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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 22.11.2016, Az.: AnwZ (Brfg) 48/16
Rechtmäßiger Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 22.11.2016
Referenz: JurionRS 2016, 29539
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 48/16
ECLI: ECLI:DE:BGH:2016:221116BANWZ.BRFG.48.16.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

AGH Bayern - 28.06.2016 - AZ: BayAGH I - 1 - 4/16

Verfahrensgegenstand:

Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft

BGH, 22.11.2016 - AnwZ (Brfg) 48/16

Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richterinnen Roggenbuck und Lohmann sowie die Rechtsanwälte Dr. Kau und Dr. Wolf
am 22. November 2016
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird zurückgewiesen.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofes vom 28. Juni 2016 wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beklagte hat mit Bescheid vom 19. Februar 2016 die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO) widerrufen. Die hiergegen gerichtete Klage hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Das Urteil wurde dem Kläger am 20. Juli 2016 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 22. August 2016 hat der Kläger die Zulassung der Berufung beantragt. Mit weiterem am 20. September 2016 per Fax beim Anwaltsgerichtshof eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger seinen Zulassungsantrag begründet. Dieser Schriftsatz ist erst am 22. September 2016 (im Original) beim Bundesgerichtshof eingegangen. Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 23. September 2016 wurde der Kläger auf die anzunehmende Unzulässigkeit des Zulassungsantrags hingewiesen. Mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2016 hat der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt sowie hilfsweise eine Entscheidung im Gnadenwege.

II.

2

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist gemäß § 112e Satz 2 BRAO i.V.m. § 124a Abs. 5 Satz 1, § 125 Abs. 2 Satz 1 VwGO als unzulässig zu verwerfen, da der Kläger die Antragsbegründungsfrist versäumt hat. Diese beträgt nach § 112e Satz 2 BRAO i.V.m. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des vollständigen Urteils. Danach lief die Begründungsfrist am 20. September 2016 ab. Zu diesem Zeitpunkt lag jedoch beim Bundesgerichtshof keine Begründung des Zulassungsantrags vor. Nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 Satz 5 VwGO ist die Begründung, sofern sie wie vorliegend nicht zusammen mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung vorgelegt wird, beim Bundesgerichtshof einzureichen. Zur Fristwahrung genügt die Einreichung beim Anwaltsgerichtshof nur, wenn der Anwaltsgerichtshof die Begründung dem Bundesgerichtshof mit der im normalen Geschäftsgang zu erwartenden Beschleunigung rechtzeitig zuleitet (vgl. Schmidt-Räntsch in Gaier/ Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 112e BRAO, Rn. 68; HK-VerwR/Kautz/Schäfer, 4. Aufl., § 124a VwGO, Rn. 34). Eine derartige rechtzeitige Zuleitung ist vorliegend nicht erfolgt und war im Hinblick auf die Einreichung erst am letzten Tag der Frist auch nicht zu erwarten.

3

2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bleibt ohne Erfolg.

4

Gemäß § 112e Satz 2 BRAO i.V.m. § 60 Abs. 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, wenn jemand ohne sein Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Unverschuldet ist eine Fristversäumung nur, wenn sie bei Anwendung der Sorgfalt, die unter Berücksichtigung der konkreten Sachlage im Verkehr erforderlich war und dem Kläger vernünftigerweise zugemutet werden konnte, nicht zu vermeiden war (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Februar 2015 - AnwZ (Brfg) 53/14, Rn. 3 mwN).

5

Ein unverschuldetes Fristversäumnis liegt nicht vor. Im Hinblick auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut sowie die zutreffende Rechtsbehelfsbelehrung hätte dem Kläger bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt bekannt sein müssen, dass die Begründung des Zulassungsantrags beim Bundesgerichtshof einzureichen ist.

6

3. Anlass für eine andere Beurteilung im Wege einer Gnadenentscheidung besteht nicht. Die vom Kläger vorgebrachten Auswirkungen des Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft auf seine Existenzgrundlage, stellen keine außergewöhnliche Härte dar, sondern sind die aus § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO resultierende Folge eines Vermögensverfalls (zur Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juni 2015 - AnwZ (Brfg) 11/15, Rn. 9 mwN, siehe auch BVerfG, NJW 2005, 3057 [BVerfG 31.08.2005 - 1 BvR 912/04] zur Parallelregelung in § 50 Abs. 1 Nr. 6 BNotO).

7

Zudem wäre der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ohnehin nicht begründet gewesen. Das Vorbringen des Klägers in der Begründung seines Zulassungsantrags ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Anwaltsgerichtshofs zu begründen (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Anwaltsgerichtshof hat zutreffend festgestellt, dass zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids ein Vermögensverfall des Klägers im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO vorgelegen hat. Zum maßgeblichen Zeitpunkt war ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet. Die daraus resultierende gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls hat der Kläger, wie der Anwaltsgerichthof, zutreffend ausgeführt hat, nicht widerlegt. Die Auffassung des Klägers, eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden liege nicht vor, weil er selbst kein Fremdgeld abwickle und zudem laufend dem Insolvenzverwalter über die die Kanzlei betreffenden Kontobewegungen Bericht erstatten müsse, geht fehl. Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Im vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden kann diese nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt die Feststellungslast trifft. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt jedoch zumindest voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 25. August 2016 - AnwZ (Brfg) 30/16, Rn. 8; vom 17. März 2016 - AnwZ (Brfg) 6/16, Rn. 4 und vom 3. Juni 2015 - AnwZ (Brfg) 11/15, Rn. 8, jeweils mwN). Eine solche Ausnahmesituation ist hier nicht gegeben. Der Kläger ist nach den Feststellungen des Anwaltsgerichtshofs, die er nicht in Zweifel zieht, weiterhin als Einzelanwalt tätig. Darüber hinaus vermag auch allein die mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbundene Verfügungsbeschränkung des Klägers zugunsten des Insolvenzverwalters die Gefährdung nicht entfallen zu lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 12/11, Rn. 5 mwN).

8

Die Zulassung der Berufung wäre zudem nicht wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache geboten gewesen (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die Rechtssache weist nach Maßgabe der obigen Ausführungen keine komplexen Tatsachen- oder Rechtsfragen auf, die ihre Beurteilung erschweren.

9

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.

Kayser

Roggenbuck

Lohmann

Kau

Wolf

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