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Bundessozialgericht
Beschl. v. 28.04.2015, Az.: B 12 R 36/14 B
Versicherungspflicht eines GmbH-Gesellschafters in der gesetzlichen Rentenversicherung; Grundsatzrüge; Höchstrichterlich geklärte Rechtsfrage ohne ausdrückliche Entscheidung
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 28.04.2015
Referenz: JurionRS 2015, 18745
Aktenzeichen: B 12 R 36/14 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Nordrhein-Westfalen - 14.05.2014 - AZ: L 8 R 311/13

Rechtsgrundlage:

§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG

BSG, 28.04.2015 - B 12 R 36/14 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. Als höchstrichterlich geklärt muss eine Rechtsfrage auch dann angesehen werden, wenn das Revisionsgericht sie zwar für einzelne Berufsgruppen oder bestimmte Tätigkeitsfelder und Fallkonstellationen noch nicht ausdrücklich entschieden hat, zur Auslegung der anzuwendenden gesetzlichen Vorschrift jedoch schon viele höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben.

2. Hier kommt es dann in der Regel (lediglich) auf die Anwendung der von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze auf einen bestimmten Sachverhalt an.

3. Ergeben sich hinsichtlich der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage Zweifel, muss die Beschwerde diese ausräumen.

4. Hierzu gehört auch, die bereits vorliegende höchstrichterliche Rechtsprechung auf (gemeinsame) Beurteilungsgesichtspunkte hin zu untersuchen oder in der gebotenen Weise Widersprüche und damit Klärungsbedarf herauszuarbeiten.

in dem Rechtsstreit

Az: B 12 R 36/14 B

L 8 R 311/13 (LSG Nordrhein-Westfalen)

S 29 R 1177/12 (SG Köln)

....................................,

Klägerin und Beschwerdeführerin,

Prozessbevollmächtigte: ..........................................,

gegen

Deutsche Rentenversicherung Bund,

Ruhrstraße 2, 10709 Berlin,

Beklagte und Beschwerdegegnerin,

beigeladen:

1. ..............................,

Prozessbevollmächtigte: ...........................................,

2. Kaufmännische Krankenkasse - KKH,

Karl-Wiechert-Allee 61, 30625 Hannover,

3. Bundesagentur für Arbeit,

Regensburger Straße 104, 90478 Nürnberg,

4. Pflegekasse bei der Kaufmännischen Krankenkasse - KKH,

Karl-Wiechert-Allee 61, 30625 Hannover.

Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat am 28. April 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dr. K r e t s c h m e r sowie den Richter B e c k und die Richterin Dr. K ö r n e r

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. Mai 2014 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit für die Klägerin als "Director Finance and Operations" in der Zeit vom 1.9.2011 bis 16.12.2012 aufgrund (abhängiger) Beschäftigung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

2

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 14.5.2014 ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

3

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

4

1. Die Klägerin beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 30.12.2014 ausschließlich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Hierzu muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).

5

Die Klägerin wirft auf Seite 2 der Beschwerdebegründung folgende Frage auf:

"Ist die Rechtsmacht eines GmbH-Gesellschafters, der über die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft verfügt und in der Gesellschaft angestellt, jedoch nicht zum Geschäftsführer bestellt ist, der einer Sperrminorität vergleichbar, wenn sein Geschäftsanteil in Höhe von 50 % treuhänderisch durch einen weiteren, ebenfalls zu 50 % am Stammkapital der GmbH beteiligten GmbH-Gesellschafter Geschäftsführer verwaltet wird, dieser aber durch notarielle Regelung an Anweisungen des GmbH-Gesellschafters gebunden ist, so dass der GmbH-Gesellschafter nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur GmbH steht."

6

Das BSG habe für GmbH-Gesellschafter, die über mindestens die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft verfügten und damit einen maßgebenden Einfluss auf deren Entscheidung besäßen, grundsätzlich ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zur GmbH verneint (Hinweis auf BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 5). Bei Vorliegen einer Sperrminorität gehe die ständige Rechtsprechung des BSG bei einem Kapitalanteil von 50 % an der GmbH davon aus, dass dann ein entscheidender Einfluss auf die Geschicke der GmbH sowie insbesondere die Rechtsmacht bestehe, Beschlüsse zu verhindern, die sich nachteilig auf das Dienstverhältnis auswirkten, so dass in diesen Fällen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis von vornherein auszuschließen sei. Wer kraft seiner Gesellschafterrechte die für das Arbeitnehmerverhältnis typische Abhängigkeit von einem Arbeitgeber vermeiden könne, könne nicht Arbeitnehmer der Gesellschaft sein. Der Beigeladene zu 1. habe eine, einer Sperrminorität vergleichbare, Rechtsmacht besessen, die es ihm ermöglicht habe, Beschlüsse zu verhindern, die sich nachteilig auf sein Dienstverhältnis auswirkten. Diese Rechtsmacht habe dem Beigeladenen zu 1. trotz des Treuhandvertrages zugestanden, da dieser Treuhandvertrag vorgesehen habe, dass der Treuhänder - der GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer - an Anweisungen des Treugebers - also des Beigeladenen zu 1. - gebunden sei.

7

Die Beschwerdebegründung erfüllt die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge nicht (vgl hierzu allgemein BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

8

a) Es bestehen bereits Zweifel daran, ob die Klägerin überhaupt eine abstrakt-generelle Rechtsfrage - zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht - formuliert hat (vgl allgemein BSG vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; BSG vom 21.7.2010 - B 5 R 154/10 B - BeckRS 2010, 72088 RdNr 10; BSG vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7). Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 181). Dies kann jedoch offenbleiben, denn jedenfalls genügt die Beschwerdebegründung den Anforderungen an die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage - ihre Qualität als hinreichend konkrete, in einem späteren Revisionsverfahren prüfbare Rechtsfrage unterstellt - nicht. Als höchstrichterlich geklärt muss eine Rechtsfrage auch dann angesehen werden, wenn das Revisionsgericht sie zwar für einzelne Berufsgruppen oder bestimmte Tätigkeitsfelder und Fallkonstellationen noch nicht ausdrücklich entschieden hat, zur Auslegung der anzuwendenden gesetzlichen Vorschrift jedoch schon viele höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben. Hier kommt es dann in der Regel (lediglich) auf die Anwendung der von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze auf einen bestimmten Sachverhalt an (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 22). Ergeben sich hinsichtlich der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage Zweifel, muss die Beschwerde diese ausräumen. Hierzu gehört auch, die bereits vorliegende höchstrichterliche Rechtsprechung auf (gemeinsame) Beurteilungsgesichtspunkte hin zu untersuchen oder in der gebotenen Weise Widersprüche und damit Klärungsbedarf herauszuarbeiten. Dies unterlässt die Klägerin trotz der umfangreichen Hinweise des LSG auf die aktuelle Rechtsprechung des BSG.

9

b) Schließlich wird die Beschwerdebegründung auch den Anforderungen an die Darlegung der Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Frage nicht gerecht: Die Klägerin befasst sich insbesondere nicht damit, dass die Zuordnung einer Tätigkeit zum rechtlichen Typus der (abhängigen) Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit nach deren Gesamtbild vorzunehmen ist und voraussetzt, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (stRspr, vgl nur BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 25 mwN). Demzufolge beachtet sie nicht die sich hieraus für die Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der von ihr formulierten Frage ergebenden Konsequenzen: Weil das LSG sein Ergebnis auf eine Gesamtabwägung verschiedener Indizien gegründet hat (vgl insbesondere Seite 13 und 18 des Berufungsurteils), hätte die Klägerin alle vom LSG in die Abwägung eingestellten Gesichtspunkte sowie deren jeweilige vom LSG vorgenommene Gewichtung benennen und darlegen müssen, dass sich durch die von ihr favorisierte Beantwortung der formulierten Frage das Gewicht der vom LSG in die vorgenommene Gesamtabwägung eingestellten Indizien so zu ihren (der Klägerin) Gunsten verschieben würde, dass entgegen dem Abwägungsergebnis des LSG eine Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. nicht mehr angenommen werden könnte. Zur Erfüllung entsprechender Darlegungserfordernisse genügt es nicht, dass die Klägerin ihre Frage nach der Bedeutung eines "Treuhandverhältnisses" zwischen dem Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. als weiteren Gesellschafter derart zuspitzt, dass sie nur in Form eines "entweder/oder" beantwortet werden kann (so Seite 4 der Beschwerdebegründung: "in diesen Fällen [ist] ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis von vornherein auszuschließen."). Vielmehr hätte die Klägerin insbesondere die vom LSG zur Ausgestaltung des "Treuhandverhältnisses" konkret festgestellten Tatsachen insgesamt darstellen, im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Unterwerfung des Beigeladenen zu 1. unter Weisungen des Gesellschafter-Geschäftsführers der Klägerin rechtlich bewerten und ihrem hieraus folgenden Gewicht entsprechend zusammen mit allen anderen vom LSG festgestellten Indizien (insbesondere: keine Stellung des Beigeladenen zu 1. als Mit-Geschäftsführer der Klägerin, umfassende Eingliederung des Beigeladenen zu 1. in die Betriebsorganisation) in die Abwägung einstellen müssen. Denn nur anhand des vom LSG konkret mit Bindungswirkung für das BSG festgestellten Inhalts eines "Treuhandverhältnisses" kann - dessen grundsätzliche Eignung zur Ablösung eines Weisungsrechts (der Klägerin folgend) unterstellt - beurteilt werden, ob dieses im Einzelfall entscheidungserheblich sein kann.

10

2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG; zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer solchen Verfahrensweise vgl BVerfG [Kammer] Beschluss vom 8.12.2010 - 1 BvR 1382/10 - NJW 2011, 1497).

11

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.

12

4. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 und 3 GKG.

Dr. Kretschmer
Beck
Dr. Körner

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