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Bundessozialgericht
Beschl. v. 01.07.2015, Az.: B 5 R 136/15 B
Rente wegen Erwerbsminderung; Sachverständiger Zeuge; Merkmal eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags; Recht auf zusätzliche Vernehmung eines Sachverständigen
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 01.07.2015
Referenz: JurionRS 2015, 20433
Aktenzeichen: B 5 R 136/15 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Baden-Württemberg - 30.03.2015 - AZ: L 4 R 4418/14

SG Ulm - AZ: S 13 R 1299/13

BSG, 01.07.2015 - B 5 R 136/15 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. Der sachverständige Zeuge i.S. von § 118 Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 414 ZPO ist ein Zeuge, der sein Wissen von bestimmten vergangenen Tatsachen oder Zuständen bekundet, zu deren Wahrnehmung eine besondere Sachkunde erforderlich war und die er nur kraft dieser besonderen Sachkunde ohne Zusammenhang mit einem gerichtlichen Gutachtenauftrag wahrgenommen hat.

2. Merkmal eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags ist die Behauptung einer bestimmten Tatsache und die Angabe des Beweismittels für diese.

3. Im Rahmen eines Rentenverfahrens muss sich ein Beweisantrag daher möglichst präzise mit dem Einfluss dauerhafter Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das verbliebene Leistungsvermögen befassen.

4. Das Recht auf zusätzliche Vernehmung eines Sachverständigen steht den Beteiligten grundsätzlich nur hinsichtlich solcher Gutachten zu, die in derselben Instanz eingeholt worden sind, es sei denn, dass das vorinstanzliche Gericht dem Antrag auf Anhörung des Sachverständigen verfahrensfehlerhaft nicht nachgekommen ist.

in dem Rechtsstreit

Az: B 5 R 136/15 B

L 4 R 4418/14 (LSG Baden-Württemberg)

S 13 R 1299/13 (SG Ulm)

............................................,

Klägerin und Beschwerdeführerin,

Prozessbevollmächtigte: .............................................,

gegen

Deutsche Rentenversicherung Bund,

Ruhrstraße 2, 10709 Berlin,

Beklagte und Beschwerdegegnerin.

Der 5. Senat des Bundessozialgerichts hat am 1. Juli 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dr. B e r c h t o l d , die Richterin Dr. G ü n n i k e r und den Richter Dr. K o l o c z e k

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 30. März 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Gründe

1

Mit Beschluss vom 30.3.2015 hat das LSG Baden-Württemberg einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung verneint.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf Verfahrensmängel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG und Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG.

3

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.

4

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),

- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder

- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).

5

Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

6

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Beschlusses besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

7

Die Klägerin rügt zum einen eine Verletzung des § 109 SGG. Hierauf kann indes nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.

8

Ferner macht die Klägerin eine Verletzung des § 103 SGG geltend.

9

Hierzu trägt sie vor, mit Schriftsatz vom 17.2.2015 beantragt zu haben, den Sachverständigen Dr. K. und ihre behandelnden Ärzte Dr. Ma. und Dr. Me. als sachverständige Zeugen zu vernehmen. Diesen Anträgen sei das LSG zu Unrecht nicht gefolgt. Darüber hinaus hätte das Berufungsgericht ggf von Amts wegen ein weiteres psychiatrisches Gutachten einholen müssen.

10

Mit diesem Vorbringen ist ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht nicht schlüssig bezeichnet.

11

Eine Vernehmung des Dr. K. als sachverständiger Zeuge kommt nicht in Betracht. Der sachverständige Zeuge iS von § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 414 ZPO ist ein Zeuge, der sein Wissen von bestimmten vergangenen Tatsachen oder Zuständen bekundet, zu deren Wahrnehmung eine besondere Sachkunde erforderlich war und die er nur kraft dieser besonderen Sachkunde ohne Zusammenhang mit einem gerichtlichen Gutachtenauftrag wahrgenommen hat (vgl BVerwGE 71, 38, 42 mwN). Dr. K. hat aber nach der Beschwerdebegründung im Auftrag des erstinstanzlichen Gerichts ein Gutachten gemäß § 109 SGG erstellt.

12

Soweit die Klägerin eine Verletzung des § 103 SGG wegen der unterbliebenen Vernehmung des Arztes Dr. Ma. und der Ärztin Dr. Me. rügt, hat sie versäumt aufzuzeigen, im Berufungsverfahren prozessordnungsgemäße Beweisanträge gestellt zu haben.

13

Merkmal eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags ist die Behauptung einer bestimmten Tatsache und die Angabe des Beweismittels für diese (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6 mwN). Im Rahmen eines Rentenverfahrens muss sich ein Beweisantrag daher möglichst präzise mit dem Einfluss dauerhafter Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das verbliebene Leistungsvermögen befassen. Diesen Anforderungen ist nicht genügt.

14

In dem in der Beschwerdebegründung in Bezug genommenen Schriftsatz vom 17.2.2015 hat die Klägerin lediglich ausgeführt, die Ärztin Dr. Me. werde bestätigen können, dass sie, die Klägerin, nicht mehr arbeiten könne. Ferner sei auch Dr. Ma. im Hinblick auf ihren Gesundheitszustand zu vernehmen. Beiden Erklärungen ist jedenfalls nicht zu entnehmen, welche konkreten Gesundheitsstörungen der Klägerin zu einer rentenrelevanten Einschränkung ihres Leistungsvermögens führen.

15

Soweit die Klägerin schließlich eine Verletzung des § 103 SGG geltend macht, weil das LSG kein weiteres psychiatrisches Sachverständigengutachten von Amts wegen eingeholt habe, behauptet sie noch nicht einmal, einen Beweisantrag gestellt zu haben. Zwar muss ein Kläger auch im Berufungsverfahren zur Erreichung einer sachgerechten Entscheidung seines Rechtsstreits zunächst keine Beweisanträge stellen, weil das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen hat. Vertraut er aber darauf und unterlässt er deshalb Beweisanträge, so kann er später im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht geltend machen, das LSG habe nicht gesetzmäßig gehandelt (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 127). § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG bestimmt - wie bereits oben ausgeführt - ausdrücklich, dass eine Nichtzulassungsbeschwerde nur dann auf eine Verletzung des § 103 gestützt werden kann, wenn ein Beweisantrag vor dem LSG gestellt worden ist, dem das Berufungsgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

16

Die Klägerin rügt darüber hinaus einen Verstoß des LSG gegen § 116 S 2, § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO. Hierzu trägt sie vor, durch die unterbliebene Anhörung des Sachverständigen Dr. K. und des weiter von ihr benannten Sachverständigen Dr. M. sowie die unterlassene Vernehmung des Arztes Dr. Ma. und der Ärztin Dr. Me. sei ihr Fragerecht als Ausfluss ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör verletzt.

17

Auch mit diesem Vortrag ist ein Verfahrensfehler nicht schlüssig dargetan.

18

Das Fragerecht im Sinne der genannten Vorschriften setzt voraus, dass ein vom Gericht beauftragter Sachverständiger ein Gutachten erstellt hat bzw das Gericht Zeugen vernimmt. Darüber hinaus steht das Recht auf zusätzliche Vernehmung eines Sachverständigen den Beteiligten grundsätzlich nur hinsichtlich solcher Gutachten zu, die in derselben Instanz eingeholt worden sind, es sei denn, dass das vorinstanzliche Gericht dem Antrag auf Anhörung des Sachverständigen verfahrensfehlerhaft nicht nachgekommen ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 2; vgl auch BGH Beschluss vom 10.5.2005 - VI ZR 245/04 - Juris RdNr 3). Die Beschwerdebegründung gibt schon nicht an, dass die Klägerin eine Anhörung des erstinstanzlich bestellten Sachverständigen Dr. Kölsch bereits im Klageverfahren vor dem SG beantragt habe. Hinsichtlich der gerügten Nichtanhörung des Sachverständigen Dr. M. führt die Klägerin selbst aus, dass dieser mangels Beauftragung des LSG kein Gutachten erstellt hat. Ebenso ist der Beschwerdebegründung zu entnehmen, dass der Arzt Dr. Ma. und die Ärztin Dr. Me. nicht als Zeugen von dem Berufungsgericht vernommen worden sind.

19

Soweit die Klägerin des Weiteren eine Verletzung des § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 411 Abs 3 ZPO rügt, fehlt es jedenfalls an nachvollziehbaren Darlegungen, warum einzig die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Sachverständigen Dr. K. ermessensfehlerfrei gewesen sein sollte.

20

Ebenso wenig legt die Klägerin einen Verstoß gegen § 153 Abs 4 SGG ordnungsgemäß dar.

21

Nach S 1 dieser Vorschrift kann das LSG, außer in den Fällen des § 105 Abs 2 S 1 SGG, die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Gemäß § 153 Abs 4 S 2 SGG sind die Beteiligten vorher zu hören. Ein Einverständnis der Beteiligten mit einer Entscheidung durch Beschluss setzt § 153 Abs 4 SGG nicht voraus. Die Beschwerdebegründung gibt nicht an, dass die Voraussetzungen des S 1 nicht vorliegen oder eine Anhörung der Klägerin iS des S 2 unterblieben ist.

22

Damit ist gleichzeitig nicht dargetan, dass das Berufungsgericht durch die Entscheidung nach § 153 Abs 4 SGG den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör iS des § 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG verletzt und gegen Art 101 Abs 1 GG verstoßen habe.

23

Die Klägerin beruft sich schließlich auf den Zulassungsgrund der Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG.

24

Hierzu trägt sie vor: Das LSG verweise darauf, dass sie, die Klägerin, erstinstanzlich bereits einmal vom Antragsrecht nach § 109 SGG Gebrauch gemacht habe und besondere Umstände, die ausnahmsweise eine wiederholte Antragstellung nach § 109 SGG rechtfertigten, nicht vorlägen. Dem stehe die eindeutige Rechtsprechung des BSG entgegen (Beschlüsse vom 31.7.1957 - SozR SGG § 109 Nr 6, vom 29.11.1957 - SozR SGG § 109 Nr 14 - und vom 6.5.1958 - SozR SGG § 109 Nr 18; Urteil vom 22.6.1977 - SozR 1500 § 109 Nr 1).

25

Mit diesem Vorbringen rügt die Klägerin letztlich wiederum eine Verletzung des § 109 SGG. Wie bereits oben ausgeführt, kann ein geltend gemachter Verfahrensmangel jedoch nicht auf eine Verletzung dieser Vorschrift gestützt werden (vgl § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG). Diese gesetzliche Vorgabe kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass die Rüge der Verletzung des § 109 SGG in die Gestalt einer Divergenzrüge gekleidet wird.

26

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

27

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.

Dr. Berchtold
Dr. Günniker
Dr. Koloczek

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