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Bundessozialgericht
Beschl. v. 19.05.2015, Az.: B 12 KR 53/14 B
Beitragshöhe in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung; Grundsatzrüge; Geltendmachung der Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen oder untergesetzlichen Regelung; Bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 19.05.2015
Referenz: JurionRS 2015, 23388
Aktenzeichen: B 12 KR 53/14 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Berlin-Brandenburg - 28.03.2014 - AZ: L 1 KR 355/11

SG Berlin - AZ: S 36 KR 682/11

Rechtsgrundlage:

§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG

BSG, 19.05.2015 - B 12 KR 53/14 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. Die Geltendmachung der Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen oder untergesetzlichen Regelung kann Gegenstand einer Grundsatzrüge sein, jedoch muss sie dann hinreichend klar in den jeweiligen gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Kontext eingeordnet werden.

2. Dazu bedarf es indessen substanzieller Argumentation und dazu gehört die Erörterung der Ausgestaltung und des Bedeutungsgehalts der in Frage stehenden Normen sowie die Auseinandersetzung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

3. Die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit genügt hierfür nicht, vielmehr sind eindeutige erläuternde Ausführungen und eine sorgfältige Analyse der Rechtsprechung des BSG und des BVerfG geboten.

in dem Rechtsstreit

Az: B 12 KR 53/14 B

L 1 KR 355/11 (LSG Berlin-Brandenburg)

S 36 KR 682/11 (SG Berlin)

.........................................,

Kläger und Beschwerdeführer,

gegen

1. DAK-Gesundheit,

Nagelsweg 27 - 31, 20097 Hamburg,

2. DAK-Gesundheit-Pflegekasse,

Nagelsweg 27 - 31, 20097 Hamburg,

Beklagte und Beschwerdegegnerinnen.

Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat am 19. Mai 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dr. K r e t s c h m e r sowie den Richter Dr. K a l t e n s t e i n und die Richterin Dr. K ö r n e r

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. März 2014 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich der als selbstständiger Rechtsanwalt und Notar tätige, bei der Beklagten zu 1. freiwillig krankenversicherte und der Beklagten zu 2. in der sozialen Pflegeversicherung pflichtversicherte Kläger gegen die Höhe der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung im Zeitraum 1.9.2010 bis 30.11.2011.

2

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 28.3.2014 ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

3

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

4

Der Kläger beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 3.7.2014 allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).

5

1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).

6

Der Kläger formuliert auf Seite 3 seiner Beschwerdebegründung die "Rechtsfrage, ob das 3-Stufen-Modell nach § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 der vom GKV Spitzenverband am 27. Oktober 2008 erlassenen 'einheitlichen Grundsätzen' zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitglieder sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge nach den festgesetzten Mindestbemessungsgrenzen auch ohne Rechtsgrundlage für einen belastenden Verwaltungsakt rechtmäßig war."

7

Er ist der Ansicht, § 240 Abs 4 SGB V könne den mit der Einführung der allgemeinen Pflicht zur Krankenversicherung verbundenen "Eingriff in Art. 12 GG, 3 GG" - der darin liege, dass das Recht der freiwillig versicherten Mitglieder entfallen sei, zu wählen, ob sie überhaupt eine Krankenversicherung abschließen - nicht ausgleichen, da die Mindestbeitragsbemessungsgrenzen bereits vor Einführung der allgemeinen Versicherungspflicht bestanden hätten. Dies gelte ebenso für die Verweigerung eines vertikalen Verlustausgleichs. § 240 Abs 2 S 1 "SGG" (gemeint wohl: SGB V) widerspreche "der Festsetzung von Mindestbemessungsgrenzen, dass ein freiwilliges Mitglied bei der Beitragsbemessung nicht geringer belastet werden darf als ein vergleichbarer versicherungspflichtiger Beschäftigter". Es verstoße gegen die vorgenannten GG-Regelungen, dass ein versicherungspflichtig Beschäftigter bei monatlichen Einnahmen bis 4050 Euro abgestufte Beiträge zu zahlen habe, während ein freiwillig Versicherter mit Einnahmen bis zu 2073,75 Euro monatlich stets den gleichen Beitrag leisten müsse. Er beanstandet des Weiteren ua die Rechtsprechung des BSG, wonach als Einkommensnachweis freiwillig Versicherter nur der Einkommensteuerbescheid in Betracht komme, dass die Beitragsbemessungsgrenze gegen die genannten GG-Vorschriften verstoße, dass die Sonderregelung für selbstständige Bezieher von SGB III-Förderleistungen gleichheitswidrig sei, dass auch Versicherte mit Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung an sich nach dem 3-Stufen-Modell verbeitragt werden müssten sowie, dass die Beklagte für Auszubildende, Rentner und Studenten Geringverdienergrenzen festsetze, nicht jedoch bei Selbstständigen bzw Versicherten mit Einnahmen aus Kapitalerträgen.

8

Die Beschwerdebegründung erfüllt damit nicht die Darlegungsanforderungen für eine Grundsatzrüge (vgl hierzu exemplarisch BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Der Kläger formuliert insoweit überwiegend schon keine abstrakt-generellen Rechtsfragen - zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht (vgl dazu allgemein BSG Beschluss vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; BSG Beschluss vom 21.7.2010 - B 5 R 154/10 B - BeckRS 2010, 72088 RdNr 10; BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7) -, sondern macht - festgemacht an mehreren unterschiedlichen Einzelpunkten - im Kern lediglich die Unrichtigkeit des angegriffenen LSG-Urteils geltend. Die Bezeichnung abstrakter, aus sich heraus verständlichen Rechtsfragen ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 181).

9

Auch soweit es die vom Kläger aufgeworfene, oben zitierte "Rechtsfrage" anbelangt, werden die Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG indessen nicht erfüllt. Selbst wenn man annähme, dass es sich dabei um eine aus sich heraus verständliche Frage zur Auslegung revisiblen Rechts handelt, leidet das Vorbringen darunter, dass sich die Beschwerdebegründung im Rahmen der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit schon nicht hinreichend mit der Rechtslage auseinandersetzt. Dies wäre aber erforderlich gewesen, um darzulegen, dass die vermeintliche Rechtsfrage nicht bereits nach dem aktuellen Stand von Rechtsprechung und Lehre beantwortet werden kann bzw darzutun, dass - obwohl eine konkret bezeichnete Frage noch nicht höchstrichterlich entschieden wurde - sich auch aus der bisherigen Rechtsprechung des BSG keine hinreichenden Anhaltspunkte zur Beurteilung der vom Beschwerdeführer als grundsätzlich bedeutsam herausgestellten Rechtsfrage ergeben. Zwar kann auch eine Frage, mit der inzident die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen oder untergesetzlichen Regelung - wie vom Kläger - geltend gemacht wird, Gegenstand einer Grundsatzrüge sein, jedoch muss sie dann hinreichend klar in den jeweiligen gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Kontext eingeordnet werden. Dazu bedarf es indessen substanzieller Argumentation und dazu gehört die Erörterung der Ausgestaltung und des Bedeutungsgehalts der in Frage stehenden Normen sowie die Auseinandersetzung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit genügt hierfür nicht, vielmehr sind eindeutige erläuternde Ausführungen und eine sorgfältige Analyse der Rechtsprechung des BSG und des BVerfG geboten (vgl zum Ganzen zB Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160a RdNr 14e mit umfangreichen Rechtsprechungsnachweisen). Dem wird der Kläger nicht gerecht, sondern beschränkt sich auf pauschale Rechtsbehauptungen, ohne (bis auf eine Ausnahme) auf die umfangreiche, teilweise auch vom LSG zitierte Rechtsprechung des BSG zu § 240 SGB V und zu den Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler näher einzugehen und ohne die Rechtsprechung des BVerfG zu Art 3 Abs 1 GG und zu Art 12 GG sowie zur Verfassungsmäßigkeit von Regelungen des Rechts der GKV zu den Mindestbemessungsgrenzen für freiwillig versicherte selbstständig Erwerbstätige in den Blick zu nehmen.

10

2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

11

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dr. Kretschmer
Dr. Kaltenstein
Dr. Körner

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