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Bundessozialgericht
Beschl. v. 16.07.2015, Az.: B 12 KR 5/15 B
Berücksichtigung von Einmalzahlungen bei der Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung; Verletzung des Gleichheitssatzes; Verfahrensmangel im unmittelbar vorangehenden Rechtszug
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 16.07.2015
Referenz: JurionRS 2015, 23391
Aktenzeichen: B 12 KR 5/15 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Baden-Württemberg - 12.11.2014 - AZ: L 5 KR 3259/13

SG Konstanz - AZ: S 8 KR 2558/12

BSG, 16.07.2015 - B 12 KR 5/15 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. Wird in der Beschwerde eine Verletzung des Gleichheitssatzes geltend gemacht, muss die Beschwerdebegründung unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG - im Einzelnen aufzeigen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll.

2. Ein Verfahrensmangel i.S. von § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug.

in dem Rechtsstreit

Az: B 12 KR 5/15 B

L 5 KR 3259/13 (LSG Baden-Württemberg)

S 8 KR 2558/12 (SG Konstanz)

...............................................,

Klägerin und Beschwerdeführerin,

Prozessbevollmächtigter: ...............................................,

gegen

1. Techniker Krankenkasse,

Bramfelder Straße 140, 22305 Hamburg,

2. Techniker Krankenkasse Pflegeversicherung,

Bramfelder Straße 140, 22305 Hamburg,

Beklagte und Beschwerdegegnerinnen.

Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat am 16. Juli 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dr. K r e t s c h m e r sowie den Richter Prof. Dr. B e r n s d o r f f und die Richterin Dr. K ö r n e r

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 12. November 2014 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob Einmalzahlungen, die die Klägerin aus zwei Direktversicherungen (Kapitallebensversicherungen) erhalten hat, der Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und sozialen Pflegeversicherung (SPV) unterliegen.

2

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 12.11.2014 ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

3

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

4

Die Klägerin beruft sich in ihrer Beschwerdebegründung vom 19.3.2015 auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und das Vorliegen eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).

5

1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).

6

Es bestehen bereits erhebliche Zweifel, ob die Klägerin mit ihren unter den Gliederungspunkten I. Nr 1 bis 7 der Beschwerdebegründung aufgeworfenen Fragen abstrakt-generelle Rechtsfragen - zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit von konkreten revisiblen Normen des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht - formuliert (vgl allgemein BSG Beschluss vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; BSG Beschluss vom 21.7.2010 - B 5 R 154/10 B - BeckRS 2010, 72088 RdNr 10; BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7) oder nicht tendenziell verdeckte Tatsachenfragen stellt zur Subsumtion ihres individuellen Falls unter die Voraussetzungen der einschlägigen Rechtsnormen. Die Bezeichnung von abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfragen ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihnen die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 181).

7

Dies bedarf jedoch keiner weiteren Erörterung. Die Klägerin legt jedenfalls die Klärungsbedürftigkeit der von ihr formulierten Fragen - ihre Qualität als Rechtsfragen unterstellt - nicht in der gebotenen Weise dar. Insbesondere genügt die Beschwerdebegründung bereits deshalb nicht den oben genannten Anforderungen, weil sie sich zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit schon nicht hinreichend mit der Rechtslage auseinandersetzt. Dies wäre aber erforderlich gewesen, um darzulegen, dass die vermeintlichen Rechtsfragen nicht bereits nach dem aktuellen Stand von Rechtsprechung und Lehre oder unmittelbar aus dem Gesetz heraus beantwortet werden können bzw darzutun, dass - obwohl eine konkret bezeichnete Frage noch nicht höchstrichterlich entschieden wurde - sich auch aus der bisherigen Rechtsprechung des BSG keine hinreichenden Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Klägerin als grundsätzlich bedeutsam herausgestellten Fragen ergeben. Die Klägerin setzt sich nicht einmal ansatzweise mit der umfangreichen, auch vom LSG zitierten Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zur Beitragspflicht von Kapitalleistungen aus Direktversicherungen auseinander (vgl BVerfG SozR 4-2500 § 229 Nr 5; BSG Urteil vom 25.4.2007 - B 12 KR 25/05 R - Juris; BSG Urteil vom 12.12.2007 - B 12 KR 6/06 R - Juris; BSG Urteil vom 25.4.2012 - SozR 4-2500 § 229 Nr 16). Dies wäre insbesondere auch zu den von der Klägerin aufgeworfenen und bereits höchstrichterlich entschiedenen Fragen der Zulässigkeit einer unechten Rückwirkung des § 229 Abs 1 S 3 SGB V und fehlender Übergangsvorschriften (vgl BVerfG SozR 4-2500 § 229 Nr 5) sowie der Beitragspflicht von Versicherten der GKV, die noch nicht Rentner sind (vgl BSG Urteil vom 25.4.2012 - SozR 4-2500 § 229 Nr 16), angezeigt gewesen.

8

Die Klägerin wirft darüber hinaus die Frage des Vorliegens einer Ungleichbehandlung auf, weil Einmalzahlungen aus Direktversicherungen vor und solche ab dem 1.1.2004 unterschiedlich bei der Beitragsbemessung behandelt würden. Dabei unterlässt sie indessen bereits eine nachvollziehbare Darstellung der vermeintlich ungleich behandelten Sachverhalte. Wird in der Beschwerde eine Verletzung des Gleichheitssatzes geltend gemacht, muss die Beschwerdebegründung unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG - im Einzelnen aufzeigen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (BSGE 40, 158 [BSG 22.08.1975 - 11 BA 8/75] = SozR 1500 § 160a Nr 11; ferner zB BSG Beschluss vom 8.12.2008 - B 12 R 38/07 B - Juris RdNr 7 mwN). Entsprechende Ausführungen sind der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.

9

Sollte sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde (auch) dagegen wenden, dass sie aufgrund der Nachforderung von Beiträgen für zurückliegende Zeiträume möglicherweise insgesamt höhere Beiträge zur GKV zu leisten hatte als sie nach der Beitragsbemessungsgrenze zulässig wären, wendet sie sich gegen die inhaltliche Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Hierauf kann jedoch - wie oben bereits ausgeführt - eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.

10

2. Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSGE 2, 81, 82; 15, 169, 172 = SozR Nr 3 zu § 52 SGG). Neben der Geltendmachung eines solchen Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils im Sinne einer für den Beschwerdeführer günstigen Entscheidung besteht (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4 mwN). Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG (BSG SozR Nr 79 zu § 162 SGG; BSG SozR 1500 § 160 Nr 33). Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht.

11

Die Klägerin rügt, das LSG habe in seinem Urteil vom 12.11.2014 auf ein erst später eingegangenes Schreiben der Beklagten mit Datum vom 4.12.2014 Bezug genommen. Dies verstoße gegen die gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich des gesetzlichen Richters und des fairen Verfahrens. Mit diesem Vortrag hat die Klägerin einen entscheidungserheblichen Verfahrensmangel nicht hinreichend bezeichnet. Aus der Beschwerdebegründung erschließt sich nicht, in welchem Sachzusammenhang und mit welchem Inhalt die Bezugnahme des LSG auf das Schreiben vom 4.12.2014 erfolgt sein soll. Vielmehr beschränkt sich das Vorbringen der Klägerin auf die Behauptung, allein aufgrund des zeitlichen Ablaufs beruhe das Urteil des Berufungsgerichts auf dem geltend gemachten Fehler. Damit bleibt aber unklar, inwiefern ohne Bezugnahme auf das Schreiben vom 4.12.2014 die Möglichkeit einer für die Klägerin günstigeren Entscheidung bestanden hätte.

12

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

13

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dr. Kretschmer
Prof. Dr. Bernsdorff
Dr. Körner

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