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Bundessozialgericht
Beschl. v. 19.03.2015, Az.: B 1 KR 1/15 B
Erstattung überzahlter Krankenhausvergütung; Grundsatzrüge und höchstrichterlich geklärte Rechtsfrage; Verjährung eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 19.03.2015
Referenz: JurionRS 2015, 12907
Aktenzeichen: B 1 KR 1/15 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Niedersachsen-Bremen - 03.09.2014 - AZ: L 4 KR 566/11

SG Osnabrück - AZ: S 3 KR 431/06

BSG, 19.03.2015 - B 1 KR 1/15 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist.

2. Das Bedürfnis für die Klärung einer Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren fehlt, wenn ihre Beantwortung nach der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung keinem vernünftigen Zweifel unterliegt, die Frage also "geklärt ist".

3. Nach der Rechtsprechung des erkennenden 1. und des 3. BSG-Senats unterliegt der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch einer Krankenkasse gegen einen Krankenhausträger der kurzen sozialrechtlichen Verjährung.

4. Die Verjährung beginnt danach entsprechend § 45 Abs. 1 SGB I nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist.

5. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch im gleichgeordneten Leistungserbringungsverhältnis entsteht bereits im Augenblick der Überzahlung.

in dem Rechtsstreit

Az: B 1 KR 1/15 B

L 4 KR 566/11 (LSG Niedersachsen-Bremen)

S 3 KR 431/06 (SG Osnabrück)

Kaufmännische Krankenkasse - KKH,

Karl-Wiechert-Allee 61, 30625 Hannover,

Klägerin und Beschwerdeführerin,

gegen

.................................................,

Beklagte und Beschwerdegegnerin,

Prozessbevollmächtigte: ...............................................

Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat am 19. März 2015 durch den Präsidenten M a s u c h sowie die Richter Prof. Dr. H a u c k und C o s e r i u

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 3. September 2014 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 42 471,58 Euro festgesetzt.

Gründe

I

1

Die klagende Krankenkasse ist mit ihrem Begehren, von der beklagten Trägerin eines nach § 108 Nr 3 SGB V zugelassenen Krankenhauses zuletzt noch 37 471,58 Euro überzahlte Krankenhausvergütung erstattet zu erhalten und diverse, genau bezeichnete Patientenakten an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Niedersachsen herauszugeben, beim SG (bezüglich der Klage vom 28.12.2006, erweitert um das Herausgabeverlangen vom 2.1.2008) und beim LSG ohne Erfolg geblieben. Zur Begründung hat das LSG ua ausgeführt, für einen Schadensersatzanspruch fehle es an einem Verschulden der Beklagten. Die Voraussetzungen eines nicht verjährten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs für Leistungen an Versicherte der Klägerin im Jahre 2002 seien nicht erfüllt. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch für Leistungen an Versicherte der Klägerin in den Jahren 2000 und 2001 sei analog § 45 SGB I jedenfalls verjährt. Zu einer Unterbrechung, Hemmung oder einem Rechtsmissbrauch bei Berufung auf Verjährung sei es nicht gekommen. Der Herausgabeanspruch zur Vorbereitung weiterer Erstattungsbegehren wegen Behandlungen in den Jahren 2000 bis 2002 sei wegen deren Verjährung ausgeschlossen (Urteil vom 3.9.2014).

2

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.

II

3

Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG iVm § 169 S 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung.

4

1. Wer sich - wie hier die Klägerin - auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; s auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Daran fehlt es.

5

Die Klägerin formuliert zwar die Rechtsfrage,

ob für die Verjährung (von) öffentlich-rechtlichen Erstattungsansprüchen einer Krankenkasse gegen einen Leistungserbringer wegen zu Unrecht gezahlter Vergütung § 113 SGB X analog anzuwenden ist mit der Folge, dass die Verjährung erst nach Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von den anspruchsbegründenden Umständen positiv Kenntnis erlangt hat.

61

Die Klägerin legt aber die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage nicht hinreichend dar. Das Bedürfnis für die Klärung einer Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren fehlt, wenn ihre Beantwortung nach der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung keinem vernünftigen Zweifel unterliegt, die Frage also "geklärt ist" (BSG SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34; BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6 und § 160a Nr 21 S 38; BSG Beschluss vom 21.10.2010 - B 1 KR 96/10 B - RdNr 7; BSG Beschluss vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - Juris RdNr 7). Insoweit verkennt die Klägerin nicht, dass nach der Rechtsprechung des erkennenden 1. und des 3. BSG-Senats der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch einer Krankenkasse gegen einen Krankenhausträger der kurzen sozialrechtlichen Verjährung unterliegt. Die Verjährung beginnt danach entsprechend § 45 Abs 1 SGB I nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch im gleichgeordneten Leistungserbringungsverhältnis entsteht bereits im Augenblick der Überzahlung (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-7610 § 204 Nr 2 RdNr 12; BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 39; BSGE 98, 142 [BSG 28.02.2007 - B 3 KR 12/06 R] = SozR 4-2500 § 276 Nr 1, RdNr 25, alle mwN).

7

Eine Rechtsfrage, über die bereits höchstrichterlich entschieden worden ist, kann dennoch klärungsbedürftig sein, wenn der Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 S 19 mwN), was im Rahmen der Beschwerdebegründung ebenfalls darzulegen ist (vgl zum Ganzen auch BSG Beschluss vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - Juris RdNr 7). Daran fehlt es. Die Klägerin legt weder hinreichend dar, dass der zitierten Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird noch dass gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden. Wer die Klärungsbedüftigkeit einer bereits höchstrichterlich entschiedenen Rechtsfrage wegen Änderung einer gesetzlichen Analogiebasis darlegen will, muss sich mit den Hintergründen der Gesetzesänderung und der verbliebenen Analogiebasis auseinandersetzen und darlegen, wieso hieraus neuer Klärungsbedarf erwachsen ist. Die Klägerin setzt sich nicht damit auseinander, inwieweit die Änderung des § 113 Abs 1 SGB X (mit Wirkung vom 1.1.2001 durch das 4. Euro-Einführungsgesetz vom 21.12.2000, BGBl I 1983 = nF) zu einem weiteren Klärungsbedarf geführt haben könnte.

8

Zwar führt die Klägerin in der Beschwerdebegründung zunächst aus, dass die Rechtsprechung verschiedener Senate des BSG in entsprechender Anwendung ua des § 113 Abs 1 SGB X (eingefügt durch Art 1 Sozialgesetzbuch (SGB) - Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten - vom 4.11.1982, BGBl I 1450 mit Wirkung vom 1.7.1983 = aF) von einem allgemeinen Rechtsprinzip der vierjährigen Verjährung im Sozialrecht ausgegangen ist. Sie setzt sich aber nicht hinreichend damit auseinander, dass diese Rechtsprechung von der kurzen Verjährung beginnend nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist, zunächst von der Regelung des § 45 SGB I ausgegangen ist und dementsprechend noch vor Inkrafttreten der weiteren Bücher des SGB am 1.1.1981 und 1.7.1983 das Rechtsprinzip der vierjährigen Verjährungsfrist analog auf öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche ausgedehnt hat, für die damals ausdrückliche Verjährungsregelungen fehlten (vgl zB BSGE 41, 287, 290 [BSG 28.04.1976 - 2 RU 119/75], 291 = SozR 3100 § 81b Nr 4 und zum allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch BSGE 42, 135, 137 [BSG 11.08.1976 - 10 RV 165/75], 138 = SozR 3100 § 10 Nr 7). Die Klägerin geht nicht hinreichend darauf ein, dass die BSG-Rechtsprechung sodann hervorgehoben hat, dass der Gesetzgeber dieses allgemeine Prinzip in § 25 Abs 1 S 1 und § 27 Abs 2 S 1 SGB IV (in Kraft getreten am 1.7.1977) und in § 50 Abs 4 SGB X (in Kraft getreten am 1.1.1981) und dann schließlich auch in § 113 SGB X aF (in Kraft getreten am 1.7.1983) verdeutlicht hat (vgl BSGE 69, 158 [BSG 01.08.1991 - 6 RKa 9/89] = SozR 3-1300 § 113 Nr 1, Juris RdNr 20 ff mwN). Die Klägerin begründet nicht hinreichend, wieso die - gegenüber den anderen genannten Normen des SGB isolierte - Änderung des § 113 Abs 1 SGB X nF (mit Wirkung vom 1.1.2001 durch das 4. Euro-Einführungsgesetz vom 21.12.2000, BGBl I 1983, nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung eine Folgeänderung zu § 111 S 2 SGB X, um durch das Abstellen auf die Kenntnis die Verjährungsfrist mit der Ausschlussfrist des § 111 SGB X kompatibel zu gestalten, vgl BT-Drucks 14/4375 S 60) dem BSG Anlass hätte geben können, seine auf eine wie dargelegt breite normative Basis gestützte ständige Rechtsprechung zu ändern. Die Klägerin moniert lediglich das Fehlen einer näheren Begründung.

9

Soweit die Klägerin zusätzlich meint, Literatur habe dem BSG widersprochen (Roller in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 113 RdNr 5), legt sie nicht schlüssig dar, dass dies in nicht geringfügigem Umfang erfolgte. Sie geht nicht darauf ein, dass die zitierte Auffassung bloß den "allgemeinen Grundsatz einer vierjährigen Verjährungsfrist in Sozialrechtsverhältnissen" anspricht und hierzu die ältere BSG-Rechtsprechung zitiert, ohne die Änderung des Verjährungsbeginns nach der Regelung des § 113 Abs 1 SGB X nF und deren Gründe auch nur einzubeziehen.

10

2. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

11

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO, diejenige über den Streitwert auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1, 2 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.

Masuch
Prof. Dr. Hauck
Coseriu

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