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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 17.11.2016, Az.: V ZB 90/16
Haftanordnung zur Sicherung der Abschiebung; Unzulässigkeit des Haftantrags der beteiligten Behörde mangels Angaben zur Notwendigkeit der beantragten Haftdauer; Heilung des Mangels des Haftantrags im Beschwerdeverfahren
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 17.11.2016
Referenz: JurionRS 2016, 30138
Aktenzeichen: V ZB 90/16
ECLI: ECLI:DE:BGH:2016:171116BVZB90.16.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

AG Brühl - 11.05.2016 - AZ: 64 XIV(B) 11/16

AG Brühl - 14.06.2016 - AZ: 64 XIV(B) 11/16

LG Köln - 23.06.2016 - AZ: 39 T 125/16

Fundstelle:

ZAR 2017, 15

BGH, 17.11.2016 - V ZB 90/16

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. November 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Weinland und die Richter Dr. Göbel und Dr. Hamdorf

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 39. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 23. Juni 2016 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als er den Haftzeitraum bis zum 22. Juni 2016 betrifft.

Es wird festgestellt, dass die Anordnung der Haft in dem Beschluss des Amtsgerichts Brühl vom 11. Mai 2016 in Verbindung mit dem Beschluss vom 14. Juni 2016 den Betroffenen für den Zeitraum bis zum 22. Juni 2016 in seinen Rechten verletzt hat.

Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Landkreis RottalInn auferlegt.

Der Gegenstandswert in allen Instanzen beträgt 5.000 €.

Gründe

I.

1

Der Betroffene, ein nigerianischer Staatsangehöriger, reiste Ende 2014 unerlaubt in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Asylantrag. Eine EURODAC-Recherche ergab, dass er bereits in Italien Asyl beantragt hatte. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte seinen Asylantrag als unzulässig ab und ordnete die "Abschiebung" nach Italien an. Nachdem die Rücküberstellung gescheitert war, hat das Amtsgericht am 11. Mai 2016 Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum 11. August 2016 angeordnet. Der dagegen gerichteten Beschwerde des Betroffenen hat es insoweit abgeholfen, als es mit Beschluss vom 14. Juni 2016 die Haftdauer bis zum 6. Juli 2016 begrenzt hat. Das Landgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Am 27. Juni 2016 ist der Betroffene nach Italien rücküberstellt worden. Mit der Rechtsbeschwerde beantragt er die Feststellung, durch die angeordnete Haft in seinen Rechten verletzt zu sein.

II.

2

Nach Ansicht des Beschwerdegerichts liegen die formellen und materiellen Voraussetzungen für die Anordnung von Abschiebungshaft vor. Zwar habe die beteiligte Behörde in dem Haftantrag zunächst keine konkreten Ausführungen zur erforderlichen Haftdauer gemacht; sie habe ihre Angaben aber nachträglich ergänzt.

III.

3

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat im Wesentlichen Erfolg.

1. Die angeordnete Haft ist bis zum 22. Juni 2016 rechtswidrig, weil der Haftantrag der beteiligten Behörde mangels Angaben zur Notwendigkeit der beantragten Haftdauer unzulässig war. Eine Heilung dieses Mangels ist erst am 23. Juni 2016 erfolgt.

4

a) Der Haftantrag war ursprünglich unzulässig.

Ein Haftantrag ist nur zulässig, wenn er Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer enthält (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Fehlt es daran, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (st. Rspr., vgl. Senat, Beschluss vom 15. September 2016 - V ZB 30/16, Rn. 5 mwN). Zu Recht beanstandet die Rechtsbeschwerde, dass der Haftantrag der beteiligten Behörde diesen Anforderungen nicht genügt. Deren Angaben, dass für den Betroffenen umgehend ein Flug nach Italien gebucht werden und nach Eingang der Flugbestätigung dessen Abschiebung erfolgen solle, lassen nicht erkennen, warum dies eine Haftdauer von drei Monaten erfordert.

5

b) Zutreffend nimmt das Beschwerdegericht an, dass der Mangel des Haftantrags im Beschwerdeverfahren geheilt worden ist. Es verkennt aber, dass der Mangel nur mit Wirkung für die Zukunft behoben werden konnte.

6

aa) Mängel des Haftantrags können mit Wirkung für die Zukunft behoben werden, indem die Behörde von sich aus oder auf richterlichen Hinweis ihre Darlegungen ergänzt und dadurch die Lücken in ihrem Haftantrag schließt oder indem der Haftrichter selbst die Voraussetzungen zur Durchführbarkeit der Aboder Zurückschiebung des Ausländers und zu der dafür erforderlichen Haftdauer in seiner Entscheidung feststellt (§ 26 FamFG, vgl. zum Ganzen Senat, Beschluss vom 16. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 21 ff.). Zwingende weitere Voraussetzung für eine rechtmäßige Haftanordnung ist in einem solchen Fall, dass der Betroffene zu den ergänzenden Angaben persönlich angehört wird (Senat, Beschluss vom 15. September 2016 - V ZB 30/16, Rn. 9 mwN).

7

bb) Danach ist eine Heilung ab dem 23. Juni 2016 erfolgt.

8

(1) Im Abhilfeverfahren vor dem Amtsgericht, in dem die Haftdauer auf knapp zwei Monate begrenzt wurde, ist der Mangel des Haftantrages nicht geheilt worden. Der allgemeine Hinweis in dem Abhilfebeschluss auf die in Art. 28 Abs. 3 Dublin-III-Verordnung genannten Fristen stellt keine ausreichende Begründung für die Notwendigkeit einer Haftdauer von knapp zwei Monaten dar. Dies gilt umso mehr, als in dem Haftanordnungsbeschluss ausgeführt ist, dass die Abschiebung "umgehend durchgeführt werden" könne. Im Übrigen hat der Haftrichter den Betroffenen zu den ergänzenden Ausführungen nicht nochmals angehört.

9

(2) Eine Heilung ist jedoch im Beschwerdeverfahren erfolgt. Die beteiligte Behörde hat mit Schreiben vom 23. Juni 2016 mitgeteilt, dass die Abschiebung für den 27. Juni 2016 terminiert sei. Damit hat sie ihre Angaben zu der noch erforderlichen Haftdauer hinreichend ergänzt. Das Beschwerdegericht hat eine Kopie des Schreibens dem Betroffenen ausgehändigt und ihn am 23. Juni 2016 nochmals persönlich angehört. Der Mangel des Haftantrages war ab diesem Zeitpunkt mit Wirkung für die Zukunft geheilt. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist für die Behebung des Begründungsmangels nicht erforderlich, dass die Behörde Ausführungen zur Erforderlichkeit der bereits zurückliegenden Haftdauer macht. Maßgeblich für die Heilung des Mangels des Haftantrages ist allein, ob die ergänzenden Angaben die Erforderlichkeit der noch verbleibenden Haftzeit hinreichend begründen. Die hiervon zu unterscheidende Frage, ob das Verfahren mit der gebotenen Beschleunigung geführt wurde, betrifft nicht die Zulässigkeit des Haftantrages.

10

3. Unbegründet ist die Rechtsbeschwerde, soweit der Betroffene festgestellt wissen will, dass die Haftanordnung ihn auch ab dem 23. Juni 2016 in seinen Rechten verletzt hat.

11

4. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

Stresemann

Schmidt-Räntsch

Weinland

Göbel

Hamdorf

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