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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 15.09.2016, Az.: V ZB 30/16
Anforderungen an die Angaben zur notwendigen Haftdauer im Rahmen der Begründung eines Haftantrags
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 15.09.2016
Referenz: JurionRS 2016, 25543
Aktenzeichen: V ZB 30/16
ECLI: ECLI:E:BGH:2016:150916BVZB30.16.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

AG Meschede - 14.01.2016 - AZ: 4 XIV (B) 2/16

LG Arnsberg - 10.02.2016 - AZ: I-2 T 7/16

BGH, 15.09.2016 - V ZB 30/16

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. September 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Brückner, den Richter Dr. Göbel und die Richterin Haberkamp
beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Meschede vom 14. Januar 2016 und der Beschluss des Landgerichts Arnsberg - 2. Zivilkammer - vom 10. Februar 2016 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Hochsauerlandkreis auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe

I.

1

Der Betroffene, ein tunesischer Staatsangehöriger, reiste im Jahr 2010 in das Bundesgebiet ein und gab sich zunächst als irakischer Staatsangehöriger aus. Sein Asylantrag wurde im Jahr 2011 abgelehnt. Ein Asylfolgeantrag, den er im Jahr 2015 unter Angabe zutreffender Personalien und unter Vorlage eines gültigen tunesischen Reisepasses stellte, war ebenfalls erfolglos. Da dieser Pass inzwischen abgelaufen war, wurde der Betroffene zunächst geduldet. Am 14. Januar 2016 sprach er mit einem neuen gültigen tunesischen Pass bei der Ausländerbehörde vor und wurde festgenommen.

2

Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht am 14. Januar 2016 Haft bis zum 10. März 2016 angeordnet. Die Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit der er nach der am 7. März 2016 erfolgten Abschiebung die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung feststellen lassen will.

II.

3

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

4

1. Die Haftanordnung des Amtsgerichts war schon deshalb rechtswidrig, weil der Haftantrag unzulässig war.

5

a) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falls wesentlichen Punkte ansprechen. Fehlt es daran, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (st. Rspr., vgl. Senat, Beschluss vom 18. Dezember 2014 - V ZB 192/13, Rn. 6 mwN).

6

b) Daran gemessen ist der Haftantrag unzulässig, weil die Angaben zu der notwendigen Haftdauer nicht ausreichen. Ausgeführt wird nur, dass laut Auskunft der Zentralstelle für Flugabschiebung der Zentralen Ausländerbehörde die Rückführung am 10. März 2016 möglich sei. Sofern sich im Laufe des Verfahrens herausstelle, dass die Abschiebung bereits zu einem früheren Zeitpunkt möglich sei, werde umgehend eine entsprechende Verkürzung der Haft beantragt.

7

Diese Begründung ist unzureichend. Die Behörde hätte jedenfalls knapp erläutern müssen, welche organisatorischen Verfahrensschritte den beantragten Zeitraum von zwei Monaten trotz des vorhandenen Reisepasses erforderlich machten und warum eine frühere Flugbuchung nicht erfolgen konnte. Da die Anordnung der Haft auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist (§ 62 Abs. 1 Satz 2 AufenthG; vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 10. Mai 2012 - V ZB 246/11, FGPrax 2012, 225 Rn. 10; Beschluss vom 31. Januar 2013 - V ZB 20/12, FGPrax 2013, 130 Rn. 15), waren diese Angaben auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Behörde eine spätere Verkürzung der Haft in Aussicht stellte.

8

2. Eine Heilung ist im Beschwerdeverfahren nicht erfolgt.

9

a) Mängel des Haftantrags können behoben werden, indem die Behörde von sich aus oder auf richterlichen Hinweis ihre Darlegungen ergänzt und dadurch die Lücken in ihrem Haftantrag schließt, oder indem der Haftrichter selbst die Voraussetzungen zur Durchführbarkeit der Ab- oder Zurückschiebung des Ausländers und zu der dafür erforderlichen Haftdauer in seiner Entscheidung feststellt (§ 26 FamFG, vgl. zum Ganzen Senat, Beschluss vom 16. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 21 ff.). Zwingende weitere Voraussetzung für eine rechtmäßige Haftanordnung ist in einem solchen Fall, dass der Betroffene zu den ergänzenden Angaben persönlich angehört wird (vgl. Senat, Beschluss vom 11. Februar 2016 - V ZB 24/14, Rn. 9).

10

b) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Zwar war die Abschiebung im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (also am 10. Februar 2016) für den 10. März 2016 geplant. Aber warum sie trotz vorliegenden Reisepasses erst einen Monat nach der Entscheidung über die Beschwerde erfolgen konnte, hat auch das Beschwerdegericht nicht festgestellt. Zudem hat es den Betroffenen nicht persönlich angehört.

11

3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

Stresemann

Schmidt-Räntsch

Brückner

RiBGH Dr. Göbel ist infolge Urlaubs an der Unterschrift gehindert.
Karlsruhe, den 19. September 2016
Die Vorsitzende Stresemann

Haberkamp

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