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Bundessozialgericht
Beschl. v. 29.10.2015, Az.: B 5 R 268/15 B
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 29.10.2015
Referenz: JurionRS 2015, 29695
Aktenzeichen: B 5 R 268/15 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Hamburg - 06.07.2015 - AZ: L 3 R 134/12

SG Hamburg - AZ: S 53 R 41/12

BSG, 29.10.2015 - B 5 R 268/15 B

in dem Rechtsstreit

Az: B 5 R 268/15 B

L 3 R 134/12 (LSG Hamburg)

S 53 R 41/12 (SG Hamburg)

...................................,

Klägerin und Beschwerdeführerin,

Prozessbevollmächtigte: .............................................,

gegen

Deutsche Rentenversicherung Bund,

Ruhrstraße 2, 10709 Berlin,

Beklagte und Beschwerdegegnerin.

Der 5. Senat des Bundessozialgerichts hat am 29. Oktober 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dr. B e r c h t o l d , die Richterin Dr. G ü n n i k e r und den Richter Dr. K o l o c z e k

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Hamburg vom 6. Juli 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Gründe

1

Mit Beschluss vom 6.7.2015 hat das LSG Hamburg einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung verneint.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf Verfahrensmängel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG.

3

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.

4

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),

- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder

- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).

5

Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

6

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Beschlusses besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

7

Die Klägerin macht zum einen geltend, das Berufungsgericht habe Feststellungen zu ihrem psychischen Zustand getroffen, ohne eine fachmedizinische Expertise hierfür zu Rate zu ziehen. Das LSG habe ohne Einholung eines medizinischen Gutachtens Feststellungen über das Ausmaß von psychischen Beeinträchtigungen in Bezug auf ihr Leistungsvermögen getroffen. Dies gehe nicht. Gesundheitlich bedingte Leistungseinschränkungen im Erwerbsleben seien vielmehr von Amts wegen zu ermitteln. Der Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts dürften die Tatsachengerichte nicht dadurch ausweichen, dass sie entscheidungserhebliche Fragen trotz fehlender eigener Sachkunde selbst entschieden.

8

Mit diesem Vorbringen greift die Klägerin zunächst die Beweiswürdigung des LSG an. Auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 S 1 SGG kann eine Nichtzulassungsbeschwerde jedoch gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG nicht gestützt werden.

9

Des Weiteren rügt die Klägerin mit dem genannten Vortrag sinngemäß einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht. Den Anforderungen an eine schlüssige Darlegung einer Verletzung des § 103 SGG genügt die Beschwerdebegründung allerdings nicht.

10

Die Klägerin hat nicht aufgezeigt, einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag bis zum Schluss der Tatsacheninstanz aufrechterhalten zu haben.

11

Ein Beweisantrag hat im sozialgerichtlichen Verfahren Warnfunktion und soll der Tatsacheninstanz unmittelbar vor der Entscheidung vor Augen führen, dass die gerichtliche Aufklärungspflicht von einem Beteiligten noch nicht als erfüllt angesehen wird. Wird ein Beweisantrag in einem vorbereitenden Schriftsatz gestellt, so ist er dann nicht iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG übergangen worden, wenn den näheren Umständen zu entnehmen ist, dass er nicht bis zuletzt weiter verfolgt wurde. Wird ein Verfahren - wie hier - durch Beschluss nach § 153 Abs 4 SGG entschieden, ist ein zuvor gestellter Antrag dann nicht mehr aufrechterhalten, wenn die Beteiligten ihn nach Erhalt der Anhörungsmitteilung nicht wiederholen (BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 12 RdNr 7 mwN).

12

Nach der Beschwerdebegründung hat die Klägerin zwar in der Berufungsinstanz vorgetragen, dass sie unter einer somatoformen Schmerzstörung leide, deren Umfang in Bezug auf ihr Leistungsvermögen durch Einholung eines fachpsychiatrischen Gutachtens zu klären sei. Ausweislich der weiteren Ausführungen der Beschwerdebegründung hat sie diesen Antrag nach der Anhörungsmitteilung des LSG in der Stellungnahme vom 17.12.2014 jedoch nicht wiederholt.

13

Soweit die Klägerin hervorhebt, dass die Tatsachengerichte von Amts wegen zur Sachermittlung verpflichtet seien, ist dies zutreffend. Aufgrund dessen muss ein Kläger im Berufungsverfahren zur Erreichung einer sachgerechten Entscheidung seines Rechtsstreits zunächst keine Beweisanträge stellen. Vertraut er aber auf eine Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen und unterlässt er deshalb Beweisanträge bzw hält diese nicht aufrecht, kann er später im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht geltend machen, das LSG habe gesetzeswidrig gehandelt (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 127). Dies wäre mit den Vorgaben des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG nicht vereinbar.

14

Die Klägerin rügt schließlich eine Verletzung des § 153 Abs 4 S 1 SGG und damit eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Senats gemäß § 33 SGG.

15

Nach § 153 Abs 4 S 1 SGG kann das LSG, außer in den Fällen des § 105 Abs 2 S 1 SGG, die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Entscheidung, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 153 Abs 4 S 1 SGG zurückzuweisen, steht im pflichtgemäßen Ermessen des Berufungsgerichts und kann nur auf fehlerhaften Gebrauch, dh sachfremde Erwägungen und grobe Fehleinschätzung, überprüft werden (BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 1 S 3 f und Nr 13 S 38; BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 7 RdNr 27; BSG Beschluss vom 6.12.2012 - B 11 AL 12/12 B - Juris RdNr 7).

16

Dass die Entscheidung des LSG, nach § 153 Abs 4 SGG zu verfahren, auf einer groben Fehleinschätzung beruhe, wie dies die Klägerin behauptet, ist in der Beschwerdebegründung nicht schlüssig dargelegt.

17

Die mündliche Verhandlung, aufgrund der die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit regelmäßig entscheiden (§ 124 Abs 1 SGG), ist das "Kernstück" des gerichtlichen Verfahrens und verfolgt den Zweck, dem Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör zu genügen und mit ihnen den Streitstoff erschöpfend zu erörtern. Nicht erforderlich ist eine mündliche Verhandlung nur dann, wenn der Sachverhalt umfassend ermittelt worden ist, sodass Tatsachenfragen in einer mündlichen Verhandlung nicht mehr geklärt werden müssen. Diese Funktion und Bedeutung der mündlichen Verhandlung muss das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung berücksichtigen, ob es im vereinfachten Verfahren gemäß § 153 Abs 4 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden will (vgl BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 13 S 38; BSG Beschluss vom 6.12.2012 - B 11 AL 12/12 B - Juris RdNr 8).

18

Welche konkreten, entscheidungserheblichen Tatsachen das LSG in der mündlichen Verhandlung hätte klären müssen, ergibt sich aus der Beschwerdebegründung nicht.

19

Die Klägerin hat nach ihrem eigenen Vorbringen in der Stellungnahme vom 17.12.2014 darauf hingewiesen, dass sich aus dem Eindruck ihrer Person in einer mündlichen Verhandlung Schlüsse auf ihr psychisches Beschwerdebild und ihr Leistungsvermögen ergeben könnten, insbesondere auch deswegen, weil sich aus dem vorliegenden psychiatrischen Befundbericht nichts über den Umfang ihres Leistungsvermögens ergebe. Zudem habe sie darauf hingewiesen, dass die fehlende Durchführung einer regelmäßigen fachpsychiatrischen Behandlung nicht den Umkehrschluss zulasse, dass die Erkrankung nicht so schwerwiegend sei. Die im Berufungsverfahren rechtskundig vertretene Klägerin hat danach in der Stellungnahme vom 17.12.2014 weder substantiiert vorgetragen, dass sie unter einer schwerwiegenden psychiatrischen Erkrankung leide, noch dass diese ihr Leistungsvermögen in einem rentenrelevanten Ausmaß herabsetze. In der mündlichen Verhandlung aufklärungsbedürftige, erhebliche Tatsachen hat sie damit nicht bezeichnet.

20

Abgesehen davon rügt die Klägerin letztlich mit ihrem Vorbringen eine Verletzung der tatrichterlichen Sachaufklärungspflicht iS von § 103 SGG. Eine Sachaufklärungsrüge hat die Klägerin aus den oben dargelegten Gründen indes nicht ordnungsgemäß dargetan. Aufgrund dessen kann sie eine solche Rüge auch nicht in der Gestalt eines anderen Verfahrensmangels geltend machen. Ansonsten würden die Beschränkungen des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG für eine Sachaufklärungsrüge im Ergebnis leer laufen (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 12 RdNr 7).

21

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

22

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.

Dr. Berchtold
Dr. Günniker
Dr. Koloczek

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