitbestimmungspflichtigen Personalangelegenheiten innerhalb angemessener Zeit nach Anrufung der Einigungsstelle ihre Vorstellung umzusetzen. Dieser Sinn der Regelung würde geradezu in sein Gegenteil verkehrt, wenn die Dienststelle nach Fristablauf zur Untätigkeit verurteilt wäre oder beim Mitbestimmungsverfahren einen neuen Anlauf nehmen müsste. Eine dahingehende Auslegung der Vorschrift hätte zur Folge, dass die Dienststellenseite an der zeitgerechten Wahrnehmung ihrer personalpolitischen Aufgaben eher in stärkerem Maße gehindert würde, als dies im Anwendungsbereich personalvertretungsrechtlicher Regelwerke der Fall ist, welche für die Entscheidung der Einigungsstelle auf die Einhaltung von Fristen verzichten.

8

Die in der Beschwerdebegründung geäußerte Sorge des Antragstellers, bei der vom Oberverwaltungsgericht befürworteten Auslegung werde die Beteiligung des Personalrats in den Fällen der eingeschränkten Mitbestimmung ausgehöhlt, teilt der Senat nicht. Vielmehr setzt die Ausübung des Letztentscheidungsrechts durch die oberste Dienstbehörde die ordnungsgemäße Durchführung des Mitbestimmungsverfahrens voraus. Die Personalvertretungen können daher auch in den Fällen eingeschränkter Mitbestimmung verlangen, dass sie vollständig unterrichtet und die gesetzlich vorgesehenen Stationen des Mitbestimmungsverfahrens durchlaufen werden (vgl. Beschluss vom 10. Februar 2009 - BVerwG 6 PB 25.08 - [...]). In diesen Fällen besteht jedoch die Besonderheit, dass die im Verantwortungsbereich der weisungsunabhängigen Einigungsstelle liegende Nichteinhaltung der Frist des § 64 Abs. 2 Satz 2 SAPersVG die endgültige Entscheidung der obersten Dienstbehörde und deren anschließende Durchführung aus den genannten Gründen nicht zu hindern vermag.

9

Die in der Beschwerdebegründung zitierten Senatsentscheidungen stehen nicht entgegen. Sie bestätigen zwar, dass Rechtsverstöße im Personalvertretungsrecht nicht ohne Folgen zu bleiben pflegen (zur Befugnis zur Einleitung von Mitbestimmungsverfahren: Beschluss vom 10. März 1987 - BVerwG 6 P 17.85 - BVerwGE 77, 91 <93 f.> = Buchholz 250 § 71 BPersVG Nr. 4 S. 2 f.; zum Unterschriftserfordernis bei Einigungsstellenbeschlüssen: Beschluss vom 20. Dezember 1988 - BVerwG 6 P 34.85 - Buchholz 251.7 § 67 NWPersVG Nr. 1). Welcher Art die Fehlerfolgen sind, kann jedoch nicht allgemein, sondern nur im jeweiligen Sachzusammenhang bestimmt werden.

Dr. Bardenhewer
Büge
Vormeier

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