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Bundessozialgericht
Beschl. v. 24.09.2015, Az.: B 1 KR 81/15 B
Anspruch auf eine Liposuktionsbehandlung nebst Gewebereduktionsplastik; Grundsatzrüge; Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung; Therapiemöglichkeiten für ein einzelnes Leiden
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 24.09.2015
Referenz: JurionRS 2015, 26426
Aktenzeichen: B 1 KR 81/15 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Rheinland-Pfalz - 15.07.2015 - AZ: L 5 KR 210/14

SG Koblenz - AZ: S 11 KR 64/14

BSG, 24.09.2015 - B 1 KR 81/15 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist.

2. Die Frage nach den Therapiemöglichkeiten für ein einzelnes Leiden und dem darauf bezogenen krankenversicherungsrechtlichen Behandlungsanspruch ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung regelmäßig keine Rechtsfrage von "grundsätzlicher" Bedeutung.

in dem Rechtsstreit

Az: B 1 KR 81/15 B

L 5 KR 210/14 (LSG Rheinland-Pfalz)

S 11 KR 64/14 (SG Koblenz)

....................................................,

Klägerin und Beschwerdeführerin,

Prozessbevollmächtigte: ..................................................,

gegen

AOK - Die Gesundheitskasse in Hessen,

Basler Straße 2, 61352 Bad Homburg,

Beklagte und Beschwerdegegnerin.

Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat am 24. September 2015 durch den Präsidenten M a s u c h sowie die Richter Prof. Dr. H a u c k und C o s e r i u

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. Juli 2015 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

I

1

Die bei der beklagten Krankenkasse versicherte Klägerin leidet an einem Lipödem beider Beine. Sie ist mit ihrem Begehren, sie mit einer Liposuktionsbehandlung nebst Gewebereduktionsplastik zu versorgen, bei der Beklagten und in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Verschaffung einer Liposuktion. Für eine ambulante Behandlung fehle es an einer Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses. Die Voraussetzungen für eine Ausnahme hiervon seien nicht erfüllt. Einem Anspruch auf stationäre Behandlung stehe entgegen, dass die begehrte neue Behandlungsmethode nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche. Das Aktualisierungsgutachten (15.1.2015) der Sozialmedizinischen Expertengruppe (SEG 7) belege dies überzeugend. Danach habe es keiner weiteren Ermittlungen zur Notwendigkeit einer stationären Liposuktion bei der Klägerin bedurft (Urteil vom 15.7.2015).

2

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.

II

3

Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (dazu 1.) und des Verfahrensfehlers (dazu 2.).

4

1. Die Klägerin legt die für eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) notwendigen Voraussetzungen nicht in der gesetzlich gebotenen Weise dar. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Daran fehlt es.

5

Die Klägerin formuliert als Rechtsfrage:

"Haben gesetzlich krankenversicherte auch unter Berücksichtigung des Verfassungsrechts Anspruch auf eine Liposuktion als eine Kassenleistung. Ist diese Behandlungsart die Kriterien der Evidenz basierten Medizin erfüllen?"

6

Der erkennende Senat lässt es offen, ob die Klägerin mit dem ersten Satz eine Rechtsfrage klar formuliert. Mit Satz Zwei formuliert die Klägerin allenfalls bei wohlwollender Auslegung die Frage, ob auch diese Behandlungsart die Kriterien der evidenzbasierten Medizin erfüllen muss. Die Klägerin setzt sich aber schon nicht damit auseinander, dass die Frage nach den Therapiemöglichkeiten für ein einzelnes Leiden und dem darauf bezogenen krankenversicherungsrechtlichen Behandlungsanspruch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung regelmäßig keine Rechtsfrage von "grundsätzlicher" Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 9; BSG Beschluss vom 14.5.2007 - B 1 KR 16/07 B - Juris RdNr 6 mwN und hierzu BVerfG Beschluss 1. Senat 3. Kammer vom 28.8.2007 - 1 BvR 1964/07).

7

Sie legt im Übrigen nicht hinreichend dar, wieso ihre Fragen klärungsbedürftig sein sollen. Das Bedürfnis für die Klärung einer Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren fehlt, wenn ihre Beantwortung nach der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung keinem vernünftigen Zweifel unterliegt, die Frage also "geklärt" ist (vgl zB BSG Beschluss vom 21.10.2010 - B 1 KR 96/10 B - RdNr 7 mwN). Die Klägerin verweist hierzu bloß darauf, dass eine Rechtsfrage, über die bereits höchstrichterlich entschieden worden ist, wieder klärungsbedürftig werden kann, wenn der Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 S 19 mwN). Sie vernachlässigt aber, dass die Erfüllung dieser Voraussetzungen im Rahmen der Beschwerdebegründung ebenfalls darzulegen ist (vgl zB BSG Beschluss vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - Juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 30.6.2015 - B 1 KR 30/15 B - RdNr 7 mwN). Daran fehlt es.

8

Die Klägerin verweist lediglich auf ein abweichendes LSG-Urteil, wonach im Bereich der stationären Leistungserbringung die Kriterien der evidenzbasierten Medizin nicht erfüllt sein müssen (Hessisches LSG vom 5.2.2013 - L 1 KR 391/12 - Juris RdNr 20). Sie legt aber schon nicht dar, dass der zutreffend vom LSG zitierten später ergangenen Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 7.5.2013 BSGE 113, 241 = SozR 4-2500 § 13 Nr 29, RdNr 23 mwN) in nicht geringfügigem Umfang widersprochen worden sei.

9

2. Die Klägerin legt auch die für eine Zulassung wegen Verfahrensfehlers (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG) notwendigen Voraussetzungen nicht in der gesetzlich gebotenen Weise dar. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 36). Wer sich auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG stützt, muss daher ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten (vgl zB BSG Beschluss vom 20.7.2010 - B 1 KR 29/10 B - RdNr 5 mwN; BSG Beschluss vom 1.3.2011 - B 1 KR 112/10 B - mwN).

10

Die Klägerin legt schon nicht dar, dass sie mit dem "Antrag, ein lymphologisches Sachverständigengutachten einzuholen", nicht nur eine Beweiserhebung angeregt, sondern einen formellen Beweisantrag iS von §§ 373, 404 ZPO iVm § 118 SGG gestellt hat, wie es geboten ist. Denn sie geht nicht darauf ein, dass sie - in der mündlichen Verhandlung anwaltlich vertreten - überhaupt ein Beweisthema benannt hat. Sie erfüllt mit ihrem Vorbringen auch nicht die weiteren aufgezeigten Anforderungen.

11

3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

12

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Masuch
Prof. Dr. Hauck
Coseriu

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