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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 18.10.2016, Az.: I ZR 166/15
Europarechtliche Anerkennbarkeit eines Vorbenutzungsrechts des Markenverletzers
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 18.10.2016
Referenz: JurionRS 2016, 28568
Aktenzeichen: I ZR 166/15
ECLI: ECLI:DE:BGH:2016:181016BIZR166.15.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Köln - 12.11.2014 - AZ: 84 O 81/14

OLG Köln - 17.07.2015 - AZ: 6 U 187/14

Rechtsgrundlagen:

Art. 267 Abs. 3 AEUV

§ 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG

§ 14 Abs. 2 Nr. 3 UWG

BGH, 18.10.2016 - I ZR 166/15

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Oktober 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Koch, Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke und den Richter Feddersen
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 17. Juli 2015 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert beträgt 100.000 €.

Gründe

1

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, die auf die Verletzung von Verfahrensgrundrechten gestützten Rügen greifen nicht durch und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert auch im Übrigen keine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

2

2. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - C-283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 21 = NJW 1983, 1257 - C.I.L.F.I.T.). Entgegen der Ansicht der Beschwerde stellt sich im Streitfall keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt ist oder nicht zweifelsfrei zu beantworten ist.

3

a) Die Beschwerde meint, dem Gerichtshof der Europäischen Union seien folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken dahin auszulegen, dass es sich bei dem Merkmal "ohne rechtfertigenden Grund" um ein spezifisches Tatbestandsmerkmal dieser Bestimmung handelt, das nicht auf die Tatbestände des Art. 5 Abs. 1 übertragen werden kann, oder handelt es sich lediglich um einen Ausdruck des generellen Erfordernisses der Rechtswidrigkeit der Markenbenutzung, das als solches auch Geltung für die Tatbestände des Art. 5 Abs. 1 beansprucht und dessen ausdrücklicher Erwähnung in Art. 5 Abs. 2 lediglich die Funktion eines Hinweises zukommt, der Frage der Rechtswidrigkeit der Markenbenutzung im Anwendungsbereich dieser Bestimmung stets gesonderte Aufmerksamkeit zukommen zu lassen?

Sofern diese Frage in ihrer zweiten Alternative zu bejahen sein sollte:

Welche Gesichtspunkte sind bei der Beurteilung der Frage zu berücksichtigen, ob eine der Hinterlegung der Marke vorausgehende Benutzung eines dieser Marke ähnlichen Zeichens für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen durch einen Dritten als ein "rechtfertigender Grund" eingestuft werden kann, der die Rechtswidrigkeit der Benutzung dieses Zeichens ausschließt?

Kann dabei auch auf eine Wechselwirkung abgestellt werden, wonach das Interesse des Vorbenutzers in dem Maße an Bedeutung gewinnt, in dem der Grad der Verwechslung abnimmt und umgekehrt?

4

Die Beschwerde führt zur Begründung ihrer Ansicht aus, es sei insbesondere vor dem Hintergrund der Ausführungen des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Sache "De Vries/Red Bull" (Urteil vom 6. Februar 2014 - C-65/12, GRUR 2014, 280) die Frage klärungsbedürftig, ob im Rahmen des im Streitfall maßgeblichen Tatbestands der Verwechslungsgefahr gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ein Vorbenutzungsrecht des Markenverletzers anerkannt werden könne. Der Gerichtshof der Europäischen Union habe angenommen, dass ein "rechtfertigender Grund" im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (nachfolgend: Richtlinie 89/104/EWG) auch in einer redlichen Vorbenutzung liegen könne. Zwar finde sich das Merkmal des rechtfertigenden Grundes nicht in Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/104/EWG und damit in der Bestimmung, die dem im Streitfall maßgeblichen Tatbestand der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zugrunde liege. Es sei jedoch geboten oder jedenfalls sachgerecht, das in Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 89/104/EWG und in § 14 Abs. 2 Nr. 3 UWG enthaltene Tatbestandsmerkmal "ohne rechtfertigenden Grund" - insbesondere in Gestalt einer redlichen Vorbenutzung - auch bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/104/EWG und § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zur Anwendung zu bringen.

5

b) Damit kann sie keinen Erfolg haben. Es fehlt an einer Klärungsbedürftigkeit dieser Fragen.

6

aa) Die Beschwerde legt nicht dar, dass die von ihr aufgeworfenen Fragen in der Rechtsprechung oder Literatur umstritten sind. Es entspricht vielmehr - soweit ersichtlich - der einhelligen Auffassung, dass im Rahmen der Prüfung der Verwechslungsgefahr gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG kein Vorbenutzungsrecht anerkannt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2002 - I ZR 156/99, GRUR 2002, 544, 546 = WRP 2002, 537 - BANK 24; Hacker in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 14 Rn. 28).

7

bb) Eine Klärungsbedürftigkeit ergibt sich entgegen der Ansicht der Beschwerde auch nicht aus der Entscheidung "De Vries/Red Bull" des Gerichtshofs der Europäischen Union. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in dieser Entscheidung keinerlei Ausführungen zur Maßgeblichkeit eines Vorbenutzungsrechts im Rahmen der Prüfung der Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/104/EWG gemacht. Gegenstand der Entscheidung ist vielmehr allein die Auslegung des Merkmals "rechtfertigender Grund" im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie und damit die im Streitfall nicht relevante Frage des Schutzumfangs einer bekannten Marke gemäß Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie (EuGH, GRUR 2014, 280 Rn. 27 ff.). Der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union lässt sich auch sonst kein Anhaltspunkt für die von der Beschwerde vertretene Ansicht entnehmen, wonach das Merkmal des "rechtfertigenden Grundes" nicht nur für den Schutz einer bekannten Marke gemäß Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 89/104/EWG, sondern auch für den Tatbestand der Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/104/EWG Bedeutung haben kann. Im Gegenteil: Der Gerichthof der Europäischen Union hat in seiner Entscheidung gerade auf die unterschiedliche Zwecksetzung der in Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2 der Richtlinie geregelten Tatbestände sowie die Unterschiede in Bezug auf deren Schutzumfang hingewiesen (aaO Rn. 35 ff.). Der Gerichtshof hat seine Entscheidung außerdem maßgeblich auf die spezifische Funktion des Merkmals des "rechtfertigenden Grundes" im Hinblick auf die Begrenzung des Schutzes von bekannten Marken gemäß Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 89/104/EWG gestützt (aaO Rn. 46).

8

3. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

9

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Büscher

Koch

Löffler

Schwonke

Feddersen

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