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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 09.08.2016, Az.: AnwZ (Brfg) 13/16
Widerruf der Erlaubnis zum Führen eines Fachanwaltstitels aufgrund einer nicht nachgewiesenen Fortbildung
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 09.08.2016
Referenz: JurionRS 2016, 24338
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 13/16
ECLI: ECLI:DE:BGH:2016:090816BANWZ.BRFG.13.16.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

AGH Nordrhein-Westfalen - 11.12.2015 - AZ: 1 AGH 45/15

Verfahrensgegenstand:

Widerruf der Erlaubnis, eine Fachanwaltsbezeichnung zu führen

BGH, 09.08.2016 - AnwZ (Brfg) 13/16

Redaktioneller Leitsatz:

  1. 1.

    Die zuständige Rechtsanwaltskammer kann zwar bei der Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens über den Widerruf des Fachanwaltstitels wegen der Nichterfüllung der Fortbildungspflicht gegebenenfalls auch nach Ablauf des maßgeblichen Kalenderjahres eingetretene Umstände berücksichtigen. Für Ereignisse, die erst nach Erlass des Widerrufsbescheides eingetreten sind, kann dies jedoch nicht gelten.

  2. 2.

    Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt keine Verpflichtung der Gerichte, der von einer Partei vertretenen Rechtsansicht zu folgen.

Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richterin Lohmann, den Richter Seiters sowie die Rechtsanwältin Schäfer und den Rechtsanwalt Dr. Lauer

am 9. August 2016 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 11. Dezember 2015 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 12.500 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger ist Rechtsanwalt. Seit 2002 darf er die Bezeichnung "Fachanwalt für Strafrecht" führen. Mit Verfügung vom 23. September 2015 widerrief die beklagte Rechtsanwaltskammer die Erlaubnis zum Führen dieser Bezeichnung, weil der Kläger keine Fortbildung für das Jahr 2014 nachgewiesen hatte. Die Klage gegen diesen Bescheid ist erfolglos geblieben. Der Kläger hat die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs beantragt. Die Beklagte hat zwischenzeitlich mitgeteilt, dass der Kläger mit Schreiben vom 31. Dezember 2015, bei der Beklagten eingegangen am 18. April 2016, auf die Führung der Bezeichnung "Fachanwalt für Strafrecht" verzichtet habe. Mit Bescheid vom 17. Mai 2016 hat die Beklagte die Befugnis zur Führung der Bezeichnung "Fachanwalt für Strafrecht" widerrufen. Dieser Bescheid ist bestandskräftig geworden. Der Kläger ist durch Verfügung der Berichterstatterin vom 4. Juli 2016 gebeten worden mitzuteilen, ob der Zulassungsantrag zurückgenommen oder der Rechtsstreit für erledigt erklärt worden soll.

II.

2

Der nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthafte Antrag bleibt unabhängig von der Frage, ob nach der Erledigung noch ein Rechtsschutzinteresse besteht, ohne Erfolg.

3

1. Der Antragsteller rügt eine Verletzung seines Grundrechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Er trägt vor, der Vorsitzende habe "falsch" und unter Hinweis auf "die BGH-Rechtsprechung" in den Sach- und Streitstand eingeführt, weshalb ein Vortrag dazu, dass er, der Kläger, durch Erkrankungen an Fortbildungen gehindert gewesen sei, "obsolet" gewesen sei.

4

Die Verletzung eines Verfahrensgrundrechts ist damit nicht schlüssig dargetan. Der Kläger benennt keinen Sachvortrag, den der Anwaltsgerichtshof nicht zur Kenntnis genommen habe. Der Sache nach wendet er sich gegen die aus der Einführung in den Sach- und Streitstand ersichtliche vorläufige Rechtsauffassung des Anwaltsgerichtshofs, die ihn von Tatsachenvortrag abgehalten habe, welcher auf dieser Grundlage unerheblich gewesen wäre. Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt jedoch keine Verpflichtung der Gerichte, der von einer Partei vertretenen Rechtsansicht zu folgen (BVerfGE 87, 1, 33; BGH, Beschluss vom 21. Februar 2008 - IX ZR 62/07, DStRE 2009, 328 Rn. 5; vom 19. Mai 2011 - IX ZB 214/10, NZI 2011, 540 Rn. 13).

5

2. Der Kläger beruft sich weiter auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Er behauptet, die Fortbildungspflicht erfüllt, nämlich im Jahre 2015 zehn Fortbildungsstunden nachgewiesen zu haben.

6

Dieser Vortrag ist nicht geeignet, die Richtigkeit des anzufechtenden Urteils in Zweifel zu ziehen. Der Anwaltsgerichtshof ist von fünf Fortbildungsstunden ausgegangen, welche der Kläger nach Zustellung des Widerrufsbescheids im Oktober 2015 absolviert hatte. Auf die Rechtmäßigkeit des zuvor ergangenen, die Fortbildungspflicht im Jahre 2014 betreffenden Bescheides hatten sich diese fünf Stunden nicht ausgewirkt. Gleiches gilt, soweit der Kläger später noch weitere Fortbildungsveranstaltungen besucht haben sollte. Der Tatbestand der Nichterfüllung der Fortbildungspflicht stand mit Ablauf des Jahres 2014 fest (vgl. BGH, Urteil vom 8. April 2013 - AnwZ (Brfg) 16/12, NJW 2013, 2364 Rn. 10; Beschluss vom 5. Mai 2014 - AnwZ (Brfg) 76/13, AnwBl. 2014, 755 Rn. 9). Nach gefestigter Senatsrechtsprechung hat die zuständige Rechtsanwaltskammer zwar bei der Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens über die Widerrufsentscheidung gegebenenfalls auch nach Ablauf des maßgeblichen Kalenderjahres eingetretene Umstände zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 26. November 2012 - AnwZ (Brfg) 56/11, NJW 2013, 175 Rn. 8 f.; vom 8. April 2013 - AnwZ (Brfg) 16/12, NJW 2013, 2364 Rn. 10; Beschluss vom 5. Mai 2014 - AnwZ (Brfg) 76/13, AnwBl. 2014, 755 Rn. 10). Für Ereignisse, die erst nach Erlass des Bescheides eingetreten sind, kann dies jedoch nicht gelten.

7

Soweit der Kläger meint, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, eine ausreichende Zahl von Fortbildungsveranstaltungen anzubieten, trifft dies nicht zu. Weder die Bundesrechtsanwaltsordnung noch die Fachanwaltsordnung sehen eine entsprechende Pflicht der Kammern vor.

III.

8

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52 Abs. 1 GKG. In Verfahren, welche das Führen von Fachanwaltsbezeichnungen betreffen, setzt der Senat den Streitwert regelmäßig auf 12.500 € fest (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 2012 - AnwZ (Brfg) 56/11, NJW 2013, 175 Rn. 13; vom 8. April 2013 - AnwZ (Brfg) 16/12, NJW 2013, 2364 Rn. 17). Umstände, die im vorliegenden Fall ein Abweichen von dieser Praxis erfordern könnten, sind nicht ersichtlich.

Kayser

Lohmann

Seiters

Schäfer

Lauer

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