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Bundessozialgericht
Beschl. v. 20.03.2015, Az.: B 12 KR 105/14 B
Gesetzliche Versicherungspflicht; Grundsatzrüge; Eigenes Unternehmerrisiko als Indiz für eine Selbständigkeit
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 20.03.2015
Referenz: JurionRS 2015, 14575
Aktenzeichen: B 12 KR 105/14 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Hessen - 21.08.2014 - AZ: L 8 KR 396/12

SG Frankfurt/Main - AZ: S 18 KR 519/09

BSG, 20.03.2015 - B 12 KR 105/14 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. Zur Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist.

2. Es gibt bereits umfangreiche Rechtsprechung des BSG, die das Vorliegen eines eigenen Unternehmerrisikos lediglich als ein für das Vorliegen von Selbständigkeit sprechendes Kennzeichen angesehen hat, das im Rahmen einer Würdigung des Gesamtbilds der Tätigkeit zu berücksichtigen ist.

in dem Rechtsstreit

Az: B 12 KR 105/14 B

L 8 KR 396/12 (Hessisches LSG)

S 18 KR 519/09 (SG Frankfurt am Main)

............................................,

Klägerin und Beschwerdeführerin,

Prozessbevollmächtigte: .............................................,

gegen

Deutsche Rentenversicherung Bund,

Ruhrstraße 2, 10709 Berlin,

Beklagte und Beschwerdegegnerin,

beigeladen:

1. ..............................................,

Prozessbevollmächtigte: ..............................................,

2. AOK - Die Gesundheitskasse in Hessen,

Basler Straße 2, 61352 Bad Homburg,

3. Pflegekasse bei der AOK - Die Gesundheitskasse in Hessen,

Basler Straße 2, 61352 Bad Homburg,

4. Bundesagentur für Arbeit,

Regensburger Straße 104, 90478 Nürnberg,

5. Künstlersozialkasse bei der Unfallversicherung Bund und Bahn,

Gökerstraße 14, 26384 Wilhelmshaven.

Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat am 20. März 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dr. K r e t s c h m e r sowie die Richter Dr. K a l t e n s t e i n und B e c k

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 21. August 2014 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit für die klagende GmbH als Mitgeschäftsführer, der 40% des Stammkapitals der Klägerin hält, seit 2007 der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung aufgrund (abhängiger) Beschäftigung unterliegt.

2

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen LSG vom 21.8.2014 ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

3

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

4

1. Die Klägerin beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 2.12.2014 ausschließlich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Dazu muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).

5

a) Die Klägerin wirft auf Seite 12 der Beschwerdebegründung folgende Frage auf:

"Schließt die nach der Satzung einer GmbH erforderliche Zustimmung eines Gesellschafter-Geschäftsführers, der über weniger als 50 % der Kapitalanteile an der GmbH verfügt, die sich auf folgende Beschlüsse der Gesellschafter bezieht:

- Die Geschäftsführer vertreten die Gesellschaft jeweils alleine.

- Durch Gesellschafterbeschluss kann die Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer abweichend geregelt werden, insbesondere können auch alle oder einzelne Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit werden.

- Die Führung der Geschäfte der Gesellschaft steht mehreren Geschäftsführern gemeinschaftlich zu, sofern nicht durch Gesellschafterbeschluss, insbesondere im Rahmen einer Geschäftsordnung, etwas anderes bestimmt wird;

- im Verhältnis zu der Gesellschaft ist jeder Geschäftsführer verpflichtet, die Geschäftsführungsbeschränkungen einzuhalten, welche durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag, Geschäftsführeranstellungsvertrag oder Geschäftsordnung und Gesellschafterbeschlüsse festgesetzt sind oder werden;

- die Geschäftsführer bedürfen der vorherigen Zustimmung durch Gesellschafterbeschluss für alle Geschäfte, die über den gewöhnlichen Betrieb der Gesellschaft hinausgehen die Annahme eines beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV aus?"

6

Die "Zustimmungsmöglichkeit", wie sie im vorliegenden Fall vorliege, sei bislang noch nicht Gegenstand einer Prüfung und Entscheidung durch das BSG gewesen (Hinweis auf BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4; BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 5; BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 8; BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - NJW 1994, 2974). Die Abgrenzung bzw der Übergang von einer "Sperrminorität" zum "Verhindern nicht genehmer Weisungen" sei höchstrichterlich ungeklärt. Es erscheine daher die höchstrichterliche Klärung erforderlich, ob eine "Sperrminorität" im Sinne der bisherigen Rechtsprechung des BSG immer nur dann vorliege, wenn es sich um eine "allumfassende" Sperrminorität handele oder ob eine "Sperrminorität" im "faktischen Sinne" auch dann vorliege, wenn ein Gesellschafter/Geschäftsführer mit seiner notwendigen Beteiligung an Gesellschafterbeschlüssen, wie sie hier nach der Satzung erforderlich seien, "maßgeblichen" Einfluss auf die GmbH nehmen könne. Rechtlich wie faktisch sei eine umfassende Sperrminorität anzunehmen. Sie wirke sich "faktisch" auch als Kündigungs- bzw Abberufungssperre aus, denn kein vernünftiger Gesellschafter/Geschäftsführer würde einen Mitgesellschafter als Geschäftsführer abberufen, wenn dieser ihn dann dauerhaft in allen wesentlichen Fragen, die die Gesellschaft betreffen, blockieren könnte.

7

Der Senat kann offenlassen, ob die Klägerin mit dieser Frage überhaupt eine abstrakte Rechtsfrage klar bezeichnet, über die in einem späteren Revisionsverfahren entschieden werden könnte, oder lediglich eine Tatsachenfrage in den Raum stellt, also eine solche der Subsumtion eines (individuellen) Sachverhalts, insbesondere nach einer rechtlichen Würdigung der konkreten Regelungen der Satzung der Klägerin.

8

Jedenfalls legt die Klägerin - trotz des Umfangs der Beschwerdebegründung - die Klärungsbedürftigkeit nicht in der gebotenen Weise dar. Zwar benennt sie in der Fragestellung § 7 Abs 1 SGB IV als entscheidungsrelevante Norm des Bundesrechts. Sie unterlässt jedoch eine vertiefte Auseinandersetzung mit der übergeordneten Frage, inwieweit sich bereits aus der Norm selbst, insbesondere aus dem in Abs 1 S 2 der Regelung genannten "Anhaltspunkt" der Tätigkeit nach Weisung Erkenntnisse und Folgerungen im Hinblick auf die von ihr gestellte Frage ergeben können. Die Beschwerdebegründung macht insbesondere nicht deutlich, woraus sich im vorliegenden Fall klärungsbedürftige Rechtsfragen ergeben können. Insoweit unterstellt die Klägerin, dass dem Beigeladenen zu 1. aufgrund seiner Eigenschaft als (Mit-)Gesellschafter der Klägerin "maßgebliche" Einflussmöglichkeiten zukommen, die ihrer Meinung "rechtlich wie faktisch" eine umfassende Sperrminorität bedeuteten. Sie begründet jedoch - trotz der bereits vom LSG auf Seite 13 insoweit gemachten, Derartiges verneinenden Ausführungen - weder diese Annahme noch ihren weiteren, auf ihrer Annahme beruhenden Schluss, die Gesellschafterstellung des Beigeladenen zu 1. wirke sich "faktisch" als Kündigungs- bzw Abberufungssperre aus, denn "kein vernünftiger Gesellschafter/Geschäftsführer" würde einen Mitgesellschafter als Geschäftsführer abberufen, wenn dieser ihn dann dauerhaft in allen wesentlichen Fragen, die die Gesellschaft betreffen, blockieren könnte. Woraus sich eine derartig umfassende "Blockademöglichkeit" des Beigeladenen zu 1. im Hinblick auf die vorliegend allein entscheidende Frage der Vermeidung unangenehmer Weisungen bis hin zur Abwehr seiner Abberufung als Geschäftsführer ergeben soll, kann jedoch weder den in der Fragestellung zitierten Regelungen der Satzung der Klägerin noch der Beschwerdebegründung im Übrigen nachvollziehbar entnommen werden.

9

Darüber hinaus befasst sich die Klägerin nicht hinreichend mit der von ihr selbst zum Teil auch zitierten umfangreichen Rechtsprechung des BSG zur Abgrenzung von (abhängiger) Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit. Speziell zur Frage der Auswirkungen bestimmter gesellschaftsrechtlicher Bestimmungen im Fall eines weder mit einer Anteilsmehrheit noch mit einer Sperrminorität ausgestatteten Gesellschafter-Geschäftsführers hat das BSG bereits Ausführungen gemacht und dabei ua zentral auf den Umstand abgestellt, inwieweit dieser über die Rechtsmacht verfügt, seine Abberufung als Geschäftsführer durch einfachen Mehrheitsbeschluss der Gesellschaft zu verhindern (vgl BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 8 S 16f = Juris RdNr 18 ff). Hiermit setzt sich die Klägerin nicht hinreichend auseinander.

10

b) Auf Seite 18 formuliert die Klägerin zudem folgende Frage:

"Führt die Übernahme einer selbstschuldnerischen, unbeschränkten Bürgschaft für das laufende Geschäftskonto (Kontokorrentkonto) einer GmbH sowie Schuldbeitrittserklärungen und Mithaftungserklärungen für Verbindlichkeiten der GmbH aus dem Mietvertrag für die Geschäftsräume der GmbH durch einen Gesellschafter-Geschäftsführer mit einem Kapitalanteil von unter 50 % an der Gesellschaft zu einem Unternehmerrisiko, das die Annahme eines beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV ausschließt?"

11

Bislang sei die Frage höchstrichterlich nicht entschieden, ob es die Übernahme eines - eine abhängige Beschäftigung ausschließenden - Unternehmerrisikos darstelle, wenn der Gesellschafter/Geschäftsführer mit einer Beteiligung am Kapitalanteil von unter 50 % im Ergebnis nahezu das volle Insolvenzrisiko der Gesellschaft übernehme, weil er "selbstschuldnerisch Bürgschaft" für das (einzige) Kontokorrentkonto und die Mietschulden der GmbH mit seinem Privatvermögen hafte. Kein Arbeitnehmer würde "ernsthaft" ein solches Risiko übernehmen.

12

Auch insoweit genügt die Beschwerdebegründung nicht den Darlegungsanforderungen nach § 160a Abs 2 S 3 SGG. Die Klägerin legt weder die Klärungsbedürftigkeit noch die Klärungsfähigkeit ihrer Frage hinreichend dar. Sie macht vielmehr ausdrücklich ihre Rechtsauffassung zum Ausgangspunkt ihrer Ausführungen, wonach die Übernahme eines Unternehmerrisikos gleichsam automatisch die Annahme einer (abhängigen) Beschäftigung ausschließe. Dabei setzt sie sich jedoch nicht hinreichend mit der umfangreichen Rechtsprechung des BSG auseinander, die das Vorliegen eines eigenen Unternehmerrisikos lediglich als ein für das Vorliegen von Selbstständigkeit sprechendes Kennzeichen angesehen hat, das im Rahmen einer Würdigung des Gesamtbilds der Tätigkeit zu berücksichtigen ist (stRspr vgl zuletzt BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 23 mwN). Zudem stellt die Klägerin nicht - wie erforderlich - einen Bezug zwischen der (privaten) Haftungsübernahme durch den Beigeladenen zu 1. und seiner zu würdigenden Tätigkeit als Geschäftsführer her. Hierzu hätte aber schon allein deshalb Anlass bestanden, weil der Beigeladene zu 1. (auch) Gesellschafter der Klägerin ist und sich - wie vom LSG angenommen - die Frage stellt, inwieweit es sich "nur" um den Einsatz von Privatvermögen gehandelt hat.

13

Auch zeigt die Klägerin nicht auf, inwieweit die Beantwortung ihrer Frage über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich sein soll. Hierzu hätte aber Anlass bestanden, weil eine (private) Haftungsübernahme für nahezu sämtliche Verbindlichkeiten einer GmbH - die Klägerin spricht insoweit selbst von einer Übernahme des "vollen Insolvenzrisikos" - durch einen Mitgeschäftsführer, der über weniger als 50 % der Gesellschaftsanteile und nicht über eine Sperrminorität verfügt, ein nur atypischer Fall sein dürfte.

14

Schließlich legt die Klägerin nicht dar, inwieweit die von ihr gestellte Frage in einem späteren Revisionsverfahren durch das BSG überhaupt beantwortet werden kann. Denn - wie aufgezeigt - stellt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG das Vorliegen eines Unternehmerrisikos lediglich ein Kennzeichen für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit dar, ohne eine (abhängige) Beschäftigung in jedem Fall automatisch auszuschließen.

15

2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen, § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG.

16

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.

17

4. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 und 3 GKG und entspricht der von den Beteiligten nicht beanstandeten Festsetzung durch das LSG.

Dr. Kretschmer
Dr. Kaltenstein
Beck

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