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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 26.10.2016, Az.: XII ARZ 40/16
Abgabe eines Verfahrens in Kindschaftssachen aus wichtigem Grund an ein anderes Oberlandesgericht (OLG); Zuständigkeitsbestimmung bei Ablehnung der Übernahme durch das angerufene OLG
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 26.10.2016
Referenz: JurionRS 2016, 28225
Aktenzeichen: XII ARZ 40/16
ECLI: ECLI:DE:BGH:2016:261016BXIIARZ40.16.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

OLG Düsseldorf - 01.08.2016 - AZ: II-3 UF 127/16

OLG Karlsruhe - 30.06.2016 - AZ: 5 UF 201/14

Fundstellen:

FamRB 2017, 57

FamRZ 2017, 130

FF 2017, 41

MDR 2017, 167-168

NJW-RR 2017, 1-2

BGH, 26.10.2016 - XII ARZ 40/16

Amtlicher Leitsatz:

ZPO § 36 Abs. 3; FamFG § 5 Abs. 2

Will in einer Kindschaftssache ein Oberlandesgericht das Verfahren aus wichtigem Grund an ein anderes Oberlandesgericht abgeben und erklärt sich das angerufene Oberlandesgericht nicht zur Übernahme bereit, ist nicht der Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts berufen, sondern nach § 5 Abs. 2 FamFG das Oberlandesgericht, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Oktober 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Schilling, Dr. Günter und Dr. Botur und die Richterin Dr. Krüger

beschlossen:

Tenor:

Die Vorlage an den Bundesgerichtshof ist unzulässig.

Gründe

I.

1

Die Vorlage betrifft den Streit zwischen zwei Oberlandesgerichten über die Möglichkeit der Abgabe eines Beschwerdeverfahrens in Kindschaftssachen.

2

Die Beteiligten zu 1 und 2 sind die Eltern der betroffenen Kinder Dustin, Marvin, Jordan und Shakira. In der Zeit von Mitte Juli 2012 bis Ende September 2014 waren die vier Kinder in einem Jugendheim in S. untergebracht. Seit dem 1. Oktober 2014 leben Jordan und Shakira in einem SOSKinderdorf in K. . Marvin befindet sich außerhalb des Kinderdorfs in K. in Obhut und Dustin ist zur Zeit unbekannten Aufenthalts.

3

Mit Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Karlsruhe vom 12. September 2013 ist den Eltern das Sorgerecht für ihre Kinder in Teilbereichen entzogen worden. Ihren Antrag, diesen Beschluss aufzuheben und ihnen das Sorgerecht für die vier Kinder wieder vollständig zu übertragen, hat das Amtsgericht - Familiengericht - Offenburg mit Beschluss vom 13. August 2014 zurückgewiesen. Hiergegen haben die Eltern Beschwerde eingelegt, die vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe anhängig war.

4

Da derzeit beim Oberlandesgericht Düsseldorf eine Beschwerde der Eltern gegen eine Entscheidung des Amtsgerichts - Familiengericht - Kleve in einer dieselben Kinder betreffenden Umgangsrechtssache anhängig ist, hat das Oberlandesgericht Karlsruhe die Beteiligten zunächst auf die Absicht hingewiesen, das Verfahren gemäß § 4 FamFG an das Oberlandesgericht Düsseldorf abzugeben. Nachdem die Übernahme des Verfahrens telefonisch durch den Vorsitzenden des 3. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf abgelehnt worden ist, hat das Oberlandesgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 30. Juni 2016 das Oberlandesgericht Düsseldorf als zuständiges Gericht für das Beschwerdeverfahren bestimmt und das Verfahren an das Amtsgericht - Familiengericht - Kleve zur Vorlage und Übernahme des Beschwerdeverfahrens durch das Oberlandesgericht Düsseldorf abgegeben.

5

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat mit Beschluss vom 1. August 2016 die Sache in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 3 ZPO dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

II.

6

Die Vorlage ist unzulässig. Eine Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs zur Entscheidung ist weder in unmittelbarer noch in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 3 ZPO gegeben.

7

1. Nach § 36 Abs. 3 ZPO entscheidet der Bundesgerichtshof, wenn ein Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen will. Eine direkte Anwendung dieser Vorschrift kommt im vorliegenden Fall schon deshalb nicht in Betracht, weil die Abgabeentscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe in einer Kindschaftssache im Sinne von §§ 111 Nr. 2, 151 Nr. 1 FamFG ergangen ist und sich daher das Verfahren allein nach den Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit bestimmt. Dort findet sich in § 5 FamFG eine spezielle Vorschrift, die die Zuständigkeit für die Bestimmung des zuständigen Gerichts regelt. § 36 Abs. 3 ZPO ist gemäß § 113 Abs. 1 FamFG nur in Ehesachen (§§ 111 Nr. 1, 121 FamFG) und Familienstreitsachen (§ 112 FamFG) anwendbar.

8

2. Eine Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs zur Bestimmung des zuständigen Oberlandesgerichts lässt sich auch nicht mit einer entsprechenden Anwendung des § 36 Abs. 3 ZPO begründen. Hierfür fehlt es bereits an der für eine Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke.

9

Möchte ein Gericht ein Verfahren nach § 4 FamFG aus wichtigem Grund abgeben und können sich die beteiligten Gerichte nicht einigen, wird das zuständige Gericht nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 FamFG grundsätzlich durch das nächsthöhere gemeinsame Gericht bestimmt. Ist das nächsthöhere gemeinsame Gericht der Bundesgerichtshof, wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört (§ 5 Abs. 2 FamFG).

10

§ 5 FamFG enthält für Verfahren in Familiensachen - mit Ausnahme von Ehesachen und Familienstreitsachen, für die auf die Zivilprozessordnung verwiesen wird (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG) - und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine abschließende Regelung der gerichtlichen Zuständigkeiten in Kompetenzkonflikten. Eine Bestimmungszuständigkeit des Bundesgerichtshofs sieht die Vorschrift nicht vor. Auch eine dem § 36 Abs. 3 ZPO vergleichbare Divergenzvorlage zum Bundesgerichtshof findet sich in § 5 FamFG nicht (vgl. Keidel/Sternal FamFG 18. Aufl. § 5 Rn. 42; Prütting/Helms/ Prütting FamFG 3. Aufl. § 5 Rn. 36).

11

§ 5 Abs. 2 FamFG knüpft an die frühere Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGG an (BT-Drucks. 16/6308 S. 176). Darin war bereits die Regelung enthalten, dass die Zuständigkeit durch das mit der Sache zuerst befasste Oberlandesgericht bestimmt wird, wenn der Bundesgerichtshof das gemeinschaftliche obere Gericht ist. An dieser Entlastung des Bundesgerichtshofs von Aufgaben bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts wollte der Gesetzgeber bei der Neuregelung des § 5 FamFG ersichtlich festhalten. Auch der Hinweis in den Gesetzgebungsmaterialien auf § 46 Abs. 2 FGG (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 176) belegt, dass der Gesetzgeber bei der Gestaltung von § 5 FamFG eine Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs für Entscheidungen in Kompetenzkonflikten vermeiden wollte. Denn § 46 Abs. 2 FGG enthielt für den Fall der Abgabe einer Vormundschaft ebenfalls eine Regelung, die die Bestimmungszuständigkeit auf die Ebene der Oberlandesgerichte verlagerte, wenn der Bundesgerichtshof das gemeinschaftliche obere Gericht ist. Zudem sah der Entwurf des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zunächst eine Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs zumindest in den Fällen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 FamFG vor (BT-Drucks. 309/07 S. 24). In der endgültigen Gesetzesfassung wurde jedoch auf Empfehlung des Rechtsausschusses von dieser Regelung abgesehen, um die Vorschrift mit § 36 Abs. 2 ZPO zu harmonisieren (vgl. BT-Drucks. 16/9733 S. 24, 287), der ebenfalls keine reguläre Bestimmungszuständigkeit des Bundesgerichtshofs als höheres gemeinschaftliches Gericht vorsieht (vgl. Zöller/Vollkommer ZPO 31. Aufl. § 36 Rn. 4 a).

12

Dies erhellt, dass der Gesetzgeber zur Entlastung des Bundesgerichtshofs bewusst die Entscheidung von Kompetenzkonflikten auf die Ebene der Oberlandesgerichte verlagern wollte. Eine planwidrige Regelungslücke als Voraussetzung für eine analoge Anwendung des § 36 Abs. 3 ZPO liegt daher nicht vor.

13

Der Bundesgerichtshof ist somit nicht zur Entscheidung über den Kompetenzkonflikt berufen.

Dose

Schilling

Günter

Botur

Krüger

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