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Bundessozialgericht
Beschl. v. 07.12.2015, Az.: B 13 R 351/15 B
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 07.12.2015
Referenz: JurionRS 2015, 34558
Aktenzeichen: B 13 R 351/15 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Sachsen - 17.08.2015 - AZ: L 6 R 559/13

SG Dresden - AZ: S 37 R 1791/07

BSG, 07.12.2015 - B 13 R 351/15 B

in dem Rechtsstreit

Az: B 13 R 351/15 B

L 6 R 559/13 (Sächsisches LSG)

S 37 R 1791/07 (SG Dresden)

....................................,

Kläger und Beschwerdeführer,

Prozessbevollmächtigter: ...........................................,

gegen

Deutsche Rentenversicherung Bund,

Ruhrstraße 2, 10709 Berlin,

Beklagte und Beschwerdegegnerin.

Der 13. Senat des Bundessozialgerichts hat am 7. Dezember 2015 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. S c h l e g e l sowie die Richter Dr. F i c h t e und G a s s e r

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 17. August 2015 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

Das Sächsische Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 17.8.2015 einen Anspruch des Klägers auf höhere Altersrente wegen Arbeitslosigkeit unter Anrechnung von in Polen zurückgelegten Beschäftigungszeiten als nachgewiesen statt nur als glaubhaft gemacht verneint. Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil macht der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie Divergenz geltend. Er hält folgende Frage für grundsätzlich bedeutsam:

"Steht allein die Möglichkeit einzelner Fehlzeiten im Anwendungsbereich des deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommens von 1975 dem Nachweis von den in Polen zurückgelegten und vom polnischen Rentenversicherungsträger bestätigten Beitragszeiten entgegen?"

2

Diese Rechtsfrage sei nicht geklärt; das vom LSG zitierte Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21.4.1982 (4 RJ 33/81 - Juris) betreffe die Bewertung sowjetischer Beitragszeiten, auf die das deutsch-polnische Sozialversicherungsabkommen "von vornherein keine Anwendung" finde. Die Frage sei auch klärungsfähig, weil er, der Kläger, bejahendenfalls Anspruch "auf die ungekürzte Rente" habe. Überdies bestünden gegen die Anwendung des Fremdrentengesetzes (FRG) über Art 2 Abs 1 des Zustimmungsgesetzes zum deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommen verfassungsrechtliche Bedenken. Das Urteil des LSG weiche ferner von dem Urteil des BSG vom 21.6.1989 (1 RA 53/88 - BSGE 65, 144 = SozR 6710 Art 4 Nr 8) ab, das folgenden tragenden Rechtssatz enthalte: "Das DPSVA 1975 habe gegenüber dem FRG wesentliche Verbesserungen in Form namentlich der vollen statt der 5/6 Anrechnung bewirken wollen".

3

Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Die geltend gemachten Zulassungsgründe einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) sind nicht in der nach § 160a Abs 2 S 3 SGG gebotenen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden.

4

1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb deren Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung dieser Rechtsfragen erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss die Beschwerdebegründung mithin eine konkrete Rechtsfrage aufwerfen, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung vom 26.11.2015 nicht.

5

Der Kläger wirft zwar eine Frage allgemeiner Art auf, versäumt es aber, deren Klärungsbedürftigkeit hinreichend aufzuzeigen. Da der Kläger geklärt wissen will, ob allein die Möglichkeit einzelner Fehlzeiten dem Nachweis von (in Polen zurückgelegten) Zeiten entgegensteht, reicht es nicht aus, die Entscheidung des BSG vom 21.4.1982 (4 RJ 33/81 - Juris) inhaltlich außer Betracht zu lassen, weil das deutsch-polnische Sozialversicherungsabkommen von vornherein keine Anwendung auf sowjetische Beitragszeiten, um die es in der Entscheidung gehe, finde. Denn als höchstrichterlich geklärt muss eine Rechtsfrage auch dann angesehen werden, wenn das Revisionsgericht sie zwar noch nicht ausdrücklich - hier: bezogen auf das deutsch-polnische Sozialversicherungsabkommen von 1975 - entschieden hat, zur Auslegung des anzuwendenden gesetzlichen Begriffs aber schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (BSG SozR 1500 § 160 Nr 8; SozR 3-1500 § 146 Nr 2; Senatsbeschluss vom 13.5.1997 - 13 BJ 271/96 - SozR 3-1500 § 160a Nr 21; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 314). Dass aus dem Urteil des BSG vom 21.4.1982 (4 RJ 33/81 - Juris) keinerlei Anhaltspunkte für die Beantwortung der Frage zu entnehmen seien, ob trotz möglicher Fehlzeiten anzurechnende Beschäftigungszeiten als nachgewiesene Beitragszeiten mit der Anrechnung zu sechs Sechsteln statt nur als glaubhaft gemachte Zeiten zu fünf Sechsteln anzurechnen sind, versäumt der Kläger darzulegen.

6

Überdies hätte er Veranlassung gehabt, sich mit weiterer Rechtsprechung des BSG zu dieser Frage, auf die sich das LSG zur Begründung seiner Entscheidung gestützt hat (Senatsurteile vom 6.12.1996 - 13 RJ 43/96 - Juris und vom 24.4.1997 - 13/4 RA 123/94 - Juris; BSG Urteil vom 20.8.1974 - 4 RJ 241/73 - BSGE 38, 80 = SozR 5050 § 19 Nr 1), auseinanderzusetzen. Da dies nicht geschehen ist, ist die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage nicht hinreichend dargetan.

7

Seine "verfassungsrechtlichen Bedenken" gegen die Anwendbarkeit "des FRG über Art. 2 Abs. 1 des Zustimmungsgesetzes" zum deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommen hat der Kläger nicht in eine konkrete Rechtsfrage gekleidet. Daher ist nicht ersichtlich, ob er Art 2 Abs 1 des Zustimmungsgesetzes, der das FRG für anwendbar erklärt, oder die Anwendbarkeit einer konkreten Norm des FRG im Rahmen des deutsch-polnischen Abkommens für verfassungswidrig hält. Auch der von ihm angeführte Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 13.6.2006 (BVerfGE 116, 96 = SozR 4-5050 § 22 Nr 5), der im Wesentlichen besagt, dass durch das FRG begründete Rentenanwartschaften nicht dem Schutz des Art 14 Abs 1 S 1 Grundgesetz unterliegen, wenn ihnen ausschließlich Beitrags- und Beschäftigungszeiten zugrunde liegen, die in den Herkunftsgebieten erbracht oder zurückgelegt wurden, hilft iS der notwendigen Konkretisierung einer - unterstellten - Rechtsfrage nicht weiter.

8

2. Auch die Voraussetzungen der Revisionszulassung wegen Abweichung hat der Kläger nicht hinreichend aufgezeigt. Um eine Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG in einer den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG genügenden Weise zu bezeichnen, muss die Beschwerdebegründung einen Widerspruch tragender abstrakter Rechtssätze in der Entscheidung des LSG einerseits und einer Entscheidung des BSG bzw des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG andererseits aufzeigen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 67). Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn das Urteil des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht.

9

Zur formgerechten Rüge des Zulassungsgrunds der Divergenz gehört es daher, in der Beschwerdebegründung nicht nur eine Entscheidung genau zu bezeichnen, von der die Entscheidung des LSG abgewichen sein soll; es ist auch deutlich zu machen, worin genau die Abweichung bestehen soll. Der Beschwerdeführer muss darlegen, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine die Berufungsentscheidung tragende Abweichung in den rechtlichen Ausführungen enthalten sein soll. Er muss mithin einen abstrakten Rechtssatz der vorinstanzlichen Entscheidung und einen abstrakten Rechtssatz aus dem höchstrichterlichen Urteil so bezeichnen, dass die Divergenz erkennbar wird. Nicht hingegen reicht es aus, auf eine bestimmte höchstrichterliche Entscheidung mit der Behauptung hinzuweisen, das angegriffene Urteil weiche hiervon ab. Schließlich muss aufgezeigt werden, dass das Revisionsgericht die oberstgerichtliche Rechtsprechung in einem künftigen Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (zum Ganzen vgl BSG vom 25.9.2002 - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 f mwN; Senatsbeschluss vom 20.5.2014 - B 13 R 49/14 B - Juris, RdNr 10, 11). Diesen Darlegungserfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

10

Der Senat lässt dahinstehen, ob der Kläger der angefochtenen Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz entnommen hat. Jedenfalls hat er einen solchen aus der angeführten Entscheidung des BSG vom 21.6.1989 (1 RA 53/88 - BSGE 65, 144 = SozR 6710 Art 4 Nr 8) nicht herausgefiltert. Dass das deutsch-polnische Sozialversicherungsabkommen von 1975 gegenüber dem FRG "wesentliche Verbesserungen von namentlich der vollen statt der 5/6 Anrechnung bewirken" wollte, bezeichnet allenfalls ein (damaliges) Ziel des Gesetzgebers, nicht aber einen tragenden Rechtssatz zu der hier maßgeblichen Vorschrift des § 22 Abs 3 FRG (vgl zur damaligen Rechtslage BT-Drucks 7/4310 S 6 - Zu Artikel 2; zu Rechtslage nach Umgestaltung der Rentenberechnung durch das Rentenreformgesetz 1992 vgl BT-Drucks 11/5530 S 65 f - Zu Nr 4 [§ 19], Zu Nr 7 [§ 22 Abs 4]).

11

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

12

4. Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

13

5. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Prof. Dr. Schlegel
Dr. Fichte
Gasser

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