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Bundessozialgericht
Beschl. v. 29.04.2015, Az.: B 13 R 373/14 B
Rente wegen Erwerbsminderung; Anspruch auf Überprüfung eines Sachverständigengutachtens durch Obergutachten; Einander entgegenstehende Gutachten
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 29.04.2015
Referenz: JurionRS 2015, 16497
Aktenzeichen: B 13 R 373/14 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Baden-Württemberg - 20.08.2014 - AZ: L 2 R 2562/13

SG Karlsruhe - AZ: S 16 R 2428/11

BSG, 29.04.2015 - B 13 R 373/14 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. Ein allgemeiner Anspruch auf Überprüfung eines Sachverständigengutachtens durch ein sog. Obergutachten existiert nicht.

2. Vielmehr ist es Aufgabe des Tatsachengerichts, sich im Rahmen der Beweiswürdigung mit einander entgegenstehenden Gutachten auseinanderzusetzen.

3. Hält das Gericht eines von mehreren Gutachten für überzeugend, darf es sich diesem grundsätzlich anschließen, ohne ein weiteres Gutachten einholen zu müssen.

in dem Rechtsstreit

Az: B 13 R 373/14 B

L 2 R 2562/13 (LSG Baden-Württemberg)

S 16 R 2428/11 (SG Karlsruhe)

........................,

Kläger und Beschwerdeführer,

Prozessbevollmächtigte: .................................................,

gegen

Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg,

Gartenstraße 105, 76135 Karlsruhe,

Beklagte und Beschwerdegegnerin.

Der 13. Senat des Bundessozialgerichts hat am 29. April 2015 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. S c h l e g e l , den Richter G a s s e r und die Richterin Dr. O p p e r m a n n

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20. August 2014 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

Mit Urteil vom 20.8.2014 hat das LSG Baden-Württemberg das Urteil des SG Karlsruhe vom 22.5.2013 insoweit aufgehoben, als es die Beklagte zur Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1.8.2006 bis 31.7.2014 sowie zur Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung für die Zeit ab 1.8.2006 auf Dauer verurteilt hat. Es hat die Klage insgesamt abgewiesen und die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

2

Die gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil eingelegte Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung vom 17.12.2014 genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund des Verfahrensfehlers nicht ordnungsgemäß aufgezeigt worden ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG).

3

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

4

Wird - wie vorliegend - ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) gerügt, muss die Beschwerdebegründung hierzu folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zur weiteren Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf einer angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme von seinem Standpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (zum Ganzen s Senatsbeschluss vom 12.12.2003 - BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN).

5

Der Kläger trägt vor, er habe den im Schriftsatz vom 13.8.2014 gestellten Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung des LSG vom 20.8.2014 ausdrücklich aufrechterhalten, ohne dass das LSG diesem Antrag nachgegangen sei. Hilfsweise habe er in der mündlichen Verhandlung beantragt, eine aktuelle, fachneurologische Begutachtung unter Beachtung neuer Befunde in Auftrag zu geben. Soweit sich der Kläger zum genauen Inhalt ausdrücklich auf den protokollierten Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung bezieht (Beschwerdebegründung S 3), lautet dieser wie folgt: "... hilfsweise eine aktuelle, fachärztliche neurologische Untersuchung in Auftrag zu geben, in der zu den Befunden des Dr. B. im Gutachten vom 24.4.2012 dezidiert Stellung zu nehmen sei, insbesondere dazu, welchen der gutachterlichen Auffassungen (Dr. C. - und Dr. B.) aus welchen Gründen zu folgen sei, insbesondere aus welchen Gründen im Einzelnen den Schlussfolgerungen des Gutachtens von Dr. B. vom 24.4.2012 nicht zu folgen sei". Das LSG habe diesen hilfsweise gestellten Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass die Prozessordnung keine sog "Obergutachten" vorsehe (Beschwerdebegründung S 3).

6

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger mit diesem Vortrag einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag dargelegt hat. Zur formgerechten Bezeichnung eines Verfahrensmangels fehlt es bereits an ausreichender Darlegung, aus welchem Grund sich das Berufungsgericht von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus zur Einholung eines weiteren Gutachtens hätte gedrängt sehen müssen.

7

Ein allgemeiner Anspruch auf Überprüfung eines Sachverständigengutachtens durch ein sog Obergutachten existiert nicht (stRspr, vgl zB Senatsbeschluss vom 23.5.2006 - B 13 RJ 272/05 B - Juris RdNr 5, 11). Vielmehr ist es Aufgabe des Tatsachengerichts, sich im Rahmen der Beweiswürdigung mit einander entgegenstehenden Gutachten auseinanderzusetzen. Hält das Gericht eines von mehreren Gutachten für überzeugend, darf es sich diesem grundsätzlich anschließen, ohne ein weiteres Gutachten einholen zu müssen (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 8).

8

Der Kläger hätte daher näher ausführen müssen, weshalb sich das LSG nicht auf das Gutachten des Prof. Dr. W. vom 26.3.2014 hätte stützen dürfen, etwa weil die Begutachtung grobe Mängel oder innere Widersprüche aufweise oder nicht alle vorliegenden Unterlagen berücksichtigt worden seien (vgl hierzu BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 9 f und Nr 21 RdNr 9) und inwiefern es aus diesem Grund eines "Obergutachtens" bedurft hätte (vgl BSG vom 31.1.2013 - B 5 R 374/12 B - BeckRS 2013, 66977 RdNr 11, 12).

9

Daran fehlt es, wenn der Kläger vorträgt, dass die aktuelle Begutachtung auf neurologischem Fachgebiet "lediglich auf der Nachbefundung der MRT-Aufnahmen der Lendenwirbelsäule vom 19.5.2008 beruhe". Die Aufnahmen seien zum Zeitpunkt der Entscheidung des LSG sechs Jahre alt gewesen und könnten daher nicht zur Entscheidung über die Beurteilung des Gesundheitszustandes des Klägers im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung herangezogen werden, zumal sich aus den von ihm vorgelegten aktuellen Befunden von Juli 2014 Einschränkungen der Nervenwurzel L 1 ergäben, die der Sachverständige bisher nicht berücksichtigt habe. Mit diesem Vortrag ist aber die Mangelhaftigkeit des Gutachtens Prof. Dr. W. im aufgezeigten Sinne nicht hinreichend dargelegt. Aus den in der Beschwerdebegründung wiedergegebenen Inhalten der aktuellen Befunde (dort S 3 Abs 2, S 4 Abs 2 und Abs 4) wird bereits in keiner Weise deutlich, weshalb sich das LSG zu weiteren Sachverhaltsermittlungen hätte gedrängt sehen müssen. Überdies trägt der Kläger selbst vor, dass Prof. Dr. W. "elektrophysiologische sowie eine klinische Untersuchung" durchgeführt habe. Für den Senat ist es daher nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund neue MRT-Aufnahmen für die Beurteilung einer radikulären Nervenwurzelreizsymptomatik erforderlich gewesen sein sollten. Schließlich ist auch dem - oben wiedergegebenen - Beweisantrag aus dem Schriftsatz vom 13.8.2014 nicht zu entnehmen, dass dort eine weitere Begutachtung mit aktuellen MRT-Aufnahmen beantragt worden sei. Im Kern seines Vorbringens geht es dem Kläger sinngemäß darum, die Schlüssigkeit abweichender Beurteilungen durch einen neuen Sachverständigen überprüfen zu lassen, was der Kläger nach den aufgezeigten Maßstäben nicht verlangen kann.

10

Soweit der Kläger eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG iVm Art 103 Abs 1 GG) rügt, enthält die Beschwerdebegründung hierzu keine Darlegungen. Daher ist auch insofern ein Verfahrensfehler nicht hinreichend bezeichnet. Wenn der Kläger überdies der Ansicht ist, dass revisionsrechtlich zu überprüfen wäre, ob eine in der Schweiz gewährte Invalidenrente von 70% für den zuletzt ausgeübten Beruf auch Relevanz für das deutsche Rentenversicherungsrecht habe (S 6 der Beschwerdebegründung), fehlt es an hinreichender Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG).

11

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 SGG).

12

Die nicht formgerecht begründete Beschwerde ist gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen.

13

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Prof. Dr. Schlegel
Gasser
Dr. Oppermann

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