Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundesverfassungsgericht
Beschl. v. 04.12.2013, Az.: 1 BvR 1154/10
Ausschluss eines mutmaßlichen biologischen Vaters zum Schutz der rechtlich-sozialen Familie von der Vaterschaftsanfechtung
Gericht: BVerfG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 04.12.2013
Referenz: JurionRS 2013, 50735
Aktenzeichen: 1 BvR 1154/10
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

AG Zwickau - 30.10.2009 - AZ: 008 F 00502/09

OLG Dresden - 08.04.2010 - AZ: 20 UF 0730/09

OLG Dresden - 19.03.2010 - AZ: 20 UF 730/09

Fundstellen:

DÖV 2014, 307

DVBl 2014, 3 (Pressemitteilung)

EuGRZ 2014, 266

FamRB 2014, 48-49

FamRZ 2014, 191

FamRZ 2014, 277

FF 2014, 37

FStBW 2014, 150-151

FStHe 2014, 138-139

FStNds 2014, 362-363

FuR 2014, 240

GV/RP 2014, 171-172

JAmt 2014, 89-90

JuS 2014, 10 (Pressemitteilung)

MDR 2014, 8

NVwZ 2014, 7 (Pressemitteilung)

NZG 2014, 5

ZAP 2014, 66

ZAP EN-Nr. 31/2014

ZfSH/SGB 2014, 65-66 (Pressemitteilung)

BVerfG, 04.12.2013 - 1 BvR 1154/10

Redaktioneller Leitsatz:

Es ist mit Art. 6 Abs. 2 GG vereinbar, den mutmaßlichen biologischen Vater zum Schutz der rechtlich-sozialen Familie von der Vaterschaftsanfechtung auszuschließen, auch wenn der biologische Vater vorträgt, vor und in den Monaten nach der Geburt eine sozial-familiäre Beziehung zum Kind aufgebaut zu haben. Für diesen Fall kommt lediglich die Ableitung eines Umgangsrechts aus Art. 6 Abs. 1 GG in Betracht.

In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn M...,
- Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Georg Rixe
in Sozietät Rechtsanwälte Dr. Joachim Baltes, Georg Rixe,
Hauptstraße 60, 33647 Bielefeld -
gegen
a) den Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 8. April 2010 - 20 UF 0730/09 -,
b) das Endurteil des Oberlandesgerichts Dresden vom 19. März 2010 - 20 UF 730/09 -,
c) das Endurteil des Amtsgerichts Zwickau vom 30. Oktober 2009 - 008 F 00502/09 -
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch

den Vizepräsidenten Kirchhof,

den Richter Eichberger

und die Richterin Britz

gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 4. Dezember 2013 einstimmig
beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1. Der Beschwerdeführer ist überzeugt, biologischer Vater einer Tochter zu sein, die in die Ehe der Kindesmutter mit einem anderen Mann hineingeboren wurde. Die außereheliche Beziehung der Kindesmutter zum Beschwerdeführer - deren Intensität im fachgerichtlichen Verfahren streitig blieb - endete, als das Kind vier Monate alt war. Seit das Kind elf Monate alt ist, lebt es mit der Kindesmutter, dem rechtlichen Vater und seinen minderjährigen Geschwistern in einem gemeinsamen Haushalt.

a) Eine Vaterschaftsanfechtungsklage des Beschwerdeführers blieb vor den Fachgerichten erfolglos. Die sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater stehe gemäß § 1600 Abs. 2 BGB einer Anfechtung entgegen.

b) Der Beschwerdeführer hält die Abweisung seiner Vaterschaftsanfechtungsklage für verfassungswidrig; sie verletze unter anderem Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG sowie Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Der Gesetzgeber sei verfassungsrechtlich verpflichtet, dem biologischen Vater die rechtliche Elternstellung einzuräumen, es sei denn, nach einer Interessenabwägung im Einzelfall stünden ausnahmsweise gleichrangige Interessen anderer Beteiligter entgegen. Gefährde eine Anfechtung im konkreten Einzelfall weder das Kindeswohl noch den Familienfrieden, müsse sich der biologische Vater durchsetzen.

2. Die Verfassungsbeschwerde war nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor.

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits festgestellt, dass es mit Art. 6 Abs. 2 GG vereinbar ist, den mutmaßlichen biologischen Vater zum Schutz der rechtlich-sozialen Familie von der Vaterschaftsanfechtung auszuschließen, auch wenn der biologische Vater vorträgt, vor und in den Monaten nach der Geburt eine sozial-familiäre Beziehung zum Kind aufgebaut zu haben und hat für diesen Fall lediglich aus Art. 6 Abs. 1 GG ein Umgangsrecht abgeleitet (BVerfGE 108, 82 <87 f., 90, 106, 109, 112 f.>). Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte folgt nichts anderes. Der Gerichtshof hat insbesondere klargestellt, dass die Entscheidung darüber, ob dem biologischen Vater in dem Fall, dass die rechtliche Vaterschaft mit der Rolle als sozialer Vater übereinstimmt, die Anfechtung der Vaterschaft gestattet werden soll, innerhalb des Beurteilungsspielraums des Staats liegt (EGMR, Urteile vom 22. März 2012 - Beschwerde-Nr. 23.338/09, Kautzor/Deutschland - [...], Rn. 78 ff. und - Beschwerde-Nr. 45.071/09, Ahrends/Deutschland - [...], Rn. 74 ff.; Entscheidung vom 11. Dezember 2012 - Beschwerde-Nr. 11858/10, Koppikar/Deutschland).

Vor diesem Hintergrund wirft die Verfassungsbeschwerde keine klärungsbedürftige verfassungsrechtliche Frage von grundsätzlicher Bedeutung auf. Auch hat der Beschwerdeführer nicht dargelegt, dass die angegriffenen fachgerichtlichen Entscheidungen unter Heranziehung der genannten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung seine Grundrechte verletzen.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Kirchhof

Eichberger

Britz

Hinweis: Das Dokument wurde redaktionell aufgearbeitet und unterliegt in dieser Form einem besonderen urheberrechtlichen Schutz. Eine Nutzung über die Vertragsbedingungen der Nutzungsvereinbarung hinaus - insbesondere eine gewerbliche Weiterverarbeitung außerhalb der Grenzen der Vertragsbedingungen - ist nicht gestattet.