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Bundessozialgericht
Beschl. v. 10.12.2015, Az.: B 5 R 286/15 B
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 10.12.2015
Referenz: JurionRS 2015, 35240
Aktenzeichen: B 5 R 286/15 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Mecklenburg-Vorpommern - 07.05.2015 - AZ: L 4 R 179/13 WA

SG Stralsund - AZ: S 2 R 124/06

BSG, 10.12.2015 - B 5 R 286/15 B

in dem Rechtsstreit

Az: B 5 R 286/15 B

L 4 R 179/13 WA (LSG Mecklenburg-Vorpommern)

S 2 R 124/06 (SG Stralsund)

............................................,

Klägerin und Beschwerdeführerin,

Prozessbevollmächtigter: ..............................................,

gegen

Deutsche Rentenversicherung Bund,

Ruhrstraße 2, 10709 Berlin,

Beklagte und Beschwerdegegnerin.

Der 5. Senat des Bundessozialgerichts hat am 10. Dezember 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dr. B e r c h t o l d sowie die Richter Dr. K o l o c z e k und K a r m a n s k i

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 7. Mai 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Gründe

1

Mit Urteil vom 7.5.2015 hat das LSG Mecklenburg-Vorpommern im Zugunstenverfahren einen Anspruch des - zwischenzeitlich verstorbenen - Klägers (zukünftig: Versicherter) verneint, bei der Anrechnung von Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf die Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung einen Freibetrag in Höhe der "Grundrente West" anstelle der - abgesenkten - "Grundrente Ost" zu berücksichtigen.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des Versicherten Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf Rechtsprechungsabweichung (Divergenz) und grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.

3

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.

4

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),

- Das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder

- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).

5

Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

6

Zur formgerechten Rüge des Zulassungsgrundes der Divergenz ist in der Beschwerdebegründung nicht nur die Entscheidung genau zu bezeichnen, von der die Entscheidung des LSG abweichen soll; es müssen auch entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze im Berufungsurteil und in einer höchstrichterlichen Entscheidung gegenübergestellt werden; darüber hinaus muss näher begründet werden, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht. Nicht hingegen reicht es aus, auf eine bestimmte höchstrichterliche Entscheidung mit der Behauptung hinzuweisen, das angegriffene Urteil weiche hiervon ab, oder wenn die im Einzelfall fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht in Frage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend gemacht wird (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 10 RdNr 4; BSG SozR 1500 § 160a Nr 67 S 89 f).

7

Die Klägerin trägt vor, das LSG weiche von der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG vom 10.4.2003 - B 4 RA 32/02 R - und vom 20.10.2005 - B 4 RA 27/05 R - ab und stütze sich auf die Entscheidung des BSG vom 13.11.2008 - B 13 R 129/08 R - (falsch: B 5 R 140/07 R). Die dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde sei zurückgenommen worden. Damit sei die Frage, ob § 93 Abs 2 Nr 2a SGB VI gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße, vom BVerfG weiterhin nicht geklärt.

8

Mit diesem Vortrag hat die Klägerin die Darlegungserfordernisse für eine Divergenz nicht erfüllt. Denn sie hat nicht aufgezeigt, dass das LSG von aktueller höchstrichterlicher Rechtsprechung abgewichen ist. Ein Berufungsgericht weicht nur dann iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG von einer Entscheidung des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zum selben Gegenstand gemachten und fortbestehend aktuellen abstrakten Aussage des BSG entgegensteht. Für die Zulassung fehlt es an der erforderlichen Klärungsbedürftigkeit, wenn die (gerügte) Divergenz eine ältere, inzwischen aufgegebene Rechtsprechung des Revisionsgerichts betrifft (BSG SozR 1500 § 160a Nr 58 S 76 f; BSG SozR 1500 § 160 Nr 61 S 64 f; BSG vom 18.1.2010 - B 13 R 483/09 B - Juris RdNr 6; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 13b und § 160a RdNr 15d; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 80).

9

Eben dies aber ergibt sich aus der Beschwerdebegründung. Die Klägerin führt selbst die neuere Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 13.11.2008 - B 13 R 129/08 R) auf. Danach sei bei Anrechnung einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei Anwendung des § 93 Abs 2 Nr 2a SGB VI für das Beitrittsgebiet ein besonderer - abgesenkter - Freibetrag ("Ost") zu berücksichtigen. Zwar hat der 4. Senat des BSG (Beschluss vom 26.6.2007 - B 4 R 1/07 S) auf Anfrage des 13. Senats vom 12.12.2006 - B 13 RJ 25/05 R - an seiner Rechtsauffassung festgehalten. Eine Divergenzlage besteht seit 1.1.2008 jedoch nicht mehr. Seit diesem Zeitpunkt ist der 4. Senat des BSG nicht mehr für die allgemeine Rentenversicherung zuständig. Der 5a Senat des BSG als Nachfolgesenat hat an der Rechtsauffassung des 4. Senats nicht mehr festgehalten (Beschluss vom 30.7.2008 - B 5a R 6/08 S). Der 13. Senat hat daher mit Urteil vom 13.11.2008 - B 13 R 129/08 R - seinen an den Großen Senat des BSG gerichteten Vorlagebeschluss vom 29.11.2007 - B 13 RJ 25/05 R - aufgehoben und - wie oben angeführt - entschieden.

10

Auch die Grundsatzrüge hat keinen Erfolg. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.

11

Die Klägerin wird bereits dem ersten Erfordernis nicht gerecht. Sie hat keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zum Inhalt oder Anwendungsbereich einer revisiblen (Bundes-)Norm (vgl § 162 SGG) gestellt. Die Formulierung einer Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, aaO, Kap IX RdNr 181). Es gehört nicht zu den Aufgaben des BSG, den Vortrag des Beschwerdeführers daraufhin zu analysieren, ob sich ihm eventuell eine entsprechende Rechtsfrage entnehmen ließe (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 26 S 48).

12

Ebenso wenig ist die Klärungsbedürftigkeit ausreichend dargelegt. Die Klägerin führt aus, im Verfassungsbeschwerdeverfahren gegen das Urteil des BSG vom 13.11.2008 (B 13 R 129/08 R - BSGE 102, 36 = SozR 4-2600 § 93 Nr 12) habe die dortige Beschwerdeführerin die Verfassungsbeschwerde zurückgenommen, das BVerfG (Beschluss vom 8.6.2012 - 1 BvR 349/09 - Juris) habe sich mit verfassungsrechtlichen Fragen wie Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sowie dem Gleichbehandlungsgebot inhaltlich nicht auseinandergesetzt.

13

Mit diesem Vortrag hat die Klägerin einen weiteren Klärungsbedarf durch das Revisionsgericht nicht hinreichend aufgezeigt. Im Hinblick auf § 93 SGB VI kann ein insoweit noch bestehender Klärungsbedarf durch das Revisionsgericht nicht allein mit dem Hinweis darauf begründet werden, dass eine inhaltliche Entscheidung des BVerfG zu der Frage noch nicht vorliege (BSG Beschluss vom 31.5.2012 - B 13 R 70/12 B - Juris RdNr 9 mwN). Insbesondere dann, wenn - wie vorliegend - sich das BSG bereits ausführlich mit der Vereinbarkeit einer Vorschrift mit dem GG befasst und diese bejaht hat (vgl BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 13 R 129/08 R - BSGE 102, 36 = SozR 4-2600 § 93 Nr 12, RdNr 67 - 118), muss ein Beschwerdeführer zur Darlegung zusätzlichen Klärungsbedarfs im Einzelnen und unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung aufzeigen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Verfassungsmäßigkeit weiter umstritten ist (BSG Beschluss vom 5.8.2003 - B 12 RA 5/03 B - Juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 24.5.2011 - B 5 R 8/11 B - BeckRS 2011, 74653 RdNr 9). Eine solche inhaltlich substanzielle Auseinandersetzung (s hierzu auch BSG Beschluss vom 26.2.2014 - B 1 KR 45/13 B - Juris RdNr 10 mwN) lässt die Beschwerdebegründung der Klägerin vermissen.

14

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

15

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dr. Berchtold
Dr. Koloczek
Karmanski

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