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Bundessozialgericht
Beschl. v. 15.04.2015, Az.: B 9 BL 1/15 BH
Blindengeld nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz; Grundsatzrüge; Klärungsbedürftige Rechtsfrage; Begriff der faktischen Blindheit
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 15.04.2015
Referenz: JurionRS 2015, 15008
Aktenzeichen: B 9 BL 1/15 BH
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Bayern - 20.01.2015 - AZ: L 15 BL 16/12

SG Augsburg - AZ: S 5 BL 15/11

BSG, 15.04.2015 - B 9 BL 1/15 BH

Redaktioneller Leitsatz:

1. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt.

2. Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig sein; das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn die Antwort darauf von vornherein praktisch außer Zweifel steht oder bereits höchstrichterlich entschieden ist.

3. Die Frage der Ausgliederung von Benennungsstörungen aus dem Begriff der faktischen Blindheit ist nach der Rechtsprechung des BSG bereits geklärt.

in dem Rechtsstreit

Az: B 9 BL 1/15 BH

L 15 BL 16/12 (Bayerisches LSG)

S 5 BL 15/11 (SG Augsburg)

...............................................,

Klägerin und Antragstellerin,

Prozessbevollmächtigter: ...............................................,

gegen

Freistaat Bayern,

vertreten durch das Zentrum Bayern Familie und Soziales,

Hegelstraße 2, 95447 Bayreuth,

Beklagter.

Der 9. Senat des Bundessozialgerichts hat am 15. April 2015 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. S c h l e g e l sowie die Richter O t h m e r und Dr. R ö h l

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landesozialgerichts vom 20. Januar 2015 - L 15 BL 16/12 - Prozesskostenhilfe zu bewilligen unter Beiordnung von Rechtsanwalt P. aus A., wird abgelehnt.

Gründe

I

1

Mit Urteil vom 20.1.2015 hat das Bayerische LSG einen Anspruch der Klägerin als Rechtsnachfolgerin ihres Ehemannes, des am 16.3.2014 verstorbenen Antragstellers L. S., auf Blindengeld nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz verneint, weil bei dem Antragsteller eine erforderliche spezifische Störung des Sehvermögens im Hinblick auf andere Sinnesmodalitäten nicht habe festgestellt werden können. Diese sei nach der Rechtsprechung des BSG aber Voraussetzung für die Anerkennung von Blindheit im Sinne des Bayerischen Blindengeldgesetzes. Nach dieser Rechtsprechung (Entscheidungen vom 31.1.1995 - 1 RS 1/93 - SozR 3-5920 §1 Nr 1, vom 26.10.2004 - B 7 SF 2/03 R - SozR 4-5921 Art 1 Nr 1 und vom 20.7.2005 - B 9a BL 1/05 R - BSGE 95, 76 = SozR 4-5921 Art 1 Nr 2) ständen auch cerebrale Schäden, die - für sich allein oder im Zusammenwirken mit Beeinträchtigungen des Sehorgans - zu einer Beeinträchtigung des Sehvermögens führten, der Annahme von Blindheit nicht grundsätzlich entgegen. Allerdings sei in Abgrenzung vor allem zu Störungen aus dem Bereich der seelisch-geistigen Behinderung zu differenzieren, ob das Sehvermögen, dh das Sehen - bzw Erkennen können - beeinträchtigt sei, oder ob - bei vorhandener Sehfunktion - (nur) eine zentrale Verarbeitungsstörung vorliege, bei der das Geschehene nicht richtig identifiziert bzw mit früheren visuellen Erinnerungen verglichen werden könne, die also nicht (schon) das Erkennen, sondern (erst) das Benennen betreffe. Ausfälle allein des Benennen-Könnens erfüllten mithin die Voraussetzungen von Blindheit nicht. Aus Sicht des Senats sei es zwar nicht völlig auszuschließen, dass das Sehvermögen des Antragstellers noch wesentlich stärker beeinträchtigt gewesen sein könnte als die weiteren Wahrnehmungsmodalitäten. Dafür fehle es aber jedenfalls am notwendigen Beweis, weitere zielführende Ermittlungsmöglichkeiten seien nicht mehr gegeben.

2

Die Klägerin begehrt, ihr für ihre Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung des sie vertretenden Prozessbevollmächtigten zu gewähren.

II

3

Der Antrag auf PKH ist abzulehnen. Es kann offenbleiben, ob die Klägerin, wie gemäß § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 ZPO voraussetzt, nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann. Nach den genannten Vorschriften kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG jedenfalls nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das ist hier nicht der Fall. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen.

4

Gemäß § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist hier weder nach dem Vorbringen der Klägerin noch nach summarischer Prüfung des Streitstoffes festzustellen.

5

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 11, 39). Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig sein. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn die Antwort darauf von vornherein praktisch außer Zweifel steht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 4) oder bereits höchstrichterlich entschieden ist (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 13, 65). Rechtsfragen, die in diesem Sinne grundsätzliche Bedeutung haben könnten, sind hier nicht ersichtlich.

6

Insbesondere ist die Frage der Ausgliederung von Benennungsstörungen aus dem Begriff der faktischen Blindheit nach der Rechtsprechung des BSG geklärt. Auf diese Rechtsprechung hat sich bereits das LSG in seiner Entscheidung bezogen (vgl hierzu auch Dau, jurisPR-SozR 24/2009 Anm 4).

7

Eine Zulassung nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG scheidet ebenfalls aus. Die danach erforderliche Abweichung (Divergenz) ist gegeben, wenn das angefochtene Urteil auf einer bestimmten Rechtsauffassung beruht, die zu der in einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG zugrunde gelegten Rechtsansicht in Widerspruch steht. Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Die Vorinstanz hat sich an der Rechtsprechung des BSG orientiert.

8

Schließlich ist auch kein Verfahrensmangel ersichtlich, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte. Sofern die Klägerin eine mangelhafte Aufklärung des Sachverhalts oder eine fehlerhafte Beweiswürdigung des LSG rügen wollte, könnte sie damit keine Revisionszulassung erreichen. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Während Angriffe gegen die Beweiswürdigung des LSG im Sinne von § 128 Abs 1 S 1 SGG damit von vornherein für die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde ausscheiden, ist hier auch kein Beweisantrag ersichtlich, den das LSG unter Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) übergangen haben könnte. Wie das LSG in seiner Entscheidung vom 20.1.2015 selbst ausgeführt hat, war es auch nicht an einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 SGG durch den Berichterstatter als Einzelrichter zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern gehindert, weil die anwaltlich vertretene Klägerin dieser Vorgehensweise ausdrücklich zugestimmt hat.

9

Da der Klägerin nach alledem PKH nicht zusteht, kann sie auch nicht die Beiordnung ihres sie vertretenden Rechtsanwaltes beanspruchen (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 ZPO).

Prof. Dr. Schlegel
Othmer
Dr. Röhl

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