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Bundessozialgericht
Beschl. v. 30.03.2015, Az.: B 13 R 383/14 B
Höhere Alters- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente; Darlegung einer Divergenz; Gegenüberstellung sich widersprechender Rechtssätze; Bezeichnung der Rechtssätze in der Beschwerdebegründung
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 30.03.2015
Referenz: JurionRS 2015, 14596
Aktenzeichen: B 13 R 383/14 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Hessen - 19.09.2014 - AZ: L 5 R 100/14

SG Fulda - AZ: S 1 R 318/12

BSG, 30.03.2015 - B 13 R 383/14 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. Es mangelt an der Darlegung einer Divergenz, wenn ein Kläger es versäumt hat, einen tragenden abstrakten Rechtssatz aus dem Urteil des BSG einem sich widersprechenden, tragenden abstrakten Rechtssatz aus dem Urteil des LSG gegenüberzustellen.

2. Hierfür reicht es nicht aus, vorzutragen, das LSG habe die Entscheidung des BSG nicht berücksichtigt bzw. das angefochtene Berufungsurteil verstoße gegen das Urteil des BSG.

3. Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, sich aus den umfänglichen Ausführungen in der Beschwerdebegründung einen geeigneten Rechtssatz herauszusuchen; dieser muss vielmehr klar und deutlich der Beschwerdebegründung zu entnehmen sein.

in dem Rechtsstreit

Az: B 13 R 383/14 B

L 5 R 100/14 (Hessisches LSG)

S 1 R 318/12 (SG Fulda)

.................................,

Klägerin und Beschwerdeführerin,

Prozessbevollmächtigte: .............................................,

gegen

Deutsche Rentenversicherung Bund,

Ruhrstraße 2, 10709 Berlin,

Beklagte und Beschwerdegegnerin.

Der 13. Senat des Bundessozialgerichts hat am 30. März 2015 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. S c h l e g e l sowie den Richter Dr. K a l t e n s t e i n und die Richterin Dr. O p p e r m a n n

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 19. September 2014 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

Das Hessische LSG hat mit Urteil vom 19.9.2014 einen Anspruch der Klägerin auf höhere Alters- bzw Erwerbsunfähigkeitsrente verneint.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil hat die Klägerin beim BSG Beschwerde eingelegt. Sie beruft sich auf eine Rechtsprechungsabweichung und auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.

3

Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung vom 27.11.2014 genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, denn sie hat die Zulassungsgründe der Divergenz und der grundsätzlichen Bedeutung nicht ordnungsgemäß dargetan (vgl § 160 Abs 2 Nr 1 und 2 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG).

4

1. Divergenz liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn das Urteil des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet dies: Die Beschwerdebegründung muss erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in der in Bezug genommenen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht. Ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das BSG die oberstgerichtliche Rechtsprechung im Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (stRspr, vgl zum Ganzen: BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 10 RdNr 4; BSG SozR 1500 § 160a Nr 67 S 89 ff; BSG SozR 1500 § 160a Nr 14 S 22).

5

Die Klägerin trägt vor, die Beklagte habe ihre Arbeitsleistung vom 1.1.1980 bis 30.6.1997 bei der Rentenberechnung nicht ausreichend berücksichtigt. Die Beklagte sei weder bei der Gewährung der Alters- noch der Erwerbsunfähigkeitsrente von zutreffenden Berechnungsgrundlagen ausgegangen. Daher verlange sie eine Neuberechnung ihrer Renten ab 1.7.1997. Das LSG habe die Voraussetzungen des Zugunstenverfahrens (§ 44 Abs 1 SGB X) unzutreffend verneint. Es habe übersehen, dass auch der Bescheid vom 17.7.2003 Gegenstand des Zugunstenverfahrens geworden sei. Insoweit habe das LSG ihren Vortrag im Schriftsatz vom 25.9.2013 zur erheblichen Unbilligkeit des in diesem Bescheid zugrunde gelegten Jahresarbeitsverdienstes offensichtlich nicht zur Kenntnis genommen und daher die Entscheidung des BSG vom 16.12.1970 (BSGE 32, 169 [BSG 16.12.1970 - 2 RU 239/68] = SozR Nr 2 zu § 571 RVO) zur Ermittlung des Jahresarbeitsverdienstes nach billigem Ermessen (§ 577 RVO, § 87 SGB VII) außer Acht gelassen. Auf dieser Abweichung beruhe die angefochtene Entscheidung des LSG.

6

Dieser Vortrag genügt nicht den aufgezeigten Anforderungen an die Bezeichnung einer Divergenz. Es mangelt daran, dass die Klägerin es versäumt hat, einen tragenden abstrakten Rechtssatz aus dem Urteil des BSG einem sich widersprechenden, tragenden abstrakten Rechtssatz aus dem Urteil des LSG gegenüberzustellen. Hierfür reicht es nicht aus, vorzutragen, das LSG habe die og Entscheidung des BSG nicht berücksichtigt bzw das angefochtene Berufungsurteil verstoße gegen das Urteil des BSG. Es ist auch nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, sich aus den umfänglichen Ausführungen in der Beschwerdebegründung einen geeigneten Rechtssatz herauszusuchen. Dieser muss vielmehr klar und deutlich der Beschwerdebegründung zu entnehmen sein (vgl nur zB Senatsbeschluss vom 26.9.2013 - B 13 R 213/13 B). Daran fehlt es hier.

7

Im Ergebnis macht die Klägerin mit ihrem Vortrag nichts anderes als die inhaltliche Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung geltend. Die behauptete Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall - zB die Nichtbeachtung von höchstrichterlicher Rechtsprechung oder die fehlerhafte Anwendung dortiger Maßstäbe - rechtfertigt aber nicht die Zulassung wegen Divergenz (stRspr, vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 ff).

8

2. Die Klägerin hat auch nicht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache formgerecht dargelegt.

9

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).

10

Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.

11

Hierzu trägt die Klägerin lediglich vor, dass die in Bezug genommene Entscheidung des BSG vom 16.12.1970 (BSGE 32, 169 [BSG 16.12.1970 - 2 RU 239/68] = SozR Nr 2 zu § 571 RVO) "zu den §§ 571 bis 576 RVO ergangen ist und nunmehr der 13. Senat des BSG zum gleich lautenden § 87, II SGB VII ergehen soll", sodass sich die grundsätzliche Bedeutung ergebe "um eine einheitliche Rechtsprechung des BSG zu gewährleisten".

12

Dieser Vortrag genügt den aufgezeigten Anforderungen nicht. Es fehlt bereits an der Darlegung einer generellen Rechtsfrage zum Anwendungsbereich einer revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG; stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; Senatsbeschluss vom 3.11.2014 - B 13 R 253/14 B - RdNr 8 mwN). Die Formulierung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (vgl Becker, SGb 2007, 261, 265). Es gehört hingegen nicht zu den Aufgaben des BSG, den Vortrag darauf hin zu untersuchen, ob sich aus ihm evtl eine entsprechende Rechtsfrage herausfiltern ließe (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 26 S 48). Schließlich fehlt es auch an Darlegung der Klärungsbedürftigkeit. Die Klägerin beruft sich für ihre Rechtsansicht auf das Urteil des BSG vom 16.12.1970 (BSGE 32, 169 [BSG 16.12.1970 - 2 RU 239/68] = SozR Nr 2 zu § 571 RVO), ohne dass aus ihrem Vortrag deutlich wird, woraus sich der erneute Klärungsbedarf an höchstrichterlicher Rechtsprechung ergeben sollte.

13

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

14

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

15

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.

Prof. Dr. Schlegel
Dr. Kaltenstein
Dr. Oppermann

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