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Bundessozialgericht
Beschl. v. 27.08.2015, Az.: B 3 KR 15/15 B
Anspruch auf Krankengeld; Grundsatzrüge; Bestätigung vorhandener Rechtsprechung; Fortbestehende Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 27.08.2015
Referenz: JurionRS 2015, 25329
Aktenzeichen: B 3 KR 15/15 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Rheinland-Pfalz - 04.09.2014 - AZ: L 5 KR 281/13

SG Koblenz - AZ: S 8 KR 255/11

BSG, 27.08.2015 - B 3 KR 15/15 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. Ein Vortrag dahingehend, "dass der eindeutig grundlegenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu folgen sei", entspricht in keiner Hinsicht den Darlegungserfordernissen einer Grundsatzrüge.

2. Es geht nicht darum, dass das BSG im angestrebten Revisionsverfahren eine bereits vorhandene Rechtsprechung bestätigt.

3. Klärungsbedürftigkeit ist grundsätzlich nicht (mehr) gegeben, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage höchstrichterlich bereits entschieden ist.

4. Um eine fortbestehende Klärungsbedürftigkeit darzutun, muss in solchen Fällen unter Auswertung der bisherigen Rechtsprechung des BSG substantiiert vorgetragen werden, dass neue, bisher noch nicht berücksichtigte Argumente bestehen oder dass gegen die Entscheidung des BSG von dritter Seite, etwa im Schrifttum, in nicht unerheblichem Umfang Kritik vorgebracht worden ist.

in dem Rechtsstreit

Az: B 3 KR 15/15 B

L 5 KR 281/13 (LSG Rheinland-Pfalz)

S 8 KR 255/11 (SG Koblenz)

...............................................,

Klägerin und Beschwerdeführerin,

Prozessbevollmächtigter: ...............................................,

gegen

AOK Rheinland-Pfalz/Saarland - Die Gesundheitskasse,

Virchowstraße 30, 67304 Eisenberg,

Beklagte und Beschwerdegegnerin.

Der 3. Senat des Bundessozialgerichts hat am 27. August 2015 durch den Richter S c h r i e v e r als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Dr. O p p e r m a n n und Dr. W a ß e r

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 4. September 2014 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Gründe

I

1

Im Streit steht der Anspruch auf Krankengeld (Krg) im Zeitraum vom 14.12.2010 bis zum 7.6.2011.

2

Die 1972 geborene, bei der Beklagten versicherte Klägerin war als Bürokauffrau bis zum 30.4.2010 beschäftigt. Das SG Koblenz hat die Beklagte verurteilt, ihr Krg für die Zeit vom 17.11.2010 bis zum 13.12.2010 zu gewähren und hat im Übrigen die Klage abgewiesen (Urteil vom 15.7.2013). Die hiergegen von der Klägerin eingelegte Berufung hat das LSG zurückgewiesen (Urteil vom 4.9.2014). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Anspruch auf Krg sei nach Ablauf des Zeitraums von 78 Wochen (§ 48 Abs 1 Satz 1 SGB V) am 13.12.2010 erschöpft. Seit 15.6.2009 sei die Klägerin wegen eines psychischen/psychosomatischen Leidens und einer Gastritis arbeitsunfähig gewesen. Wegen der in der Klinik für Psychosomatik in B. behandelten psychischen/psychosomatischen Erkrankung habe Arbeitsunfähigkeit (AU) bis zum 30.4.2010, dem letzten Tag des Beschäftigungsverhältnisses, bestanden. Nach dem Entlassungsbericht der Klinik von April 2010 sei die Klägerin zur weiteren Ausübung dieser Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen außerstande gewesen. Der gegenteiligen Einschätzung ihrer Ärztin in der Bescheinigung vom 20.9.2010, wonach schon im Zeitpunkt des Endes des Heilverfahrens keine AU wegen der psychischen/psychosomatischen Symptomatik mehr vorgelegen habe, folge der Senat nicht. Der Zeitraum von 78 Wochen sei weder durch das hinzugetretene Karpaltunnelsyndrom - weshalb die Klägerin vom 21.4.2010 bis 16.11.2010 arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei - zu verlängern, noch durch das bekannte Hautleiden, das erst seit 16.11.2010 zusätzlich AU verursacht habe. Für die fehlende Verlängerung der Leistungsdauer des Krg nach § 48 Abs 1 Satz 2 SGB V spreche, dass das - zur psychischen Erkrankung hinzugetretene - Karpaltunnelsyndrom und das Hautleiden zumindest an einem Tag (am 16.11.2010) gleichzeitig AU verursacht haben. Dieses Ergebnis entspreche der Zweckbestimmung von § 48 SGB V (Hinweis auf BSG vom 8.11.2005 - B 1 KR 27/04 R - SozR 4-2500 § 48 Nr 3). Danach beruhe die Begrenzung der Leistungsdauer des Krg auf der Erwägung, Anreizen entgegenzuwirken, das Krg zweckwidrig als Dauerleistung mit Rentenersatzfunktion in Anspruch zu nehmen. Die Gesamtheit der die AU begründenden Leiden - einschließlich hinzugetretener Erkrankungen im Rechtssinne - sei daher als eine einheitlich zu beurteilende Krankheit anzusehen, wenn die Erkrankungen zumindest an einem Tag zeitgleich AU verursacht haben (vgl BSG aaO).

3

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und auf Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).

II

4

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und der Rechtsprechungsabweichung nicht formgerecht dargetan sind (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

5

1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).

6

Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.

7

Die Klägerin hält für grundsätzlich bedeutsam die Fragen:

"inwieweit nachträgliche Beurteilungen der Arbeitsfähigkeit/Arbeitsunfähigkeit bei der Beurteilung des Vorliegens von Ausnahmen vom Grundsatz der unbegrenzten Leistungsdauer des § 48 SGB V herangezogen werden können",

"ob in diesem Zusammenhang der Vertrauensschutz des Versicherten auf eine zuerst erteilte Bescheinigung höher zu bewerten ist als eine Ausweitung der abschließenden Regelung, da aus Sicht des Versicherten ansonsten keine Rechtssicherheit darüber bestehen kann, ob noch weiterer Krankengeldbezug beansprucht werden kann oder nicht."

8

Hierzu führt die Klägerin aus, dass aus ihrer Sicht "eindeutig grundlegend der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu folgen" sei. Ihre Ansicht widerspreche auch nicht der zu § 48 SGB V ergangenen Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf Urteile vom 8.11.2005 - B 1 KR 27/04 R - BSG SozR 4-2500 § 48 Nr 3 und vom 21.6.2011 - B 1 KR 15/10 R - BSG SozR 4-2500 § 48 Nr 4). Bereits aus den im Urteil vom 8.11.2005 (aaO) mitgeteilten Gründen spreche alles dafür, "der bisherigen Rechtsprechung des BSG zu folgen" (so S 7 der Beschwerdebegründung). Daher komme der Rechtssache unter dem "Gesichtspunkt der Rechtssicherheit" grundsätzliche Bedeutung zu (S 8 aaO).

9

Dieses Vorbringen entspricht in keiner Hinsicht den aufgezeigten Darlegungserfordernissen. Es geht nicht darum, dass das BSG im angestrebten Revisionsverfahren eine bereits vorhandene Rechtsprechung bestätigt. Klärungsbedürftigkeit ist grundsätzlich nicht (mehr) gegeben, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage höchstrichterlich bereits entschieden ist (stRspr, vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8). Um eine fortbestehende Klärungsbedürftigkeit darzutun, muss in solchen Fällen unter Auswertung der bisherigen Rechtsprechung des BSG substantiiert vorgetragen werden, dass neue, bisher noch nicht berücksichtigte Argumente bestehen oder dass gegen die Entscheidung des BSG von dritter Seite, etwa im Schrifttum, in nicht unerheblichem Umfang Kritik vorgebracht worden ist (stRspr, vgl nur BSG SozR 1500 § 160a Nr 65). Daran fehlt es vorliegend. Im Übrigen bleibt auch die Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Fragen offen, weil die Klägerin den vom LSG festgestellten Sachverhalt nicht nachvollziehbar dargelegt hat und daher unklar bleibt, ob die Fragen im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich wären.

10

Das weitere Vorbringen, das LSG sei "von falschen Tatsachen" ausgegangen, weil es verkannt habe, dass zwei unterschiedliche Entlassungsscheine der Klinik vorgelegen hätten und das LSG fälschlicherweise auf den korrigierten Entlassungsschein vom 29.4.2010 abgestellt habe, der der Klägerin bei Entlassung am 20.4.2010 AU bescheinigt habe, kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Dieser Vortrag ist unerheblich, weil die Klägerin keinen Verfahrensfehler des LSG im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gerügt hat (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Die vom LSG festgestellten, nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Tatsachen sind daher für das Revisionsgericht bindend (§ 163 SGG).

11

Im Ergebnis rügt die Klägerin sinngemäß, dass das LSG ihrer Ansicht nach den Rechtsstreit unzutreffend entschieden habe. Für die Zulassung der Revision im Beschwerdeverfahren kommt es hierauf nicht an, insbesondere nicht, ob die Beurteilung des Berufungsgerichts zutrifft, oder ob die Subsumtion unter die einschlägigen Rechtssätze fehlerhaft ist. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht schon deshalb gegeben, weil das LSG die Sache vermeintlich falsch entschieden hat (vgl nur BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

12

2. Die Klägerin hat auch den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht ordnungsgemäß aufgezeigt.

13

Divergenz liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn das Urteil des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet dies: Die Beschwerdebegründung muss erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in der in Bezug genommenen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht. Ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das BSG die oberstgerichtliche Rechtsprechung im Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (stRspr, vgl zum Ganzen: BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 10 RdNr 4; BSG SozR 1500 § 160a Nr 67 S 89 ff; BSG SozR 1500 § 160a Nr 14 S 22).

14

Die Klägerin trägt hierzu vor, das angefochtene Urteil weiche von den zitierten Urteilen des BSG vom 8.11.2005 und vom 21.6.2011 (vgl BSG aaO) ab. Hierzu nimmt sie lediglich Bezug auf ihre Ausführungen, die sie im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt hat. Diesen Ausführungen sind aber keine abstrakten, einander widersprechenden Rechtssätze zu entnehmen. Insofern enthält die Beschwerdebegründung Wiedergaben aus Passagen des Urteils des LSG (S 2, 3 der Beschwerdebegründung) und ein Zitat aus dem Urteil des BSG vom 8.11.2005 (BSG aaO, S 5 der Beschwerdebegründung). Es bleibt offen, woraus sich die entscheidungserhebliche Divergenz zwischen einem abstrakten Rechtssatz des BSG und einem solchen des LSG ergeben soll. Dies wäre in der Beschwerdebegründung aber klar und deutlich anzugeben gewesen. Es ist nicht Aufgabe des Bundesgerichts, sich hierzu die jeweiligen Elemente und Ausführungen aus der Beschwerdebegründung selbst herauszusuchen (stRspr, vgl BSG vom 30.1.2014 - B 12 R 13/13 B; vom 19.11.2012 - B 13 R 260/12 B; vom 17.11.2000 - B 4 RA 97/00 B; alle veröffentlicht in Juris).

15

Der Senat war auch nicht verpflichtet, der Bitte des Prozessbevollmächtigten der Klägerin nachzukommen und einen richterlichen Hinweis zu erteilen, falls weiterer Sachvortrag erforderlich sei. Ein Rechtsanwalt muss in der Lage sein, ohne Hilfe durch das Gericht eine Nichtzulassungsbeschwerde ordnungsgemäß zu begründen (vgl BSG vom 21.7.2010 - B 7 AL 60/10 B - Juris; vom 28.1.2014 - B 13 R 31/13 R - BeckRS 2014, 67335 mwN). Gerade dies ist ein Grund für den Vertretungszwang vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG. Überdies wäre weiterer Sachvortrag innerhalb der bis einschließlich zum 19.2.2015 verlängerten Begründungsfrist (§ 160a Abs 2 Satz 2 SGG) kaum möglich gewesen, weil die Beschwerdebegründung erst am letzten Tag der - nicht erneut verlängerbaren - Frist beim BSG eingegangen ist.

16

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

17

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

18

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.

Schriever
Dr. Oppermann
Dr. Waßer

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