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Bundesverfassungsgericht
Beschl. v. 05.08.2010, Az.: 2 BvR 1646/10
Erlass einer einstweiligen Anordnung im Verfahren über eine Verfassungsbeschwerde
Gericht: BVerfG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 05.08.2010
Referenz: JurionRS 2010, 21245
Aktenzeichen: 2 BvR 1646/10
ECLI: [keine Angabe]

Rechtsgrundlage:

§ 32 BVerfGG

BVerfG, 05.08.2010 - 2 BvR 1646/10

Redaktioneller Leitsatz:

Eine einstweilige Anordnung kann auch in einem Verfahren über eine Verfassungsbeschwerde erlassen werden. Dabei haben die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts vorgetragen Gründe grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn die Verfassungsbeschwerde erweist sich von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Bei offenem Ausgang der Verfassungsbeschwerde sind hingegen die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Beschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre.

In dem Verfahren
hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts
durch
den Präsidenten Voßkuhle,
den Richter Mellinghoff und
den Richter Gerhardt
gemäß § 32 Abs. 1 in Verbindung mit § 93d Abs. 2 BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl. I S. 1473)
am 5. August 2010
einstimmig beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Gründe

1

1.

Nach § 32 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Auch in einem Verfahren über eine Verfassungsbeschwerde kann eine einstweilige Anordnung erlassen werden (vgl. BVerfGE 66, 39 <56>; stRspr). Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben. Etwas anderes gilt nur, wenn sich die Verfassungsbeschwerde von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet erweist. Bei offenem Ausgang des Verfassungsbeschwerdeverfahrens muss das Bundesverfassungsgericht hingegen die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 87, 334 <338>; 89, 109 <110>; stRspr).

2

2.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Die aufgeworfenen Rechtsfragen werden im Hauptsacheverfahren zu klären sein.

3

3.

Die danach gebotene Folgenabwägung führt zur Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Erginge die einstweilige Anordnung nicht, hätte aber die Verfassungsbeschwerde später Erfolg, so entstünde dem Beschwerdeführer in der Zwischenzeit durch den Vollzug der Sicherungsverwahrung ein schwerer, nicht wieder gutzumachender Verlust an persönlicher Freiheit. Wenn die einstweilige Anordnung erginge und der Verfassungsbeschwerde später der Erfolg zu versagen wäre, entstünden ebenfalls schwerwiegende Nachteile. Das Oberlandesgericht Nürnberg hat auf der Grundlage eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens nachvollziehbar dargelegt, dass der Beschwerdeführer einen Hang zu schweren Sexualstraftaten (sexueller Missbrauch von Kindern, Vergewaltigung) habe und deshalb im Falle seiner Freilassung mit hoher Wahrscheinlichkeit entsprechende Delikte verüben werde, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schweren Schaden nehmen würden. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Bewertung zugrundezulegen, weil der Beschwerdeführer es versäumt hat, die in den Entscheidungen angeführten, von ihm im Ergebnis für unzutreffend erachteten Gutachten vorzulegen oder ihrem wesentlichen Inhalt nach wiederzugeben. Angesichts der besonderen Schwere der drohenden Straftaten überwiegt das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit das Interesse des Beschwerdeführers an der Wiedererlangung seiner persönlichen Freiheit.

4

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Voßkuhle
Mellinghoff
Gerhardt

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