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Bundessozialgericht
Beschl. v. 11.12.2014, Az.: B 5 RS 11/14 B
Aufwerfen einer grundsätzlichen Rechtsfrage; Substantiierung der Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 11.12.2014
Referenz: JurionRS 2014, 28975
Aktenzeichen: B 5 RS 11/14 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Sachsen - 04.02.2014 - AZ: L 5 RS 462/13

SG Chemnitz - AZ: S 13 RS 570/12

Rechtsgrundlage:

§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG

BSG, 11.12.2014 - B 5 RS 11/14 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist.

2. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt.

3. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen.

in dem Rechtsstreit

Az: B 5 RS 11/14 B

L 5 RS 462/13 (Sächsisches LSG)

S 13 RS 570/12 (SG Chemnitz)

...................,

Kläger und Beschwerdegegner,

gegen

Deutsche Rentenversicherung Bund

- Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme -,

Hirschberger Straße 4, 10317 Berlin,

Beklagte und Beschwerdeführerin.

Der 5. Senat des Bundessozialgerichts hat am 11. Dezember 2014 durch den Vorsitzenden Richter Dr. B e r c h t o l d sowie die Richter Dr. K o l o c z e k und K a r m a n s k i

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 4. Februar 2014 wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Beschwerdeverfahren.

Gründe

1

Mit Urteil vom 4.2.2014 hat das Sächsische LSG dem Kläger für die Jahre 1972 bis 1990 weitere Arbeitsentgelte aus geschätzten Jahresendprämien zugesprochen.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Beklagte Beschwerde zum BSG eingelegt. In der Beschwerdebegründung macht sie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

3

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.

4

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),

- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder

- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).

5

Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

6

Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN; Fichte in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2009, § 160a RdNr 41).

7

Die Beklagte hält folgende Frage für grundsätzlich bedeutsam:

"Ist ein Gericht der Tatsacheninstanz, welches den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen hat (§ 103 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) verpflichtet, einmal jährlich gezahlte einzelne Bestandteile des Arbeitsentgeltes (Prämien) zu schätzen, wenn deren Zufluss dem Grunde nach glaubhaft gemacht wurde, ihre Höhe aber weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht werden konnte?"

Ergänzend fragt sie,

"ob es sich bei einem Streit um die - der Beklagten nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG obliegende - Feststellung von Entgeltdaten in einem Vormerkungsverfahren, welches der späteren Rentenfeststellung vorgelagert ist, um eine vermögensrechtliche Streitigkeit im Sinne von § 287 Abs. 2 ZPO handelt."

8

Damit hat sie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargetan. Die erste Frage lässt bereits offen, welches Tatbestandsmerkmal welcher bundesrechtlichen Norm (§ 162 SGG) mit Blick auf die vermeintliche Pflicht zur Schätzung von einzelnen Bestandteilen des Arbeitsentgelts (Prämien) ausgelegt und zur Amtsermittlungspflicht (§ 103 Abs 1 S 1 SGG) in Beziehung gesetzt werden soll, um die Rechtseinheit zu wahren oder das Recht fortzubilden. Auf die umfangreiche Rechtsprechung des BSG zur Auslegung von § 103 SGG geht die Beschwerdebegründung mit keinem Wort ein.

9

Darüber hinaus legt die Beklagte nicht schlüssig dar, dass die zweite (Ergänzungs-)Frage klärungsbedürftig ist. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Ebenso kann der Klärungsbedarf durch die Rechtsprechung eines anderen obersten Bundesgerichts entfallen (BVerwG Beschlüsse vom 6.3.2006 - 10 B 80/05 - Juris RdNr 5 und vom 16.11.2007 - 9 B 36/07 - Juris RdNr 11). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG bzw des BVerfG sowie ggf der einschlägigen Rechtsprechung aller obersten Bundesgerichte zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass zu dem angesprochenen Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet ist (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 183 mwN).

10

Hieran fehlt es. Die Beschwerdebegründung geht insbesondere nicht auf das Urteil des BSG vom 4.5.1999 (B 4 RA 6/99 R - SozR 3-8570 § 8 Nr 3) ein. Darin hat der 4. Senat zur Ermittlung und Feststellung des tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts iS von § 8 Abs 1 AAÜG in Kalenderjahren mit Arbeitsausfalltagen bereits entschieden, dass die Schätzung des tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts nach Maßgabe von § 287 ZPO nur in Betracht komme, wenn und soweit die Höhe des tatsächlich gewährten Arbeitsentgelts auf andere Weise nicht ermittelt und nachgewiesen werden könne. Im Rahmen einer solchen, allerdings nur hilfsweise zulässigen Schätzung habe der Versorgungsträger dann in der Begründung des Entgeltbescheides (§ 35 SGB X) im Einzelnen seine Schätzgrundlagen und Berechnungsmethoden darzulegen (BSG, aaO, S 17). Lasse sich im sozialgerichtlichen Verfahren die Höhe des tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts in Kalenderjahren mit Arbeitsausfalltagen nicht unmittelbar feststellen (zB mittels Gehaltsabrechnungen, Lohnquittungen, Kontoauszügen etc) komme hilfsweise eine Schätzung des tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts in Betracht (BSG, aaO, S 18). Auch wenn damit die aufgeworfene (Ergänzungs-)Frage, ob die Auseinandersetzung über die Feststellung von Entgeltdaten in einem dem Vormerkungsverfahren nach § 149 SGB VI ähnlichen Verfahren, das der späteren Rentenfeststellung nur vorgelagert ist, schon eine "vermögensrechtliche Streitigkeit" iS von § 287 Abs 2 S 1 ZPO ist, höchstrichterlich (noch) nicht ausdrücklich beantwortet ist, hat der 4. Senat den Streit über die Feststellung von Entgeltdaten zumindest implizit für eine "vermögensrechtliche Streitigkeit" gehalten, weil eine Schätzung nach § 287 Abs 2 S 1 ZPO andernfalls von vornherein ausgeschieden wäre. Deshalb hätte die Beschwerdebegründung vertieft darauf eingehen müssen, weshalb trotz dieser Entscheidung ausreichende Anhaltspunkte fehlen könnten, um die zweite (Ergänzungs-)Frage bejahen zu können und inwiefern die bereits bestehenden Rechtsgrundsätze für die Beurteilung des vorliegenden Rechtsstreits erweitert, geändert oder weiter ausgestaltet werden müssten (vgl Krasney/Udsching, aaO, Kap IX RdNr 65 f). Dass die geschilderten Rechtsgrundsätze im sog "Jahresendprämienurteil" des 4. Senats vom 23.8.2007 (B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr 4) modifiziert worden sind, zeigt die Beklagte nicht schlüssig auf. Nach dieser Entscheidung "hängt die Feststellung von Beträgen, die als Jahresendprämien gezahlt wurden, davon ab, dass der Empfänger damals die Voraussetzungen der §§ 117, 118 AGB-DDR erfüllt hatte. Hierfür und für den Zufluss trägt er die objektive Beweislast" (BSG, aaO, RdNr 42). Unter diesen Umständen hätte die Beschwerdebegründung im Einzelnen darlegen müssen, inwiefern das "Jahresendprämienurteil" zu der Frage, ob die Höhe der zugeflossenen Jahresendprämie ggf im Wege der Schätzung bestimmt werden darf oder muss, überhaupt Aussagen enthält.

11

Schließlich kann offenbleiben, ob sich aus einer Zusammenschau der zitierten Fragen eine klärungsbedürftige, klärungsfähige und fallübergreifende Rechtsfrage zur Schätzmethode formulieren ließe. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Senats gehört es nicht zu den Aufgaben des BSG, den Vortrag daraufhin zu untersuchen, ob sich aus ihm evtl eine entsprechende Rechtsfrage herausfiltern ließe (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 26 S 48).

12

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

13

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

Dr. Berchtold
Dr. Koloczek
Karmanski

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