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Bundessozialgericht
Beschl. v. 22.10.2014, Az.: B 6 KA 25/14 B
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 22.10.2014
Referenz: JurionRS 2014, 26323
Aktenzeichen: B 6 KA 25/14 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Hessen - 02.04.2014 - AZ: L 4 KA 26/13

SG Marburg - AZ: S 12 KA 480/12

BSG, 22.10.2014 - B 6 KA 25/14 B

in dem Rechtsstreit

Az: B 6 KA 25/14 B

L 4 KA 26/13 (Hessisches LSG)

S 12 KA 480/12 (SG Marburg)

.............................................................................,

Kläger und Beschwerdeführer,

Prozessbevollmächtigter: ...................................................,

gegen

Berufungsausschuss/Psychotherapie bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen,

Georg-Voigt-Straße 15, 60325 Frankfurt am Main,

Beklagter und Beschwerdegegner,

beigeladen:

1. Kassenärztliche Vereinigung Hessen,

Georg-Voigt-Straße 15, 60325 Frankfurt am Main,

2. AOK - Die Gesundheitskasse in Hessen,

Basler Straße 2, 61352 Bad Homburg,

3. BKK Landesverband Süd,

Stuttgarter Straße 105, 70806 Kornwestheim,

4. IKK classic,

Tannenstraße 4 b, 01099 Dresden,

5. Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG),

Weißensteinstraße 70 - 72, 34131 Kassel,

6. Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See

als Trägerin der Kranken- und Pflegeversicherung,

Pieperstraße 14 - 28, 44789 Bochum,

7. Verband der Ersatzkassen e.V. - vdek,

Askanischer Platz 1, 10963 Berlin.

Der 6. Senat des Bundessozialgerichts hat am 22. Oktober 2014 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. W e n n e r , die Richterin Dr. D ü r i n g und den Richter E n g e l h a r d sowie die ehrenamtlichen Richter N a c k e und H o h n l

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 2. April 2014 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10 000 Euro festgesetzt.

Gründe

I

1

Der Kläger begehrt die Umwandlung von zwei Anstellungsgenehmigungen, die ihm als Vertragsarzt erteilt worden sind, in Genehmigungen für Tätigkeiten als freiberufliche Mitarbeiter bei einer von ihm gegründeten juristischen Person.

2

Der Kläger ist als Facharzt für psychosomatische Medizin und Psychotherapie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Auf seinen Antrag genehmigte der Zulassungsausschuss die Anstellung von zwei Psychologischen Psychotherapeutinnen jeweils mit einer Wochenstundenzahl von 20 Stunden. Unter dem 24.1.2012 beantragte der Kläger die Genehmigung für Tätigkeiten als freie Mitarbeiter aufgrund von Dienstverträgen zwischen den beiden bisher bei ihm beschäftigten Angestellten und der "H Limited". Der Zulassungsausschuss lehnte diesen Antrag ab.

3

Widerspruch und Klage des Klägers waren ohne Erfolg. Das SG Marburg führte zur Begründung seiner Entscheidung aus, dass es bereits an einer Aktivlegitimation des Klägers fehle, weil das beantragte "freie Dienstverhältnis" nicht mit ihm, sondern mit der H Limited vereinbart worden sei. Die genannte Gesellschaft habe keinen Antrag auf Genehmigung gestellt und ihr könne eine Genehmigung auch nicht erteilt werden, weil sie offensichtlich nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sei. Wenn dagegen unterstellt würde, dass der Kläger das Beschäftigungsverhältnis mit seinen beiden Angestellten in ein freies Dienstvertragsverhältnis umgewandelt hätte, so wäre dies nicht genehmigungsfähig, weil § 95 Abs 9 SGB V allein die Anstellung vorsehe. Voraussetzung sei danach der Abschluss eines Arbeitsvertrages.

4

Die dagegen eingelegte Berufung des Klägers wies das Hessische LSG unter Verweis auf die Gründe des Gerichtsbescheides des SG zurück und legte ergänzend dar, dass der Beschränkung der Genehmigungsfähigkeit von abhängigen Beschäftigungsverhältnissen auch europarechtliche Vorschriften nicht entgegenstünden.

5

Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels und wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 und Nr 3 SGG).

II

6

Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.

7

1. Soweit der Kläger einen Verfahrensmangel geltend macht, kann offenbleiben, ob er diesen den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG entsprechend bezeichnet hat. Denn jedenfalls ist die Beschwerde insoweit unbegründet, weil der geltend gemachte Verfahrensfehler nicht vorliegt.

8

Der Kläger rügt, dass das LSG den Termin zur mündlichen Verhandlung am 2.4.2014 durchgeführt und in seiner Abwesenheit verhandelt habe, obwohl er zuvor durch seinen Prozessbevollmächtigten die Verlegung des Termins beantragt habe. Den Terminverlegungsantrag habe das LSG nicht einmal beschieden.

9

Damit hat das LSG Verfahrensrecht jedoch nicht verletzt. Die Ablehnung oder Übergehung eines Antrages auf Aufhebung oder Verlegung eines Verhandlungstermins kann gegen § 227 Abs 1 ZPO iVm § 202 SGG verstoßen und eine Verletzung des rechtlichen Gehörs zur Folge haben. Das ist hier jedoch nicht der Fall. Ein "erheblicher" Grund iS des § 227 Abs 1 Satz 1 ZPO für die Verlegung des auf den 2.4.2014 anberaumten Termins hat nicht vorgelegen. Dem Kläger, der im erstinstanzlichen Verfahren wie zunächst im Berufungsverfahren nicht anwaltlich vertreten war, ist die Terminsladung am 8.3.2014 zugestellt worden. Er hat den Bevollmächtigten nach dessen Angaben aus dem Schriftsatz vom 2.4.2014 erst am Tag der Verhandlung mit seiner Vertretung beauftragt.

10

Die näheren Umstände dieser Beauftragung eines in G ansässigen Anwalts durch einen in E niedergelassenen Arzt am Morgen des Verhandlungstages sind in der nur zwei Sätze umfassenden Begründung des per Telefax übersandten Antrags nicht mitgeteilt worden. Nach dem Inhalt der Aufdrucke auf dem Telefax wurde dieses am Verhandlungstag um 9.41 Uhr abgesandt und um "11:11:29" empfangen (Blatt 166 der LSG-Akten). Das LSG durfte davon ausgehen, dass der Kläger die verspätete Beauftragung eines Anwalts zu vertreten hat. Er hatte nach Zustellung der Ladung hinreichend Zeit, einen Anwalt zu beauftragen, hat diese aber offenbar nicht genutzt, ohne dass hierfür rechtliche Gründe erkennbar oder vorgetragen wären. Unter diesen Umständen stellt es keine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar, wenn das Gericht dem Verlegungsantrag des erst am Terminstag beauftragten Anwalts nicht entspricht. Dies hat das BSG für die nicht näher erläuterte Beauftragung eines Anwalts zwei Tage vor dem Termin bereits entschieden (BSGE 1, 280, 283). Für die Beauftragung und deren Mitteilung am Morgen des Verhandlungstages gilt das erst recht, zumal der Kläger weder gegenüber dem LSG noch mit der Nichtzulassungsbeschwerde Gründe genannt hat, die gegen dessen Verschulden an der verspäteten Beauftragung des Bevollmächtigten sprechen könnten.

11

Die Entscheidung des LSG leidet auch nicht deshalb an einem wesentlichen Mangel, weil der Senatsvorsitzende nicht vor der mündlichen Verhandlung über den Verlegungsantrag entschieden hat. Zwar besteht im Grundsatz eine Verpflichtung zu einer solchen Entscheidung (vgl BSG Beschluss vom 13.11.2012 - B 2 U 269/12 B - Juris RdNr 10 f; BSG Beschluss vom 6.10.2010 - B 12 KR 58/09 B - Juris RdNr 8 mwN; BSG Beschluss vom 13.11.2012 - B 2 U 269/12 B - Juris RdNr 9 ff). Voraussetzung ist jedoch, dass dies noch technisch durchführbar und zeitlich möglich ist (vgl BSG Beschluss vom 3.7.2013 - B 12 R 38/12 B - Juris RdNr 10, 12). Hier hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers das Telefax mit dem Antrag, den Termin zu verlegen, nach dem Aufdruck auf dem Telefax am Tag der Verhandlung zu einer Zeit an das LSG gesandt, zu der der Sitzungstag üblicherweise bereits begonnen hat. Hinweise darauf, dass der Prozessbevollmächtigte seinen Verlegungsantrag telefonisch zB gegenüber einem Mitarbeiter der Geschäftsstelle angekündigt haben könnte, sind weder dem Vorbringen des Klägers noch dem Inhalt der Akten zu entnehmen. Unter diesen Umständen konnte der Prozessbevollmächtigte nicht davon ausgehen, dass dem Vorsitzenden der Verlegungsantrag so rechtzeitig vorgelegt würde, dass er darüber noch rechtzeitig vor dem Beginn der Verhandlung entscheiden könnte. Tatsächlich ist das Telefax dem Vorsitzenden nach dem Inhalt der Sitzungsniederschrift etwa fünf Minuten vor der mündlichen Verhandlung, die um 11.15 Uhr begann, vorgelegt worden und es gibt angesichts der Aufdrucke auf dem Telefax (Absendung "9:41" und "Empfangen 2014-04-02 11:11:29") auch keine Anhaltspunkte dafür, dass eine frühere Vorlage bei ordnungsgemäßer Organisation der Abläufe möglich gewesen wäre. Eine Entscheidung, die dem Kläger rechtzeitig vor der Verhandlung hätte mitgeteilt werden können (zu der entsprechenden Obliegenheit des Gerichts, die jedoch unter der Voraussetzung steht, dass auch der Prozessbeteiligte, der die Gehörsverletzung rügt, alles getan hat, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen: BSG Beschluss vom 18.1.2011 - B 4 AS 129/10 B - Juris RdNr 7) und auf die er noch mit der Teilnahme an der Verhandlung hätte reagieren können, war ohnehin ausgeschlossen. Anders als in der der Entscheidung des BSG vom 16.11.2000 (B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 60) zu Grunde liegenden Fallgestaltung hat sich das LSG im vorliegenden Verfahren in der mündlichen Verhandlung mit dem Verlegungsantrag des Klägers befasst und ist auf dieser Grundlage zu dem in jeder Hinsicht nachvollziehbaren - für den anwaltlich vertretenen Kläger voraussehbaren - Ergebnis gelangt, dass dem nicht näher begründeten Verlegungsantrag nicht zu entsprechen ist.

12

2. Soweit der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung geltend macht, ist die Beschwerde bereits unzulässig.

13

Für die Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache muss in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung bezeichnet (vgl BVerfGE 91, 93, 107 [BVerfG 14.06.1994 - 1 BvR 1022/88] = SozR 3-5870 § 10 Nr 5 S 31; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 37 f) und ausgeführt werden, inwiefern diese Rechtsfrage in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich (klärungsfähig) sowie klärungsbedürftig ist. Es muss ersichtlich sein, dass sich die Antwort nicht ohne Weiteres aus der bisherigen Rechtsprechung ergibt. Die Revisionszulassung setzt sodann eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BVerfG [Kammer] SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14; s auch BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 19 S 34 f; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 30 S 57 f mwN).

14

Der Kläger fragt, "ob eine Anstellung i.S.d. § 95 Abs. 9 SGB V nur eine sozialversicherungsrechtliche Anstellung sein kann oder ob auch eine freie Mitarbeit mit einzelvertraglich entsprechend vereinbarter Weisungsbefugnis des Dienstherrn in Frage kommt." Mit der Angabe, Rechtsprechung zu dieser Frage liege nicht vor, auch aus § 32b Ärzte-ZV ergebe sich nicht zwingend eine Beschränkung auf eine sozialversicherungsrechtliche Anstellung, und die Auslegung der genannten Vorschriften durch das LSG sei unzutreffend, legt der Kläger die Entscheidungserheblichkeit der formulierten Rechtsfrage nicht wie erforderlich dar. Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung in zulässiger Weise (§ 153 Abs 2 SGG) auf die Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheids verwiesen. Dort wird die Abweisung der Klage in erster Linie damit begründet, dass der Kläger als natürliche Person nicht legitimiert sei, die Genehmigung der Tätigkeit seiner bisherigen Angestellten bei einer juristischen Person, der H Limited, zu beantragen, und dass im Übrigen ein entsprechender Antrag der H Limited keinen Erfolg haben könnte, weil diese nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sei. Lediglich ergänzend begründet das SG seine Entscheidung mit der fehlenden Genehmigungsfähigkeit der Tätigkeit von Mitarbeitern in einem freien Dienstverhältnis.

15

Ist ein Berufungsurteil wie hier auf mehrere Gründe gestützt, kann sich aus einer Grundsatzrüge eine Klärungsbedürftigkeit nur ergeben, wenn alle Begründungen mit einer Grundsatz-, Divergenz- oder Verfahrensrüge angegriffen werden (vgl BSG Beschluss vom 29.8.2005 - B 6 KA 38/05 B - Juris RdNr 9 mwN; BSG Beschluss vom 2.4.2014 - B 6 KA 57/13 B - RdNr 20; BSG Beschluss vom 13.8.2014 - B 6 KA 14/14 B - RdNr 8). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung des Klägers, die sich allein mit der Frage des Erfordernisses eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses befasst, nicht gerecht.

16

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO).

17

Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 und 3 GKG und berücksichtigt mit der Festsetzung in Höhe des doppelten Auffangstreitwerts, dass Gegenstand des Verfahrens die Erteilung von zwei Genehmigungen ist.

Prof. Dr. Wenner
Dr. Düring
Engelhard
Nacke
Hohnl

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