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Bundessozialgericht
Beschl. v. 15.07.2009, Az.: B 3 P 17/09 B
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 15.07.2009
Referenz: JurionRS 2009, 23956
Aktenzeichen: B 3 P 17/09 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Niedersachsen-Bremen - 14.04.2009 - AZ: L 14 P 45/08

SG Braunschweig - AZ: S 30 P 28/04

BSG, 15.07.2009 - B 3 P 17/09 B

in dem Rechtsstreit

Az: B 3 P 17/09 B

L 14 P 45/08 (LSG Niedersachsen-Bremen)

S 30 P 28/04 (SG Braunschweig)

..............................................,

Klägerin und Beschwerdeführerin,

Prozessbevollmächtigter: ...............................................,

g e g e n

IKK Pflegekasse Niedersachsen,

Günther-Wagner-Allee 23, 30177 Hannover,

Beklagte und Beschwerdegegnerin.

Der 3. Senat des Bundessozialgerichts hat am 15. Juli 2009 durch den Vorsitzenden Richter Dr. H a m b ü c h e n sowie die Richter S c h r i e v e r und Dr. S c h ü t z e

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundessozialgericht Prozesskostenhilfe zu gewähren und Rechtsanwalt Lau beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 14. April 2009 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

I

1

Die an erheblichem Übergewicht, Diabetes, Bluthochdruck und weiteren Beschwerden leidende Klägerin begehrt von der beklagten Pflegekasse Pflegegeld nach der Pflegestufe I vom 1.8.2003 bis zum 31.5.2004. Seit Juni 2004 ist die Klägerin bei der Bundesknappschaft versichert. Die Beklagte hat den Leistungsantrag vom 4.8.2003 nach Einholung eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 10.11.2003 abgelehnt, weil der durchschnittliche tägliche Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege nicht den zeitlichen Mindestwert von "mehr als 45 Minuten" (§ 15 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB XI) erreiche (Bescheid vom 1.12.2003). Den Widerspruch der Klägerin hat die Beklagte nach Einholung eines weiteren MDK-Gutachtens vom 4.3.2004 zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 22.6.2004). Sowohl vor dem Sozialgericht (Gerichtsbescheid vom 25.6.2008) als auch vor dem Landessozialgericht (LSG) ist die Klage erfolglos geblieben (Urteil vom 14.4.2009).

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG wendet sich die Klägerin mit der - fristgerecht erhobenen - Beschwerde, die sie mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) begründet.

II

3

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht in der durch die §§ 160 Abs 2, 160a Abs 2 Satz 3 SGG normierten Form begründet worden ist. Sie ist deshalb ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG).

4

Wird geltend gemacht, die Revision sei zuzulassen, weil die angegriffene Entscheidung eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung betreffe (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), ist es erforderlich, die grundsätzliche Rechtsfrage klar zu formulieren und aufzuzeigen, dass sie über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt (BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 und SozR 1500 § 160a Nr 39) und dass sie klärungsbedürftig sowie klärungsfähig ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 und 65), sie also im Falle der Revisionszulassung entscheidungserheblich wäre (BSG SozR 1500 § 160a Nr 54). In der Regel fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage, wenn diese höchstrichterlich bereits entschieden ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 51, § 160a Nr 13 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8) oder sich ihre Beantwortung eindeutig aus dem Gesetz ergibt (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl 2008, IX. Kap RdNr 66 mwN). Diese Erfordernisse betreffen die gesetzliche Form iS des § 169 Satz 1 SGG (vgl BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 48 und SozR 4-1500 § 160a Nr 12). Dessen Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

5

1. Die Klägerin sieht es - sinngemäß - als grundsätzlich klärungsbedürftig an,

(1) ob die Differenzierung zwischen Leistungen der Grundpflege einerseits und Leistungen der hauswirtschaftlichen Versorgung andererseits sachgerecht sei, obgleich beide Bereiche in der Praxis vielfach ineinander übergingen, was insbesondere bei Personen der Fall sei, die an Bewegungseinschränkungen leiden und deshalb ständiger Hilfe bedürfen;

(2) ob das Schneiden der Haare sowie der Finger- und Fußnägel zum Bereich der Körperpflege gehöre;

(3) ob die Hilfe beim Einkaufen, bei Behördengängen und bei der Zubereitung der Nahrung zur Grundpflege zähle.

6

Damit hat die Klägerin zwar drei Fragen formuliert, wovon aber nur die zweite und die dritte Frage "Rechtsfragen" iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG sind. Die erste Frage stellt hingegen keine vom Revisionsgericht zu entscheidende "Rechtsfrage" dar, weil es um eine allein vom Gesetzgeber zu entscheidende Problematik und damit um eine politische Frage geht, die selbst dann, wenn die Differenzierung als eher unzweckmäßig und unscharf anzusehen wäre, von den Versicherten, den Pflegekassen und den Gerichten als vom Gesetzgeber vorgegebene Entscheidung hinzunehmen wäre. Im Gesetz ist eine klare Trennung zwischen den Verrichtungen der Grundpflege (§ 14 Abs 4 Nr 1 bis 3 SGB XI: Körperpflege, Ernährung und Mobilität) und der hauswirtschaftlichen Versorgung (§ 14 Abs 4 Nr 4 SGB XI) normiert; die Pflegestufen sind an das Erreichen bestimmter zeitlicher Mindestwerte bei der täglichen Grundpflege und der täglichen hauswirtschaftlichen Versorgung geknüpft (§ 15 SGB XI). Es liegt im verfassungsrechtlich garantierten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, eine solche Differenzierung vorzunehmen. Die Gerichte dürfen diese Differenzierung nicht überprüfen, solange - wie hier - Grundrechte der Versicherten nicht berührt werden.

7

2. Hinsichtlich der aufgeworfenen beiden Rechtsfragen fehlt es an der Darlegung ihrer Klärungsbedürftigkeit. Die Klägerin setzt sich nicht mit der Rechtsprechung des Senats zum Recht der sozialen Pflegeversicherung auseinander und legt deshalb nicht dar, dass diese Fragen noch der Klärung bedürfen.

8

a) Der Senat hat bereits entschieden, dass bei der Bemessung des Pflegebedarfs nur solche Verrichtungen zu berücksichtigen sind, die notwendigerweise mindestens einmal wöchentlich anfallen, weil es um "gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens" (§ 14 Abs 1 SGB XI) gehen muss und der durchschnittliche tägliche Pflegebedarf auf Wochenbasis (§ 15 Abs 3 Satz 1 SGB XI) zu ermitteln ist. Das Schneiden der Haare sowie der Finger- und Fußnägel gehört nicht dazu, weil diese Verrichtungen nicht notwendigerweise einmal wöchentlich durchzuführen sind (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 15 und § 15 Nr 11). Dass es insoweit um Verrichtungen der Körperpflege geht, ist daher unerheblich.

9

b) Die "Zubereitung der Nahrung" ist Teil der hauswirtschaftlichen Versorgung in der Form des "Kochens" (§ 14 Abs 4 Nr 4 SGB XI), es sei denn, es geht gerade um die "mundgerechte Zubereitung" (dazu BSGE 82, 27 = SozR 3-3300 § 14 Nr 2 und BSG SozR 3-3300 § 15 Nr 7); nur diese Form der Zubereitung der Nahrung zählt zur Grundpflege (§ 14 Abs 4 Nr 2 SGB XI).

10

c) Das "Einkaufen" ist als Bestandteil der hauswirtschaftlichen Versorgung in § 14 Abs 4 Nr 4 SGB XI ausdrücklich erwähnt.

11

d) Die "Hilfe bei Behördengängen" mag zwar generell unter den Tatbestand des "Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung" (§ 14 Abs 4 Nr 3 SGB XI) subsumiert werden, kann aber nicht als Grundpflege berücksichtigt werden, weil Behördengänge nicht der Sicherung des weiteren Aufenthalts in der eigenen Wohnung, also der Vermeidung stationärer Pflege in Pflegeheimen, dienen (anders zB der Besuch von Ärzten und Therapeuten, vgl BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 5 und 6 sowie § 15 Nr 8; BSG SozR 4-3300 § 15 Nr 1) und im Übrigen auch nicht wenigstens einmal wöchentlich anfallen.

12

4. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdebegründung vom 23.6.2009 erst am 25.6.2009 und damit um zwei Tage verspätet (§ 160a Abs 2 Satz 1 SGG) beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen ist. Die Begründung ist entgegen dem Vermerk auf dem Schriftsatz nicht vorab per Telefax übermittelt worden. Die Frage, ob der Klägerin insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 SGG) gewährt werden könnte, kann jedoch offen bleiben, weil die Beschwerde wegen der nicht formgerechten Darlegung eines Revisionszulassungsgrundes ohnehin unzulässig ist.

13

5. Da die Beschwerde unzulässig ist, konnte auch dem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht (§ 73a SGG iVm § 114 ZPO) nicht stattgegeben werden.

14

6. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dr. Hambüchen
Schriever
Dr. Schütze

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