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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 13.07.2009, Az.: BVerwG 4 B 44.09
Ambulanter Pflegedienst als eine Anlage für soziale Zwecke i.S.d. § 3 Abs. 2 Nr. 2 Baunutzungsverordnung (BauNVO); Planungsrechtliche Zulässigkeit eines ambulanten Pflegedienstes in einem reinen Wohngebiet
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 13.07.2009
Referenz: JurionRS 2009, 18201
Aktenzeichen: BVerwG 4 B 44.09
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

OVG Schleswig-Holstein - 29.04.2009 - AZ: OVG 1 LB 5/08

Fundstellen:

BauR 2009, 1556

BRS-ID 2009, 4-5

NJW-Spezial 2009, 573

ZfBR 2009, 691-692

BVerwG, 13.07.2009 - BVerwG 4 B 44.09

Redaktioneller Leitsatz:

  1. 1.

    Ist eine Entscheidung auf mehrere, jeweils für sich selbstständig tragfähige Gründe gestützt worden, kann eine Beschwerde nach § 132 Abs. 2 VwGO nur Erfolg haben, wenn der Zulassungsgrund bei jedem der Urteilsgründe zulässig vorgetragen und gegeben ist.

  2. 2.

    Gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO können in einem reinen Wohngebiet Anlagen für soziale Zweck sowie den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienende Anlagen für kirchliche, kulturelle, gesundheitliche und sportliche Zwecke ausnahmsweise zugelassen werden. Anlagen für soziale Zwecke dienen in einem weiten Sinn der sozialen Fürsorge und der öffentlichen Wohlfahrt; es handelt sich um Nutzungen, die auf Hilfe, Unterstützung, Betreuung und ähnliche fürsorgerische Maßnahmen ausgerichtet sind; als typische Beispiele werden Einrichtungen für Kinder und Jugendliche, alte Menschen sowie andere Personengruppen angesehen, die (bzw. deren Eltern) ein besonders soziales Angebot annehmen wollen.

  3. 3.

    Gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO müssen nur Anlagen für kirchliche, kulturelle, gesundheitliche und sportliche Zwecke den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienen; für Anlagen für soziale Zwecke gilt dies nicht.

  4. 4.

    Die Räumlichkeiten eines ambulanten Pflegedienstes sind, jedenfalls wenn die Pflegeleistungen nicht lediglich außer Haus, sondern auch in der Station erbracht werden, auch keine Anlage für Verwaltungszwecke, die in einem reinen Wohngebiet nicht zulässig wäre.

In der Verwaltungsstreitsache
...
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. Juli 2009
durch
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz, Dr. Jannasch und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 29. April 2009 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 EUR festgesetzt.

Gründe

1

Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.

2

Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage, die darauf gerichtet ist, die der Beigeladenen erteilte Genehmigung zur Nutzungsänderung ihres Gebäudes (Erdgeschoss) für einen ambulanten Pflegedienst aufzuheben, mit doppelter Begründung abgewiesen: Der Beklagte habe den ambulanten Pflegedienst in dem Baugebiet, das einem reinen Wohngebiet im Sinne des § 3 BauNVO entspreche, als Anlage für soziale Zwecke zu Recht zugelassen. Unabhängig davon seien die für den Pflegedienst erforderlichen Räume auch gemäß § 13 BauNVO zulässig. Ist eine Entscheidung - wie hier - auf mehrere, jeweils für sich selbständig tragfähige Gründe gestützt worden, kann eine Beschwerde nach § 132 Abs. 2 VwGO nur Erfolg haben, wenn der Zulassungsgrund bei jedem der Urteilsgründe zulässig vorgetragen und gegeben ist (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328). Die Beschwerde macht in Bezug auf beide Begründungen einen Zulassungsgrund geltend. Die gegen die erste Begründung gerichtete Rüge greift nicht durch. Schon aus diesem Grund muss der Beschwerde der Erfolg versagt bleiben.

3

Die Beschwerde hält für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig,

ob ein ambulanter Pflegedienst eine Anlage für soziale Zwecke im Sinne des § 3 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO und damit planungsrechtlich in einem reinen Wohngebiet zulässig ist.

4

In dieser Allgemeinheit würde sich die Frage in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Denn nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts betreibt die Beigeladene auf dem Grundstück nicht nur ein Büro, von dem aus die Pflegekräfte "außer Haus" Pflegeleistungen erbringen; sie verfüge auf dem Grundstück auch über Ruhe- und Therapieräume, in denen ebenfalls Pflegeleistungen erbracht werden könnten. Die Fachkräfte der Beigeladenen hätten die Betroffenen zudem in ihren persönlichen und sozialen Angelegenheiten zu betreuen und zu beraten. Die Einrichtung diene als "Basisstation" für die Fachkräfte und als Anlaufstelle für betroffene Personen und Angehörige (UA S. 11). Eine Tagespflege sei der Beigeladenen bestandskräftig genehmigt (UA S. 8). Entscheidungserheblich wäre mithin nur, ob die Station eines ambulanten Pflegedienstes, die über Ruhe- und Therapieräume verfügt und die auch als Anlaufstelle für Betroffene und Angehörige dient, als Anlage für soziale Zwecke im Sinne des § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zu qualifizieren ist. Dass diese Frage mit dem Oberverwaltungsgericht zu bejahen ist, bedarf nicht der Bestätigung in einem Revisionsverfahren.

5

Gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO können in einem reinen Wohngebiet Anlagen für soziale Zweck sowie den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienende Anlagen für kirchliche, kulturelle, gesundheitliche und sportliche Zwecke ausnahmsweise zugelassen werden. Anlagen für soziale Zwecke dienen in einem weiten Sinn der sozialen Fürsorge und der öffentlichen Wohlfahrt; es handelt sich um Nutzungen, die auf Hilfe, Unterstützung, Betreuung und ähnliche fürsorgerische Maßnahmen ausgerichtet sind; als typische Beispiele werden Einrichtungen für Kinder und Jugendliche, alte Menschen sowie andere Personengruppen angesehen, die (bzw. deren Eltern) ein besonders soziales Angebot annehmen wollen Beschluss vom 26. Juli 2005 - BVerwG 4 B 33.05 - BRS 69 Nr. 63). Dass Pflegeeinrichtungen in der Regel Anlagen für soziale Zwecke sind, stellt auch die Beschwerde nicht in Frage. Sie meint jedoch, in einem reinen Wohngebiet müssten solche Anlagen in nicht unerheblichem Umfang von Bewohnern des Gebiets selbst in Anspruch genommen werden. Dass diese Auffassung nicht zutrifft, ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO müssen nur Anlagen für kirchliche, kulturelle, gesundheitliche und sportliche Zwecke den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienen; für Anlagen für soziale Zwecke gilt dies nicht (Stock, in: König/Röser/ Stock, BauNVO, 2. Aufl. 2003, § 3 Rn. 43; Bielenberg, in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg, BauGB, § 3 BauNVO Rn. 14; Ziegler, in: Brügelmann, BauGB, § 3 BauNVO Rn. 109; Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl. 2008, § 3 Rn. 19.6). Die Räumlichkeiten eines ambulanten Pflegedienstes sind, jedenfalls wenn die Pflegeleistungen nicht lediglich außer Haus, sondern auch in der Station erbracht werden, auch keine Anlage für Verwaltungszwecke (vgl. Ziegler, a.a.O., § 2 BauNVO Rn. 128; Röser, a.a.O., § 4 Rn. 51), die in einem reinen Wohngebiet nicht zulässig wäre.

6

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Dr. Gatz
Dr. Jannasch
Dr. Philipp

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