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Bundessozialgericht
Beschl. v. 12.01.2015, Az.: B 13 R 340/14 B
Rüge unvollständiger Besetzung des Gerichts; Klärungsbedarf für die Vereinbarkeit einer Norm mit Bundesrecht
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 12.01.2015
Referenz: JurionRS 2015, 10267
Aktenzeichen: B 13 R 340/14 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Baden-Württemberg - 17.09.2014 - AZ: L 2 R 4854/12

BSG, 12.01.2015 - B 13 R 340/14 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. Allein die Behauptung, die Niederschrift über den Inhalt einer Entscheidung im Verfahren ohne mündliche Verhandlung (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG) lasse nicht erkennen, ob die ehrenamtlichen Richter an der Entscheidung beteiligt gewesen seien, ist keine geeignete Grundlage für die Schlussfolgerung, dass das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung tatsächlich nicht vollständig besetzt gewesen und deshalb die Verfahrensvorschrift in § 33 Abs. 1 SGG verletzt worden sei.

2. Eine Verfahrensvorschrift, die eine Unterzeichnung des im Verfahren ohne mündliche Verhandlung nach geheimer Beratung beschlossenen Urteilstenors auch durch die ehrenamtlichen Richter gebieten würde, existiert jedoch nicht - selbst wenn eine solche Vorgehensweise vielfach üblich ist.

3. Um Klärungsbedarf im Hinblick auf die Vereinbarkeit einer Norm des Bundesrechts (in ihrer oberstgerichtlichen Auslegung) mit Verfassungsrecht aufzuzeigen, genügt es jedoch nicht, die als verletzt angesehenen Verfassungsbestimmungen aufzulisten und zu behaupten, dass hierzu eine höchstrichterliche oder verfassungsgerichtliche Entscheidung noch nicht vorliege.

4. Vielmehr ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG in substanzieller Argumentation darzulegen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll.

in dem Rechtsstreit

Az: B 13 R 340/14 B

L 2 R 4854/12 (LSG Baden-Württemberg)

S 2 R 1958/10 (SG Heilbronn)

........................................,

Kläger und Beschwerdeführer,

Prozessbevollmächtigte: .........................................,

gegen

Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg,

Adalbert-Stifter-Straße 105, 70437 Stuttgart,

Beklagte und Beschwerdegegnerin.

Der 13. Senat des Bundessozialgerichts hat am 12. Januar 2015 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. S c h l e g e l sowie die Richter Dr. F i c h t e und G a s s e r

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. September 2014 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

Das LSG Baden-Württemberg hat im Urteil vom 17.9.2014 die Rechtmäßigkeit eines Bescheids bestätigt, mit dem die Beklagte eine dem Kläger nach Vollendung des 63. Lebensjahrs ab Oktober 2007 bewilligte Altersrente für langjährig Versicherte aufgrund der Anrechnung von Arbeitseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit - darunter auch von Einnahmen aus Vermietung eines Betriebsgrundstücks bei unechter Betriebsaufspaltung entsprechend ihrer Zuordnung zu den Einnahmen aus Gewerbebetrieb im Einkommensteuerbescheid - für die Monate Januar bis Dezember 2008, gestützt auf § 48 SGB X, nachträglich vollständig aufgehoben und die entstandene Überzahlung iHv 10 315,44 Euro zurückgefordert hat.

2

Der Kläger macht mit seiner beim BSG erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten LSG-Urteil die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie einen Verfahrensmangel geltend.

3

Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Beschwerdebegründung vom 17.10.2014 genügt nicht der vorgeschriebenen Form, denn er hat weder eine grundsätzliche Bedeutung ordnungsgemäß dargelegt noch einen Verfahrensmangel formgerecht bezeichnet.

4

1. Der Kläger hat einen Verfahrensmangel nicht in der erforderlichen Weise dargetan (§ 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG).

5

Hierzu müssen die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4, Nr 21 RdNr 4 - jeweils mwN; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 202 ff).

6

Dem wird das Vorbringen in der Beschwerdebegründung nicht gerecht. Der Kläger rügt, das LSG habe gegen die Vorschrift in § 33 Abs 1 S 1 SGG verstoßen, da weder aus seinem Urteil noch aus der Entscheidungsniederschrift vom 17.9.2014 ersichtlich sei, ob die ehrenamtlichen Richter an der Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision mitgewirkt hätten, obgleich jene Regelung eine Beteiligung der ehrenamtlichen Richter auch an dieser Entscheidung vorschreibe. Damit ist eine Verletzung der genannten Bestimmung über die vorschriftsmäßige Besetzung des LSG-Senats jedoch nicht schlüssig aufgezeigt. Denn allein die Behauptung, die Niederschrift über den Inhalt einer Entscheidung im Verfahren ohne mündliche Verhandlung (§ 153 Abs 1 iVm § 124 Abs 2 SGG) lasse nicht erkennen, ob die ehrenamtlichen Richter an der Entscheidung beteiligt gewesen seien, ist keine geeignete Grundlage für die Schlussfolgerung, dass das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung tatsächlich nicht vollständig besetzt gewesen und deshalb die Verfahrensvorschrift in § 33 Abs 1 SGG verletzt worden sei. Der Vortrag des Klägers sieht vielmehr im Kern einen Verfahrensmangel darin begründet, dass die Niederschrift über die vom LSG-Senat ohne mündliche Verhandlung beschlossene Entscheidungsformel keine Unterschriften der ehrenamtlichen Richter aufweise. Eine Verfahrensvorschrift, die eine Unterzeichnung des im Verfahren ohne mündliche Verhandlung nach geheimer Beratung beschlossenen Urteilstenors auch durch die ehrenamtlichen Richter gebieten würde, existiert jedoch nicht - selbst wenn eine solche Vorgehensweise vielfach üblich ist (vgl Keller in MeyerLadewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 124 RdNr 4b; Zeihe, SGG, Stand November 2012, § 124 Anm 9d ["gesetzeskonformer Gerichtsgebrauch"]; s auch Aussprung in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 124 RdNr 87 ["altbewährte Vorgehensweise"] sowie eine entsprechende Regelung in § 8 Abs 3 S 2 der Geschäftsordnung des BSG vom 25.10.2010).

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2. Auch die grundsätzliche Bedeutung der Sache ist nicht formgerecht dargelegt.

8

Hierfür ist in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung zu bezeichnen und schlüssig aufzuzeigen, dass diese klärungsbedürftig, in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 19, Nr 22 RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 5 RdNr 2 ff, Nr 9 RdNr 4 - jeweils mwN). Es muss aus der Beschwerdebegründung ersichtlich sein, dass sich die Antwort auf die Rechtsfrage nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz oder der bisherigen Rechtsprechung ergibt; hierzu bedarf es der Auseinandersetzung mit den vorinstanzlichen Entscheidungen und sonstiger einschlägiger Rechtsprechung. Diese Anforderungen, die allerdings nicht überspannt werden dürfen, sind verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG [Kammer] SozR 4-1500 § 160a Nr 12 RdNr 3 f, Nr 16 RdNr 4 f, Nr 24 RdNr 5 ff).

9

Die Beschwerdebegründung des Klägers genügt diesen Erfordernissen nicht. Er bezeichnet folgende Fragen als klärungsbedürftig: a) "Hat eine Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung auf Grund von § 45 SGB X oder aber auf Grund von § 48 SGB X zu erfolgen, wenn die Aufhebung des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung auf Grund der Erzielung von Einkommen aus einer selbstständigen Tätigkeit/einem Gewerbebetrieb erfolgt, wenn die Tätigkeit bereits vor Erlass des Verwaltungsaktes ausgeübt und in dem betroffenen Zeitraum fortgesetzt wird und die genaue Ermittlung der Einnahmen aus der Tätigkeit jedoch erst nach Erlass des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung möglich ist, obwohl gleichwohl feststeht, dass mit der Tätigkeit grundsätzlich Einnahmen erzielt werden?"

b) "Sind im Falle einer so genannten unechten Betriebsaufspaltung die aus der Vermietung bzw. Verpachtung des Grundstücks erzielten Einnahmen - im Gleichklang zum Steuerrecht - als Arbeitseinkommen im Sinne von § 15 SGB IV zu bewerten und daher bei der Frage zu berücksichtigen, ob die Hinzuverdienstgrenze des § 34 II 1 SGB VI überschritten wird oder nicht? Gebietet der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 I GG) und die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) bzw. der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 I GG) in Verbindung mit Art. der Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) eine abweichende Bewertung bei einer Rente aus eigener Versicherung als bei einer Rente aus fremder Versicherung?"

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Hinsichtlich der ersten Frage kann hier dahinstehen, ob der Kläger damit eine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung oder zum Anwendungsbereich einer Norm des Bundesrechts iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG formuliert hat oder ob es ihm vielmehr um die Frage der zutreffenden Rechtsanwendung in seinem Einzelfall geht. Offenbleiben kann auch, ob er die Klärungsfähigkeit dieser Frage hinreichend dargestellt hat, da seinen Ausführungen nicht entnommen werden kann, welchen Sachverhalt das LSG in seinem Urteil für den Senat bindend (§ 163 SGG) festgestellt hat (vgl hierzu zB BSG Beschluss vom 28.8.2014 - B 5 R 146/14 B - BeckRS 2014, 72560 RdNr 9). Denn jedenfalls hat es der Kläger versäumt, einen weiteren oberstgerichtlichen Klärungsbedarf hinsichtlich der von ihm benannten Frage in ausreichender Weise aufzuzeigen. Seinen Darlegungen kann bereits nicht entnommen werden, nach welchen rechtlichen Maßstäben das LSG die Anwendungsbereiche einerseits des § 45 SGB X und andererseits des § 48 SGB X in der von ihm beurteilten Fallkonstellation abgegrenzt hat. Insoweit fehlt jegliche Auseinandersetzung nicht nur mit der angefochtenen Entscheidung, sondern auch mit zwei weiteren BSG-Urteilen, die das LSG ausdrücklich angeführt hat (BSGE 96, 285 [BSG 01.06.2006 - B 7a AL 76/05 R] = SozR 4-4300 § 122 Nr 4, RdNr 13; BSGE 112, 221 = SozR 4-1300 § 45 Nr 12, Leitsatz 1 sowie RdNr 16 ff). Die Behauptung des Klägers, ihm seien andere Entscheidungen des BSG, die sich mit dieser Konstellation beschäftigten, "nicht bekannt", kann unter diesen Umständen zur Darlegung weiteren Klärungsbedarfs nicht genügen.

11

Zur zweiten Frage räumt der Kläger selbst ein, dass sie bereits durch das Urteil des BSG vom 30.9.1997 (4 RA 122/95 - SozR 3-2400 § 15 Nr 4) zumindest hinsichtlich der Einkommensanrechnung bei Hinterbliebenenrenten (§ 97 SGB VI) mit "Ja" beantwortet sei. Zusätzlichen oberstgerichtlichen Klärungsbedarf sieht er deshalb speziell hinsichtlich der Frage, ob für die Einkommensanrechnung bei einer (vorzeitigen) Rente aus eigener Versicherung (§ 34 Abs 2 SGB VI) im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz und/oder die Eigentumsgarantie (Art 3 Abs 1 bzw Art 14 GG) eine abweichende Bewertung geboten, die Frage also zu verneinen sei. Damit macht er letztlich geltend, die im genannten BSG-Urteil zum allgemeinen Begriff des Arbeitseinkommens (§ 15 SGB IV) für zutreffend erachtete Auslegung sei im Fall der Einkommensanrechnung bei einer Rente aus eigener Versicherung verfassungswidrig, bedürfe mithin für diese Konstellation einer abweichenden - verfassungskonformen - Auslegung.

12

Um Klärungsbedarf im Hinblick auf die Vereinbarkeit einer Norm des Bundesrechts (in ihrer oberstgerichtlichen Auslegung) mit Verfassungsrecht aufzuzeigen, genügt es jedoch nicht, die als verletzt angesehenen Verfassungsbestimmungen aufzulisten und zu behaupten, dass hierzu eine höchstrichterliche oder verfassungsgerichtliche Entscheidung noch nicht vorliege. Vielmehr ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG in substanzieller Argumentation darzulegen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (stRspr, vgl zB BSGE 40, 158 [BSG 22.08.1975 - 11 BA 8/75] = SozR 1500 § 160a Nr 11; Senatsbeschluss vom 11.5.2010 - B 13 R 589/09 B - Juris RdNr 16; BSG Beschluss vom 30.6.2014 - B 9 BL 2/13 B - Juris RdNr 10 mwN). Hierzu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verletzung der konkreten Regelung des GG dargelegt werden. Daran mangelt es hier. In Bezug auf Art 3 Abs 1 GG fehlt jegliche Untersuchung, ob die im Urteil des BSG vom 30.9.1997 aufgeführten besonderen Umstände einer unechten Betriebsaufspaltung, unter denen ausnahmsweise Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung als unselbstständiger Teil einer selbstständigen Tätigkeit anzusehen und deshalb als Arbeitseinkommen zu behandeln sind (BSG SozR 3-2400 § 15 Nr 4 S 5 ff), im Lichte der Rechtsprechung des BVerfG geeignet sein können, eine unterschiedliche Behandlung sachlich zu rechtfertigen. Hinsichtlich der behaupteten Verletzung des Eigentumsgrundrechts aufgrund Einkommensanrechnung auf eine Versichertenrente setzt sich der Kläger nicht mit der - ebenfalls zu einer solchen Rente ergangenen Entscheidung des BVerfG vom 14.6.2007 (BVerfG [Kammer] SozR 4-2600 § 96a Nr 10 RdNr 8 ff) auseinander. Ebenso wenig vermag er plausibel zu machen, inwiefern in einer solchen Einkommensanrechnung unter Einbeziehung von Mieteinnahmen bei unechter Betriebsaufspaltung ein zielgerichteter Eingriff in das Eigentum an dem Grundstück oder an der dieses Grundstück mietweise nutzenden Kapitalgesellschaft liegen könnte.

13

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

14

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

15

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Prof. Dr. Schlegel
Dr. Fichte
Gasser

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