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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 14.07.2016, Az.: V ZB 94/14
Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungshaft bei einem ausreiseunwilligen Asylbewerber
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 14.07.2016
Referenz: JurionRS 2016, 23669
Aktenzeichen: V ZB 94/14
ECLI: ECLI:DE:BGH:2016:140716BVZB94.14.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

AG Günzburg - 23.04.2014 - AZ: XIV 126/14 (B)

LG Memmingen - 28.04.2014 - AZ: 42 T 629/14

BGH, 14.07.2016 - V ZB 94/14

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Juli 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richter Dr. Czub, Dr. Kazele und Dr. Göbel

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Memmingen - 4. Zivilkammer - vom 28. April 2014 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe

I.

1

Dem Betroffenen, ein irakischer Staatsangehöriger, wurde durch die beteiligte Behörde zuletzt am 21. Februar 2014 eine Duldung bis zum 23. April 2014 erteilt. Ferner wurde er von der beteiligten Behörde auf seine vollziehbare Ausreisepflicht hingewiesen. Da er daraufhin erklärte, nicht freiwillig ausreisen zu wollen, wurde ihm die Abschiebung in den Irak nach Ablauf eines Monats angedroht.

2

Nachdem der Betroffene aufgrund der Anordnung einer einstweiligen Freiheitsentziehung vom 11. April 2014 festgenommen und am 23. April 2014 dem Haftrichter vorgeführt worden war, hat das Amtsgericht auf den - sowohl die einstweilige Freiheitsentziehung als auch die Sicherungshaft betreffenden Antrag der beteiligten Behörde vom 20. März 2014 Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum 30. April 2014 angeordnet. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht am 28. April 2014 zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde will der Betroffene, der am 28. April 2014 aus der Haft entlassen wurde, die Feststellung der Verletzung seiner Rechte durch die angegriffenen Entscheidungen erreichen.

II.

3

Das Beschwerdegericht meint, die Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungshaft seien gegeben.

III.

4

Die gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG statthafte und auch im Übrigen (§ 71 FamFG) zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

5

Die von der Rechtsbeschwerde erhobene Rüge, dem Betroffenen sei der Haftantrag vor seiner gerichtlichen Anhörung nicht bekanntgegeben worden, führt im vorliegenden Fall nicht zur Rechtswidrigkeit der Haftanordnung.

6

1. Richtig ist zwar, dass Verfahrensfehler bei der Durchführung der persönlichen Anhörung des Betroffenen § 420 FamFG und damit auch Art. 104 Abs. 1 GG verletzen, wenn sie nicht nur den formal ordnungsmäßigen Ablauf der Anhörung, sondern deren Grundlagen betreffen (vgl. Senat, Beschluss vom 18. Februar 2016 - V ZB 23/15, InfAuslR 2016, 235 Rn. 26 mwN). Dies ist etwa der Fall, wenn der Anhörung ein unzulässiger (Senat, Beschluss vom 16. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 19, 22) oder ein unvollständiger (Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210 Rn. 16 f.) Haftantrag zugrunde liegt oder wenn der zulässige Haftantrag bei der Anhörung nicht zumindest in den wesentlichen Grundzügen sinngemäß mündlich in eine Sprache übersetzt wird, die der Betroffene beherrscht (vgl. Senat, Beschluss vom 12. März 2015 - V ZB 187/14, InfAuslR 2015, 301 Rn. 5 aE). Eine vollständig unterbliebene Bekanntgabe des Haftantrages vor der Anhörung des Betroffenen führt daher zu einer Verletzung von Art. 104 Abs. 1 GG und begründet die Rechtswidrigkeit einer Haftanordnung.

7

2. Vorliegend ist dem Betroffenen aber der Haftantrag in Gestalt des die einstweilige Freiheitsentziehung anordnenden Beschlusses vom 11. April 2014 bekanntgegeben worden.

8

Dem Anhörungsprotokoll des Amtsgerichts, auf das die Rechtsbeschwerde verweist, ist eine Bekanntgabe des Haftantrags an den Betroffenen nicht zu entnehmen. Allerdings geht aus ihm hervor, dass dem Betroffenen der Beschluss des Amtsgerichts vom 11. April 2014 eröffnet worden ist. Weiter ist dem Protokoll die Erklärung des Betroffenen zu entnehmen, dass er den Gerichtsbeschluss erhalten, gelesen und verstanden habe. Einer Übersetzung bedürfe es nicht. Der Beschluss vom 11. April 2014 gibt, wenn auch in gekürzter Fassung, so doch hinreichend detailliert den im Haftantrag enthaltenen Sachverhalt, der auch die Anordnung von Sicherungshaft rechtfertigen soll, wieder. Darüber hinaus enthält er eine ins Detail gehende rechtliche Würdigung des Richters, wonach auch in der Hauptsache eine Haft zur Sicherung der Abschiebung anzuordnen sein wird. Damit enthält dieser Beschluss alle entscheidungserheblichen Tatsachen, die nach § 417 Abs. 2 FamFG notwendiger Bestandteil eines Haftantrages sind und auch Gegenstand des Haftantrages der beteiligten Behörde waren. Vor diesem Hintergrund bedurfte es ausnahmsweise nicht noch der Bekanntgabe des Haftantrages selbst. Dem Betroffenen war es auf der Grundlage des ihm bekanntgegebenen Gerichtsbeschlusses möglich, sich sachgerecht zu verteidigen.

9

3. Auch eine entscheidungserhebliche Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG liegt nicht vor. Der Betroffene war durch die Bekanntgabe des Beschlusses über den Inhalt des Haftantrages hinreichend informiert. Andere Tatsachen sind im Rahmen der Haftanordnung nicht verwertet worden. Dass der Betroffene, wenn ihm der Haftantrag selbst bekanntgegeben worden wäre, Umstände vorgetragen hätte, die zu einer anderen Bewertung geführt hätten, hat die Rechtsbeschwerde nicht dargelegt.

10

4. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

Stresemann

Schmidt-Räntsch

RiBGH Dr. Czub ist infolge Krankheit an der Unterschrift gehindert.
Karlsruhe, den 17. August 2016
Die Vorsitzende Stresemann

Kazele

Göbel

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