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Bundessozialgericht
Beschl. v. 10.12.2014, Az.: B 5 RS 13/14 B
Grundsätzliche Bedeutung einer bereits entschiedenen Rechtsfrage; Belege abweichender Rechtsprechung; Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 10.12.2014
Referenz: JurionRS 2014, 30187
Aktenzeichen: B 5 RS 13/14 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Berlin-Brandenburg - 04.03.2014 - AZ: L 12 R 408/11

BSG, 10.12.2014 - B 5 RS 13/14 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. Um darzulegen, dass eine Rechtsfrage, die bereits entschieden ist, noch grundsätzliche Bedeutung hat, muss der Beschwerdeführer aufzeigen, in welchem Umfang, von welcher Seite und mit welcher Begründung der Rechtsprechung widersprochen wird bzw. inwiefern die Beantwortung der Rechtsfrage umstritten ist oder welche neuen erheblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind, die zu einer Neubetrachtung der bereits entschiedenen Rechtsfrage führen könnten und eine anderweitige Entscheidung nicht offensichtlich ausschließen.

2. Diese Umstände müssen substantiiert dargelegt werden, was nur auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung und in Auseinandersetzung mit ihr möglich ist. Deshalb ist im Einzelnen zu erläutern, dass und mit welchen Gründen der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsauffassung in der Rechtsprechung oder in der Literatur widersprochen worden ist oder dass sich völlig neue, nicht erwogene Gesichtspunkte ergeben haben, die eine andere Beurteilung nahelegen könnten.

3. Dabei ist ein Widerspruch nicht lediglich zu behaupten, sondern es sind zumindest wesentliche Fundstellen aufzuzeigen, aus denen sich nicht nur ein vereinzelter Widerspruch ergibt. Ebenso ist darzulegen, dass es sich nicht lediglich um eine nicht näher begründete Kritik handelt, die auf Argumente gestützt ist, mit denen sich das BSG bereits ausführlich auseinandergesetzt hat; es müssen vielmehr neue und gewichtige Argumente vorgebracht oder der Standpunkt des BSG mit erheblichen neuen Gründen angefochten werden.

4. Um das "Herausbilden" einer im Widerspruch zur Rechtsprechung des BSG stehenden Instanzrechtsprechung zu belegen, genügt es keinesfalls, auf die bloße Existenz von einer Mehrzahl angeblich abweichender sozialgerichtlicher Urteile der ersten und zweiten Instanz (nebst Entscheidungsdaten und Aktenzeichen) hinzuweisen, ohne gleichzeitig jeweils darzulegen, ob und inwieweit die zitierten, vermeintlich divergierenden (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG) Urteile überhaupt rechtskräftig oder aber im nächsten Rechtszug geändert bzw. aufgehoben worden sind.

5. Wer mit der Behauptung von "Ungleichbehandlung" Verstöße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz rügt, muss zudem unter Berücksichtigung und Auswertung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu Art. 3 Abs. 1 GG in substantieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll.

in dem Rechtsstreit

Az: B 5 RS 13/14 B

L 12 R 408/11 (LSG Berlin-Brandenburg)

S 36 R 283/10 (SG Potsdam)

...................,

Kläger und Beschwerdegegner,

Prozessbevollmächtigte: .........................................,

gegen

Land Brandenburg,

vertreten durch den Zentraldienst der Polizei - Versorgungsstelle,

An der Pirschheide 11, 14471 Potsdam,

Beklagter,

beigeladen:

Freistaat Sachsen,

vertreten durch das Polizeiverwaltungsamt,

Neuländer Straße 60, 01129 Dresden,

Beschwerdeführer.

Der 5. Senat des Bundessozialgerichts hat am 10. Dezember 2014 durch den Vorsitzenden Richter Dr. B e r c h t o l d sowie die Richter Dr. K o l o c z e k und K a r m a n s k i

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 4. März 2014 wird als unzulässig verworfen.

Der Beigeladene hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe

1

Mit Urteil vom 4.3.2014 hat das LSG Berlin-Brandenburg im Überprüfungsverfahren Ansprüche des Klägers auf Feststellung weiterer Entgelte aus Verpflegungsgeld für die Zeit seiner Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem der Angehörigen der Deutschen Volkspolizei (hier: 1.5.1960 bis 30.9.1973) bejaht.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Beigeladene Beschwerde zum BSG eingelegt. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.

3

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.

4

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),

- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder

- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).

5

Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

6

Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

7

Der Beigeladene hält folgende Fragen für grundsätzlich bedeutsam:

(1) "Erfüllt das den Angehörigen eines Sonder- oder Zusatzversorgungssystems gezahlte Verpflegungsgeld unter Beachtung der vom BSG zu § 6 Absatz 1 AAÜG iVm § 14 Absatz 1 Satz 1 SGB IV aufgestellten Maßstäbe die Voraussetzungen einer als Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistung zu qualifizierenden Zahlung und stellt damit Arbeitsentgelt iS dieser Vorschriften dar?"

(2) "Ist das am 01.08.1991 - dem Tag des Inkrafttretens des AAÜG - geltende Steuerrecht oder das zum Zeitpunkt des Zuflusses des Verpflegungsgelds geltende DDR Steuerrecht maßgeblich, soweit der Arbeitsentgeltbegriff des § 6 AAÜG aufgrund der §§ 14, 17 SGB IV iVm § 1 ArEV von Vorschriften des Steuerrechts abhängt?"

8

Jedenfalls mit der zweiten Frage hat der Beschwerdeführer bereits keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zum Anwendungsbereich einer revisiblen Norm (vgl § 162 SGG) gestellt, die der Senat grundsätzlich mit "Ja" oder "Nein" beantworten könnte (vgl Senatsbeschlüsse vom 22.6.2011 - B 5 RS 19/11 B - BeckRS 2011, 74199 RdNr 8; vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7; BAGE 121, 52 RdNr 5 f).

9

Der Beschwerdeführer weist selbst darauf hin, dass das BSG beide Fragen in seinen Urteilen vom 29.1.2004 - B 4 RA 19/03 R - (Sperrzonenzuschlag) und vom 23.8.2007 - B 4 RS 4/06 R - (Jahresendprämie) bereits bejaht habe. Es fehlt aber an ausreichenden Darlegungen zur dennoch fortbestehenden oder erneuten Klärungsbedürftigkeit. Um darzulegen, dass eine Rechtsfrage, die bereits entschieden ist, noch grundsätzliche Bedeutung hat, muss der Beschwerdeführer aufzeigen, in welchem Umfang, von welcher Seite und mit welcher Begründung der Rechtsprechung widersprochen wird bzw inwiefern die Beantwortung der Rechtsfrage umstritten ist (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 S 19) oder welche neuen erheblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind, die zu einer Neubetrachtung der bereits entschiedenen Rechtsfrage führen könnten und eine anderweitige Entscheidung nicht offensichtlich ausschließen (vgl hierzu BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 mwN; s auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 8b). Diese Umstände müssen substantiiert dargelegt werden, was nur auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung und in Auseinandersetzung mit ihr möglich ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 71). Deshalb ist im Einzelnen zu erläutern, dass und mit welchen Gründen der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsauffassung in der Rechtsprechung oder in der Literatur widersprochen worden ist oder dass sich völlig neue, nicht erwogene Gesichtspunkte ergeben haben, die eine andere Beurteilung nahelegen könnten (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 S 19 f; BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 6 S 11; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 316; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 185). Dabei ist ein Widerspruch nicht lediglich zu behaupten, sondern es sind zumindest wesentliche Fundstellen aufzuzeigen, aus denen sich nicht nur ein vereinzelter Widerspruch ergibt. Ebenso ist darzulegen, dass es sich nicht lediglich um eine nicht näher begründete Kritik handelt, die auf Argumente gestützt ist, mit denen sich das BSG bereits ausführlich auseinandergesetzt hat. Es müssen vielmehr neue und gewichtige Argumente vorgebracht oder der Standpunkt des BSG mit erheblichen neuen Gründen angefochten werden (Krasney/Udsching, aaO, Kap IX RdNr 185). Hieran fehlt es.

10

Um das "Herausbilden" einer im Widerspruch zur Rechtsprechung des BSG stehenden Instanzrechtsprechung zu belegen, genügt es keinesfalls, auf die bloße Existenz von einer Mehrzahl angeblich abweichender sozialgerichtlicher Urteile der ersten und zweiten Instanz (nebst Entscheidungsdaten und Aktenzeichen) hinzuweisen, ohne gleichzeitig jeweils darzulegen, ob und inwieweit die zitierten, vermeintlich divergierenden (§ 144 Abs 2 Nr 2 SGG) Urteile überhaupt rechtskräftig oder aber im nächsten Rechtszug geändert bzw aufgehoben worden sind. Soweit die Beschwerdebegründung darüber hinaus behauptet, "die Berücksichtigung von Verpflegungsgeld als Arbeitsentgelt iSd § 6 AAÜG würde zudem zu einer nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung gegenüber derjenigen (richtig: denjenigen) Beschäftigten führen, denen eine Vollverpflegung als Sachleistung zur Verfügung gestellt wurde", legt sie nicht dar, ob und ggf inwieweit das BSG hierauf oder auf vergleichbare Konstellationen in den beiden og Urteilen oder in anderen Entscheidungen bereits eingegangen ist. Denn eine Rechtsfrage ist auch dann als höchstrichterlich geklärt anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG zwar über die vorliegende Fallkonstellation noch nicht zu befinden hatte, höchstrichterliche Entscheidungen aber schon hinreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Dasselbe gilt, soweit der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen den Einigungsvertrag, Anlage 2, Kap VIII, Sachgebiet H, Abschnitt III, Ziffer 9 Buchstabe b) Ziffer 1 geltend macht, wobei in der Rechtsprechung des BSG bereits geklärt ist, dass die Vorschriften des Einigungsvertrags keinen Geltungs- oder Anwendungsvorrang gegenüber den Regelungen des AAÜG haben (BSGE 81, 1, 5 [BSG 31.07.1997 - 4 RA 35/97] = SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr 9 Nr 14 S 112; BSG SozR 3-8570 § 11 Nr 2 S 16).

11

Wer mit der Behauptung von "Ungleichbehandlung" Verstöße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz rügt, muss zudem unter Berücksichtigung und Auswertung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu Art 3 Abs 1 GG in substantieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (BSGE 40, 158 [BSG 22.08.1975 - 11 BA 8/75] = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 14; BSG Beschlüsse vom 10.10.2007 - B 12 R 24/07 B - Juris RdNr 7 und vom 11.5.2010 - B 13 R 589/09 B - Juris RdNr 16). Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe der jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verletzung der konkreten Regelung des GG im Einzelnen dargelegt werden (vgl BSGE 40, 158 [BSG 22.08.1975 - 11 BA 8/75] = SozR 1500 § 160a Nr 11 sowie BSG Beschlüsse vom 20.7.2010 - B 1 KR 10/10 B - Juris RdNr 6 und vom 5.12.2012 - B 1 KR 14/12 B - Juris RdNr 5). Hieran fehlt es. Der Beschwerdeführer versäumt es bereits, sich mit den Maßstäben des Art 3 Abs 1 GG zu beschäftigen, das Konzept des einschlägigen einfachen Gesetzesrechts darzustellen (vgl Art 3 Abs 1 GG "... vor dem Gesetz ...") und gerade im Blick hierauf die maßgeblichen Differenzierungskriterien und deren fehlende Tragfähigkeit aufzuzeigen. Insbesondere bleibt offen, warum die vorgenommene Abgrenzung der Leistungsberechtigten sachlich nicht hinreichend gerechtfertigt und inwieweit die äußersten Grenzen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit überschritten sein könnten.

12

Offen bleibt zudem, aufgrund welcher konkreten Feststellungen des Berufungsgerichts insbesondere zu Zahlungsmodalitäten und zu den jeweils zeitlich und sachlich einschlägigen Regelungen des DDR-Rechts das BSG in einem künftigen Revisionsverfahren notwendig über die angesprochenen Fragen zu entscheiden haben wird.

13

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

14

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

Dr. Berchtold
Dr. Koloczek
Karmanski

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