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Bundessozialgericht
Beschl. v. 23.01.2015, Az.: B 12 R 15/14 B
Bezeichnung einer abstrakt-generellen Rechtsfrage; Auswertung von Rechtsprechung und Lehre; Verfahrensmangel im unmittelbar vorangehenden Rechtszug
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 23.01.2015
Referenz: JurionRS 2015, 16479
Aktenzeichen: B 12 R 15/14 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Bayern - 07.05.2014 - AZ: L 14 R 823/13

SG München - AZ: S 31 R 2087/10

BSG, 23.01.2015 - B 12 R 15/14 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. Mit der Fragestellung, "wie sich der Beschäftigte verhalten soll, um bei evidentem Zusammenwirken der Sozialversicherungsträger zu seinem Recht auf Anerkennung von im Rahmen einer Betriebsprüfung fälschlicherweise vernichteter Beitragszeiten und Beiträge zu gelangen" wird schon keine im Revisionsverfahren klärungsfähige abstrakt-generelle "Rechtsfrage" - d.h. keine Frage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen (Bundes-)Norm (vgl. § 162 SGG) mit höherrangigem Recht - formuliert.

2. Die Bezeichnung einer solchen, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann.

3. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll.

4. Ein Verfahrensmangel i.S. von § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug.

in dem Rechtsstreit

Az: B 12 R 15/14 B

L 14 R 823/13 (Bayerisches LSG)

S 31 R 2087/10 (SG München)

...............................................,

Kläger und Beschwerdeführer,

Prozessbevollmächtigte: ...............................................,

gegen

Deutsche Rentenversicherung Bund,

Ruhrstraße 2, 10709 Berlin,

Beklagte und Beschwerdegegnerin,

beigeladen:

1. AOK Bayern - Die Gesundheitskasse,

Carl-Wery-Straße 28, 81739 München,

2. ...............................................,

Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat am 23. Januar 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dr. K r e t s c h m e r sowie die Richter Dr. M e c k e und B e c k

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 7. Mai 2014 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich der Kläger gegen einen im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens ergangenen Bescheid der Beklagten (betreffend die Feststellung von Versicherungs- bzw Beitragszeiten aufgrund - abhängiger - Beschäftigung).

2

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Bayerischen LSG vom 7.5.2014 ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

3

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- die angefochtene Entscheidung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2)

oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Die Behauptung, die Entscheidung des Berufungsgerichts sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

4

Der Kläger macht in der Beschwerdebegründung vom 21.8.2014 den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und sinngemäß das Vorliegen von Verfahrensmängeln (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend.

5

1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).

6

Der Kläger wirft auf Seite 3 der Beschwerdebegründung die Frage auf,

"wie sich der Beschäftigte verhalten soll, um bei evidentem Zusammenwirken der Sozialversicherungsträger zu seinem Recht auf Anerkennung von im Rahmen einer Betriebsprüfung fälschlicherweise vernichteter Beitragszeiten und Beiträge zu gelangen".

7

Der Kläger erfüllt damit die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge schon im Ansatz nicht (vgl hierzu exemplarisch allgemein BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Denn er hat mit seiner Fragestellung schon keine im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähige abstrakt-generelle "Rechtsfrage" - dh keine Frage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen (Bundes-)Norm (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht - formuliert (vgl BSG vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; BSG vom 21.7.2010 - B 5 R 154/10 B - BeckRS 2010, 72088 RdNr 10; BSG vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7). Die Bezeichnung einer solchen, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 181).

8

2. Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSGE 2, 81, 82; 15, 169, 172 = SozR Nr 3 zu § 52 SGG). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann sich der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 S 1 SGG stützen. Ferner kann die Geltendmachung eines Verfahrensmangels auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG (BSG SozR Nr 79 zu § 162 SGG; BSG SozR 1500 § 160 Nr 33). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht.

9

Der Kläger trägt auf Seite 1 der Beschwerdebegründung vor, durch die "Verweisung auf andere Verfahrenswege" sei der Rechtsweg in grundrechtsverletzender Weise hinsichtlich des Klageziels in unzulässiger Weise beschnitten worden. Gleichzeitig sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden. Die Beklagte und die Beigeladene zu 1. hätten es in der Hand, die Durchsetzung seines begründeten Anspruchs allein auf dem internen Dienstweg zu vereiteln. Die Beklagte habe die Beigeladene mehrfach angewiesen, keine Änderungen bei dem Einzug der Beiträge vorzunehmen. Die Beigeladene zu 1. habe der Beklagten insoweit Folge zu leisten. Die Beklagte selbst habe ihn nicht über das Verfahren hinsichtlich der Betriebsprüfung informiert, sodass er nun über ein Widerspruchsverfahren versuchen müsse, die Feststellungen der Betriebsprüfung zu beseitigen. Diesbezüglich habe sich die Beklagte in dem anderweitig anhängigen Verfahren schon geäußert und ihm mitgeteilt, dass auf diesem Weg keine Chance bestehe, eine korrekte Beitragsanrechnung zu erreichen. Das LSG habe der bereits in der ersten Instanz beantragten Klageänderung stattgeben müssen. Sie sei sachdienlich und zwingend erforderlich gewesen. Im Rahmen des Betriebsprüfungsverfahrens sei - ohne seine Beteiligung und ohne Beteiligung aller anderen sozialversicherungspflichtig beschäftigten Mitarbeiter der Beigeladenen zu 2. - im Widerspruchsverfahren von der anzuwendenden damals aktuell geltenden Rechtslage durch die Vorgaben der Spitzenverbände überraschend abgewichen und dem Widerspruch abgeholfen worden. Dies habe zur Folge gehabt, dass die Versichertenkonten zu seinem Nachteil nun weniger Versicherungszeiten und niedrigere Beiträge aufwiesen. Im anhängigen Widerspruchsverfahren behaupte die Beklagte, dass der Widerspruch verfristet sei, obwohl er zu keiner Zeit über das Betriebsprüfungsverfahren unterrichtet worden sei, geschweige denn eine Rechtsbehelfsbelehrung vorgelegen habe. Durch das Zusammenwirken der Beklagten und der Beigeladenen solle erreicht werden, dass die Betriebsprüfung auf keinen Fall Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens werde. Erst durch seine Anträge sei überhaupt zu Tage gekommen, dass es im Widerspruchsverfahren zu einer Abhilfe über eine Summe in Höhe von 500 000 Euro zu Gunsten der Beigeladenen zu 2. und zu Lasten der Beschäftigten gekommen sei. SG und LSG hätten ihre Ermittlungspflichten nicht erfüllt und damit seine Rechte erheblich verletzt. Sein Sachvortrag sei mithin völlig unberücksichtigt geblieben, wodurch der Rechtsweg in nicht hinnehmbarer Weise beschränkt und zugleich sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei.

10

Hierdurch zeigt der Kläger einen Verfahrensmangel nicht in zulässiger Weise auf. Er setzt sich nicht ansatzweise mit den prozessrechtlichen Konsequenzen der in den Blick zu nehmenden Rechtslage im Zusammenhang mit der Beitragserhebung, der Feststellung von Versicherungszeiten und bei Betriebsprüfungen auseinander.

11

a) Im Rahmen der von ihm behaupteten Beschneidung des Rechtswegs ignoriert er den Umstand, dass sich aus dem vorliegenden mehrdimensionalen Sachverhalt verschiedene Verfahrens- und Streitgegenstände ergeben. So befasst er sich nicht damit, dass nach den Feststellungen des LSG gegen den - vorliegend nicht den Streitgegenstand bildenden - Bescheid der zum Beitragseinzug berufenen Beigeladenen zu 1. (Einzugsstelle, § 28h Abs 2 S 1 SGB IV) ein Widerspruchsverfahren anhängig ist, das derzeit ruht. Auch setzt er sich nicht damit auseinander, dass ihm in dem - vorliegend ebenfalls nicht zum Streitgegenstand gehörenden - Betriebsprüfungsverfahren als hiervon (offenbar) betroffenem Dritten Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen. Soweit er dazu vorträgt, für ihn bestehe mit seinem diesbezüglich eingelegten Rechtsbehelf "keine Chance", ist allein daraus eine Beschneidung des Rechtswegs nicht einmal ansatzweise ersichtlich, weil dieser Rechtsbehelf ebenfalls nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist.

12

b) Soweit der Kläger geltend macht, das LSG habe seine Klageänderung nicht für sachdienlich iS von § 99 Abs 1 SGG erachtet, ist vor dem oben dargestellten Hintergrund der unterschiedlichen Verfahrens- und Streitgegenstände ein diesbezüglicher Verfahrensmangel von ihm nicht aufgezeigt worden.

13

c) Hinsichtlich des behaupteten Verstoßes gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 128 Abs 2 SGG) genügt die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht den Zulässigkeitsanforderungen. Macht der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend, weil angeblich die Entscheidung auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt wurde, zu denen er sich nicht äußern konnte, so muss er zunächst alle Umstände darlegen, aus denen sich nach seiner Auffassung die Nichtbeachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ergibt. Außerdem muss die Beschwerdebegründung Ausführungen dazu enthalten, was der Beschwerdeführer bei ausreichender Gewährung des Rechts auf rechtliches Gehör noch vorgetragen hätte und inwieweit sein Vortrag geeignet gewesen wäre, das Gericht zu einer anderen Entscheidung zu führen (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 696 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung schon deshalb nicht gerecht, weil sich der Kläger auch insoweit nicht mit den unterschiedlichen Verfahrens- und Streitgegenständen befasst und demzufolge auf Seite 5 ff der Beschwerdebegründung umfangreiche Ausführungen zu seiner Sicht im Zusammenhang mit bestimmten Beschäftigungszeiträumen macht, ohne hinreichend darzulegen, inwieweit dieser Vortrag für den Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits von Relevanz sein kann.

14

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen, § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG.

15

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dr. Kretschmer
Dr. Mecke
Beck

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