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Bundessozialgericht
Beschl. v. 23.04.2015, Az.: B 13 R 55/15 B
Rente wegen Erwerbsminderung; Begründung einer Divergenz; Vortrag tatsächlicher Umstände zur Bezeichnung eines Verfahrensmangels
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 23.04.2015
Referenz: JurionRS 2015, 15830
Aktenzeichen: B 13 R 55/15 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Niedersachsen-Bremen - 27.11.2014 - AZ: L 12 R 85/13

SG Oldenburg - AZ: S 82 R 606/11

BSG, 23.04.2015 - B 13 R 55/15 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. Zur Bezeichnung einer Divergenz sind entscheidungstragende Rechtssätze aus dem Berufungsurteil sowie aus einer höchstrichterlichen Entscheidung einander gegenüberzustellen; zudem ist näher zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht.

2. Nicht ausreichend ist hingegen, wenn die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht in Frage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend gemacht wird (bloße Subsumtionsrüge), denn nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ermöglicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz.

3. Zur Bezeichnung eines Verfahrensmangels müssen die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann.

in dem Rechtsstreit

Az: B 13 R 55/15 B

L 12 R 85/13 (LSG Niedersachsen-Bremen)

S 82 R 606/11 (SG Oldenburg)

..................................,

Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer,

Prozessbevollmächtigter: .........................................,

gegen

Deutsche Rentenversicherung Oldenburg-Bremen,

Huntestraße 11, 26135 Oldenburg,

Beklagte und Beschwerdegegnerin.

Der 13. Senat des Bundessozialgerichts hat am 23. April 2015 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. S c h l e g e l sowie die Richter G a s s e r und Dr. K a l t e n s t e i n

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. November 2014 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt A. aus W. beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

I

1

Das LSG Niedersachsen-Bremen hat im Urteil vom 27.11.2014 einen Anspruch des im Jahr 1962 geborenen Klägers, der im Zeitraum von 2002 bis Ende 2009 bereits - mehrfach befristet - Rente wegen Erwerbsminderung bezogen hatte, auf seinen Antrag vom Januar 2011 hin erneut Rente wegen Erwerbsminderung zu erhalten, verneint. Das Berufungsgericht ist aufgrund der durchgeführten sozialmedizinischen Ermittlungen zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger mit bestimmten, jedoch nicht außergewöhnlichen qualitativen Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könne. Anhaltspunkte für eine schwere spezifische Leistungsbehinderung bestünden ebenso wenig wie Hinweise auf erhebliche Arbeitsunfähigkeitszeiten, sodass es nicht erforderlich sei, eine Verweisungstätigkeit zu benennen.

2

Der Kläger macht mit seiner beim BSG erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten Urteil eine Rechtsprechungsabweichung sowie einen Verfahrensmangel geltend. Zugleich beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwalt A. aus W..

II

3

1. Der PKH-Antrag ist abzulehnen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 ZPO). Denn die bereits von einem Rechtsanwalt erhobene und begründete Nichtzulassungsbeschwerde erfüllt nicht die insoweit vorgeschriebenen formellen Voraussetzungen (dazu näher unter 2.). Damit entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 121 Abs 1 ZPO).

4

2. Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Beschwerdebegründung vom 5.3.2015, ergänzt am 17.4.2015, genügt nicht der vorgeschriebenen Form, denn er hat weder eine Divergenz noch einen Verfahrensmangel formgerecht dargelegt.

5

a) Der Kläger hat eine Rechtsprechungsabweichung nicht ordnungsgemäß bezeichnet (§ 160 Abs 2 Nr 2 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG).

6

Hierzu sind entscheidungstragende Rechtssätze aus dem Berufungsurteil sowie aus einer höchstrichterlichen Entscheidung einander gegenüberzustellen; zudem ist näher zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht (stRspr, vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 10 RdNr 4, Nr 13 RdNr 17). Nicht ausreichend ist hingegen, wenn die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht in Frage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend gemacht wird (bloße Subsumtionsrüge), denn nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ermöglicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz (BSG SozR 1500 § 160a Nr 67 S 91; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 f).

7

Den genannten Anforderungen wird das Vorbringen des Klägers nicht gerecht. Dieser macht geltend, das Berufungsgericht habe sich in Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des BSG zu § 43 SGB VI gesetzt, weil es trotz zahlreicher erheblicher qualitativer Leistungseinschränkungen lediglich pauschal erklärt habe, es lägen keine außergewöhnlichen Leistungseinschränkungen vor. Hierzu zitiert er umfangreich aus verschiedenen Entscheidungen des BSG (Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996 - BSGE 80, 24 [BSG 19.12.1996 - GS - 2/95] = SozR 3-2600 § 44 Nr 8; Urteil des 5. Senats vom 9.5.2012 - SozR 4-2600 § 43 Nr 18; Urteil des erkennenden 13. Senats vom 19.10.2011 - BSGE 109, 189 = SozR 4-2600 § 43 Nr 16; Senatsbeschluss vom 31.10.2012 - SozR 4-2600 § 43 Nr 19) und führt aus, das angefochtene Urteil werde den in diesen Entscheidungen aufgestellten Anforderungen nicht gerecht, weil das LSG deren Bedeutung verkannt habe. Einen abstrakt-generellen Rechtssatz, den das LSG in Abweichung von einem konkret bezeichneten Rechtssatz des BSG aufgestellt habe, hat er jedoch nicht benannt. Sein Vorbringen erschöpft sich vielmehr in dem Vorhalt, das LSG habe die Rechtsprechung des BSG im Einzelfall "verkannt" bzw fehlerhaft angewandt, weil es bei zutreffender Gesamtschau aller Umstände von einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen hätte ausgehen müssen. Das geht über eine - unbeachtliche - Subsumtionsrüge nicht hinaus.

8

b) Auch einen Verfahrensmangel hat der Kläger nicht in der erforderlichen Weise dargetan (§ 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG).

9

Hierzu müssen die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4, Nr 21 RdNr 4 - jeweils mwN; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 202 ff). Zu beachten ist aber, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG) und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 3 SGG).

10

Auch diesen Erfordernissen wird das Vorbringen des Klägers nicht gerecht. Er rügt, das LSG habe die Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) verletzt, weil es von ihm gezielt gestellte Beweisanträge übergangen habe, obwohl es sich zu weiterer Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen. Zur Darlegung eines solchen Verfahrensmangels muss die Beschwerdebegründung folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne weiteres auffindbaren, bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zur weiteren Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf einer angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme von seinem Standpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (zum Ganzen s Senatsbeschluss vom 12.12.2003 - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN).

11

Hier fehlt es bereits an dem erstgenannten Erfordernis. Der Kläger führt zwar aus, er habe (nach zahlreichen vorangegangenen Beweisanträgen im Verlauf des Berufungsverfahrens) im Verhandlungstermin am 27.11.2014 ausweislich des Sitzungsprotokolls ausdrücklich beantragt, "den medizinischen Sachverhalt unter Berücksichtigung der Berichte R. vom 23.09.2014 und Dr. A. vom 13.10.2014 weiter aufzuklären und zur Frage der Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes ein berufskundliches Sachverständigengutachten einzuholen". Dabei handelt es sich aber nicht um prozessordnungsgemäße Beweisanträge iS von § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 403 ZPO, welche eine bestimmte Tatsachenbehauptung enthalten sowie das zu ihrem Nachweis heranzuziehende Beweismittel benennen müssen (Senatsbeschluss vom 12.12.2003 - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6 mwN; s auch Fichte SGb 2000, 653, 654, 656 f). Dies liegt hinsichtlich des Antrags, "den medizinischen Sachverhalt ... weiter aufzuklären", auf der Hand, denn ihm mangelt es sowohl an einer konkreten - leistungsbezogenen - Tatsachenbehauptung als auch an der Bezeichnung eines Beweismittels zu deren Überprüfung.

12

Aber auch der Antrag, ein berufskundliches Sachverständigengutachten einzuholen, genügt den Anforderungen nicht. Er benennt zwar das Beweismittel, lässt aber eine hinreichend konkrete Tatsachenbehauptung - die "zu begutachtenden Punkte" iS von § 403 ZPO - nicht erkennen. Hierzu hätte angegeben werden müssen, für welche Ausprägung und Kombination leistungseinschränkender Merkmale vom berufskundlichen Sachverständigen ermittelt werden soll, ob Arbeitsplätze in hinreichender Zahl auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Im Übrigen hat der Kläger selbst ausgeführt, das LSG habe seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass bei ihm keine außergewöhnlichen qualitativen Leistungseinschränkungen vorlägen. Weshalb es sich auf dieser Grundlage hätte gedrängt fühlen müssen, ein berufskundliches Gutachten zu der Frage einzuholen, ob für den Kläger die Arbeitsplätze des allgemeinen Arbeitsmarktes für körperlich leichte Tätigkeiten versperrt sind, hat er jedoch nicht aufgezeigt (vgl hierzu Senatsurteil vom 19.10.2011 - BSGE 109, 189 [BSG 19.10.2011 - B 13 R 78/09 R] = SozR 4-2600 § 43 Nr 16 RdNr 33 f; BSG Urteil vom 9.5.2012 - SozR 4-2600 § 43 Nr 18 RdNr 27).

13

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

14

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

15

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.

Prof. Dr. Schlegel
Gasser
Dr. Kaltenstein

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