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Bundesgerichtshof
Urt. v. 21.12.2016, Az.: IV ZR 339/15
Bereicherungsrechtliche Rückabwicklung einer Lebensversicherung nach Widerruf; Rückzahlungsbegehren geleisteter Versicherungsbeiträge; Vereinbarkeit des Policenmodells mit den Lebensversicherungsrichtlinien der Europäischen Union
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 21.12.2016
Referenz: JurionRS 2016, 31325
Aktenzeichen: IV ZR 339/15
ECLI: ECLI:DE:BGH:2016:211216UIVZR339.15.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Konstanz - 07.04.2014 - AZ: 2 O 331/13

OLG Karlsruhe in Freiburg - 24.06.2015 - AZ: 9 U 55/14

Rechtsgrundlagen:

§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB

§ 5a VVG

Fundstellen:

r+s 2017, 130-131

VuR 2017, 119

BGH, 21.12.2016 - IV ZR 339/15

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, den Richter Lehmann sowie die Richterinnen Dr. Brockmöller und Dr. Bußmann auf die mündliche Verhandlung vom 21. Dezember 2016
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerseite wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 24. Juni 2015 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 6.000 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Lebensversicherung.

2

Diese wurde aufgrund Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. Dezember 1999 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen.

3

D. VN zahlte fortan die Versicherungsbeiträge. Mit Schreiben vom 31. Mai 2013 erklärte er unter anderem den Widerspruch und hilfsweise die Kündigung des Versicherungsvertrages. Der Versicherer zahlte daraufhin den Rückkaufswert aus und erstattete in der Folge auch den Stornoabzug.

4

Mit der Klage verlangt d. VN, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich der bereits erbrachten Zahlungen.

5

Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen, weil er zum einen nicht ordnungsgemäß belehrt wurden und zum anderen das Policenmodell mit den Lebensversicherungsrichtlinien der Europäischen Union nicht vereinbar sei.

6

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren hinsichtlich des Bereicherungsanspruchs weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

8

I. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. D. VN habe die Prämien mit Rechtsgrund geleistet. Der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen, denn der Versicherer habe d. VN ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrt. Dass die Widerspruchsbelehrung keine ausdrückliche Bestimmung über die Wahrung der Schriftform enth alte, stehe ihrer Ordnungsgemäßheit nicht entgegen. Die Ausübung des Widerspruchsrechts durch d. VN sei hier jedenfalls angesichts einer ordnungsgemäßen Widerspruchbelehrung bei Vertragsschluss im Jahr 1999 und insbesondere Zahlung der Prämien über einen Zeitraum von mehr als 13 Jahren widersprüchlich.

9

II. Die Revision ist begründet.

10

1. Ein Anspruch auf Prämienrückzahlung aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB kann d. VN mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht versagt werden.

11

a) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts belehrte der Versicherer d. VN nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. über das Widerspruchsrecht, weil die Widerspruchsbelehrung keinen Hinweis darauf enthält, dass der Widerspruch schriftlich zu erheben ist. Die notwendige Belehrung über das gesetzliche Formerfordernis (Senatsurteil vom 28. Januar 2004 - IV ZR 58/03, VersR 2004, 497 unter 3 b) konnte d. VN nicht aus der Formulierung entnehmen, dass zur Wahrung der Frist die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs genüge. Selbst wenn ein verständiger Versicherungsnehmer nur verkörperte Erklärungen als der Absendung zugänglich ansieht, so bleibt für ihn dennoch unklar, ob hierzu eine Verkörperung in Textform ausreicht oder ob es nicht der traditionellen Schriftform bedarf (vgl. Senatsurteile vom 29. Juli 2015 - IV ZR 448/14, VersR 2015, 1104 Rn. 24 und IV ZR 112/14, Rn. 12). Dass, wie das Berufungsgericht und die Revisionserwiderung meinen, durch die Belehrung das Formerfordernis abbedungen werden sollte, ist ihrem Text ebenfalls nicht zu entnehmen (Senatsbeschluss vom 27. Januar 2016 - IV ZR 130/15, r+s 2016, 230 Rn. 14 und Senatsurteil vom 29. Juli 2015 - IV ZR 448/14 aaO).

12

b) Anders als die Revisionserwiderung meint, war eine ordnungsgemäße Belehrung über das Widerspruchsrecht hier auch nicht ausnahmsweise deshalb entbehrlich, weil d. VN bei seinem Antrag auf Abschluss des Versicherungsvertrages durch einen Versicherungsmakler beraten worden sei. Eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung ist nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. gesetzlich vorgeschrieben. Darauf, ob d. VN im Einzelfall trotz nicht ordnungsgemäßer Belehrung von seinem Widerspruchsrecht gleichwohl zutreffend Kenntnis hatte, kommt es nicht an. Die Frage der Ordnungsgemäßheit der Belehrung ist abs trakt zu beurteilen (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Januar 2016 aaO Rn. 15 m.w.N.).

13

c) Für einen solchen Fall bestimmte § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. zwar, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt.

14

aa) Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort. Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., wie der Senat mit Urteil vom 7. Mai 2014 (IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 17-34) entschieden und im Einzelnen begründet hat.

15

bb) Die Ausübung des Widerspruchsrechts d. VN ist hier - entgegen der Revisionserwiderung - auch nicht ausnahmsweise deshalb treuwidrig, weil sich der durch einen Versicherungsmakler beratene VN im Jahr 2010 nach dem Rückkaufswert erkundigt, das Versicherungsverhältnis auf die entsprechende Auskunft hin aber noch mehr als zwei Jahre lang fortgesetzt hat und er außerdem kontinuierlich über die regelmäßig aufgrund einer entsprechenden Dynamik-Vereinbarung erfolgten Anpassungen von Versicherungsleistungen und -beiträgen informiert wurde, ohne dies zum Anlass für ein Auflösungsverlangen zu nehmen. Die Annahme von Treuwidrigkeit kommt im Streitfall schon deshalb nicht in Betracht, weil der Versicherer d. VN bei Vertragsschluss - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt hat (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 39 m.w.N.). Bei den von der Revisionserwiderung für eine Treuwidrigkeit angeführten Umständen handelt es sich auch nicht um solche, die besonders gravierend sind (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. November 2015 - IV ZR 117/15, Rn. 17 und vom 27. Januar 2016 - IV ZR 130/15, r+s 2016, 230 Rn. 16) und im Ausnahmefall auch dem nicht ordnungsgemäß belehrten VN die Geltendmachung seines Anspruchs verwehren können.

16

2. Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich d. VN bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versicherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 45 m.w.N.).

17

Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzu verweisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 46) und dabei auch die Vorgaben der Senatsurteile vom 29. Juli 2015 (IV ZR 384/14, VersR 2015, 1101 [BGH 29.07.2015 - IV ZR 384/14] Rn. 36 ff.; IV ZR 448/14, VersR 2015, 1104 [BGH 29.07.2015 - IV ZR 448/14] Rn. 34 ff. [BGH 29.07.2015 - IV ZR 448/14]) sowie vom 11. November 2015 (IV ZR 513/14, VersR 2016, 33 Rn. 32 ff.) zu beachten haben.

Mayen

Harsdorf-Gebhardt

Lehmann

Brockmöller

Bußmann

Von Rechts wegen

Verkündet am: 21. Dezember 2016

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