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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 21.04.2016, Az.: AnwZ (Brfg) 1/16
Widerruf der Zulassung eines Rechtsanwalts wegen Vermögensverfalls aufgrund eines Vollstreckungsverfahrens wegen Steuerrückständen
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 21.04.2016
Referenz: JurionRS 2016, 16429
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 1/16
ECLI: ECLI:DE:BGH:2016:210416BANWZBRFG1.16.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

AGH Baden-Württemberg - 12.11.2015 - AZ: AGH 7/2015 I

Verfahrensgegenstand:

Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft

BGH, 21.04.2016 - AnwZ (Brfg) 1/16

Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Dr. Bünger und Dr. Remmert sowie die Rechtsanwältin Schäfer und den Rechtsanwalt Dr. Lauer

am 21. April 2016
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das ihm am 12. November 2015 an Verkündungs statt zugestellte Urteil des I. Senats des Anwaltsgerichtshofs Baden-Württemberg wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger ist seit 1987 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 9. Februar 2015 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies sie mit dem Kläger am 4. April 2015 zugestelltem Bescheid vom 2. April 2015 zurück. Die gegen den Widerruf der Zulassung in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. April 2015 gerichtete Klage hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Der Kläger beantragt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

II.

2

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (vgl. § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

3

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2011 - AnwZ (Brfg) 30/11, NJW-RR 2012, 189 Rn. 5 mwN). Daran fehlt es.

4

Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist nach der mit Wirkung ab 1. September 2009 erfolgten Änderung des Verfahrensrechts allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, vorliegend mithin auf den Erlass des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 2. April 2015 abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff. und vom 10. März 2014 - AnwZ (Brfg) 77/13, Rn. 3 mwN).

5

a) Der Kläger hat sich zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids vom 2. April 2015 in Vermögensverfall befunden.

6

Ein Vermögensverfall ist gegeben, wenn sich der Rechtsanwalt in ungeordneten, schlechten finanziellen Verhältnissen befindet, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 29. Juni 2011 aaO Rn 4 und vom 10. März 2014 aaO Rn. 3; jeweils mwN).

7

aa) Solche Beweisanzeichen sind vorliegend gegeben. Das Finanzamt L. betreibt, wie sich aus den Schreiben der Oberfinanzdirektion K. vom 23. Januar 2015 und 24. Juli 2015 ergibt und auch der Kläger einräumt (Klagebegründung vom 14. August 2015), gegen den Kläger ein Vollstreckungsverfahren wegen Steuerrückständen für die Jahre 2007, 2008 und 2011 (zu Vollstreckungsmaßnahmen des Finanzamts als hinreichenden Beweisanzeichen für den Vermögensverfall vgl. Senat, Beschluss vom 20. Dezember 2013 - AnwZ (Brfg) 40/13, BeckRS 2014, 02196 Rn. 6). Die Beklagte hat den Widerrufsbescheid vom 9. Februar 2015 hierauf gestützt. Anträge des Klägers auf Aussetzung der Vollziehung der entsprechenden Steuerbescheide blieben bislang ohne Erfolg.

8

bb) Es war danach Sache des Klägers, das in dem Vollstreckungsverfahren liegende Beweisanzeichen für seinen Vermögensverfall durch geeigneten Vortrag auszuräumen. Dies ist ihm nicht gelungen.

9

(1) Auch auf der Grundlage des Klägervortrags - soweit dieser hinreichend konkret ist - ergeben sich für die vorgenannten Zeiträume vollstreckbare Steuerrückstände von mindestens 99.426,95 €.

10

Allerdings hat der Kläger die Steuerrückstände für das Jahr 2007, wie sich aus der Klagebegründung und dem Schreiben der Oberfinanzdirektion K. vom 24. Juli 2015 ergibt, durch eine am 25. März 2015 und mithin vor dem Widerspruchsbescheid vom 2. April 2015 eingegangene Zahlung in Höhe von 30.000 € reduziert. Der von der Oberfinanzdirektion K. zum 22. Juli 2015 festgestellte Kontostand weist dementsprechend für das Jahr 2007 nur noch Steuerrückstände von insgesamt 8.970,94 € (einschließlich Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer, Zinsen und Säumniszuschläge) auf. Soweit sich der Kläger gegen die für das Jahr 2007 festgesetzten Zinsen wehrt, hat das Finanzamt L. den entsprechenden Betrag auf den Einspruch des Klägers bereits erheblich reduziert. Nachvollziehbare Gründe, aus denen sich in dem vom Kläger anhängig gemachten finanzgerichtlichen Verfahren eine weitere Reduzierung der Zinsen ergeben könnte, trägt der Kläger nicht vor.

11

Hinsichtlich der Steuerrückstände für das Jahr 2008 hat sich die Steuerschuld des Klägers, wie sich aus der Anlage zum Schreiben der Oberfinanzdirektion K. vom 24. Juli 2015 an die Beklagte ergibt, - möglicherweise schon vor dem maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids vom 2. April 2015 - auf insgesamt 83.811,37 € reduziert (einschließlich Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer, Zinsen und Säumniszuschläge). Soweit der Kläger in der Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung pauschal geltend macht, eine weitere erhebliche Reduzierung werde sich aufgrund des insofern anhängigen Finanzgerichtsverfahrens ergeben, fehlt es an hinreichend konkretem und nachvollziehbarem Sachvortrag zu einer geringeren Steuerschuld und ihren Gründen.

12

Hinsichtlich der Steuerrückstände für das Jahr 2011 hat sich die Steuerschuld des Klägers, wie sich aus der Anlage zum Schreiben der Oberfinanzdirektion vom 24. Juli 2015 ergibt, - möglicherweise auch hier bereits vor dem Widerspruchsbescheid vom 2. April 2015 - auf insgesamt 6.644,64 € reduziert (einschließlich Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer, Zinsen und Säumniszuschläge). Gegen einen Steuerrückstand in dieser Höhe erhebt der Kläger in der Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung keine Einwendungen.

13

(2) Aus dem Vortrag des Klägers ergibt sich nicht, dass er über liquide Mittel verfügt, mit Hilfe derer er zur Erfüllung der vorgenannten Steuerrückstände von mindestens 99.426,95 € in der Lage ist. Vielmehr kann insofern lediglich von einem Kapitalvermögen von 49.325,09 € ausgegangen werden.

14

(a) Der Kläger hat Kontoguthaben in der vorgenannten Höhe für den Zeitpunkt des Widerrufsbescheids vom 9. Februar 2015 durch die mit der Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung vorgelegten Kontoauszüge nachgewiesen.

15

Dagegen hat er den Besitz eines Barbetrags von 20.000 € zum vorgenannten Zeitpunkt beziehungsweise zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids vom 2. April 2015 nicht hinreichend dargelegt. Hinsichtlich eines Betrags von 15.000 €, den der Kläger aus seiner "Nebentätigkeit zu Hause" besessen haben will, bei der "die Geschäfte fast ausschließlich in bar abgewickelt werden", fehlt es an jedwedem Vortrag zur Art der Nebentätigkeit und den aus ihr erzielten Einnahmen. Auch in Bezug auf den Barbetrag von 5.000 €, den der Kläger am 6. Februar 2015 von seinem Konto abgehoben hat, gibt er nicht an, für welche Verwendung diese Abhebung erfolgte und weshalb der Betrag dennoch am 9. Februar 2015 und sogar noch zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids vom 2. April 2015 in seinem Besitz war.

16

(b) Die Lebensversicherung, die der Kläger in dem im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof eingereichten Vermögensstatus zum 9. Februar 2015 mit Rückkaufswerten von 30.000 € angegeben hat, belegt er weiterhin nicht. Der Anwaltsgerichtshof hat zu Recht beanstandet, dass der Kläger die Rückkaufswerte nicht hinreichend darlegt hat und Angaben dazu fehlen, in welchem Zeitraum sie liquidierbar sind. Der allgemeine Vortrag des Klägers in der Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung, der Rückkauf von fondsgebundenen Lebensversicherungen sei in der Regel binnen 14 Tagen möglich, genügt insofern nicht. Gleiches gilt für seine entsprechenden Angaben zu den Erlösen "aus dem Wald" und den in dem Vermögensstatus zum 9. Februar 2015 aufgeführten offenen Forderungen. Letztere werden vom Kläger auch in der Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung weder konkretisiert noch belegt.

17

(c) Schließlich kann auch das vom Kläger in dem Vermögensstatus zum 9. Februar 2015 angegebene Immobilienvermögen keine Berücksichtigung finden. Immobilienvermögen ist nur von Relevanz, wenn es dem Betroffenen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Zulassungswiderrufs als liquider Vermögenswert zur Tilgung seiner Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden hat. Auf die Liquidität entsprechender Mittel kommt es insoweit nach ständiger Senatsrechtsprechung entscheidend an (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 7. Oktober 2013 - AnwZ (Brfg) 44/13, Rn. 5 und vom 9. Februar 2015 - AnwZ (Brfg) 46/14, Rn. 10; jeweils mwN). Eine solche Verfügbarkeit seines Immobilienvermögens zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids vom 2. April 2015 hat der Kläger nicht dargelegt. Soweit er nunmehr vorträgt, eine seiner Eigentumswohnungen wolle sein Sohn kaufen, handelt es sich um einen nach dem Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens liegenden und schon aus diesem Grund nicht berücksichtigungsfähigen Umstand.

18

b) Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist mit einem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden. Hierfür trägt der Rechtsanwalt die Feststellungslast (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Februar 2015 - AnwZ (Brfg) 46/14, Rn. 12 mwN).

19

Die Annahme eines Ausnahmefalls, in dem trotz Vermögensverfalls des Rechtsanwalts eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden nicht gegeben ist, setzt zumindest voraus, dass der Rechtsanwalt - im Wege der Selbstbeschränkung - seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern (vgl. Senatsbeschlüsse vom 24. Oktober 2012 - AnwZ (Brfg) 43/12, Rn. 9; vom 26. August 2013 - AnwZ (Brfg) 31/13, Rn. 5; vom 8. Dezember 2014 - AnwZ (Brfg) 45/14, Rn. 23 und vom 9. Februar 2015 aaO Rn. 12 mwN). Was diese Maßnahmen anbelangt, hat der Senat besonderen Wert auf die Überprüfung der Einhaltung der Beschränkungen durch die Sozietätsmitglieder gelegt (vgl. nur Beschluss vom 22. Mai 2013 - AnwZ (Brfg) 73/12, Rn. 5). Wesentlich ist, dass effektive Kontrollmöglichkeiten bestehen; es bedarf immer einer ausreichend engen tatsächlichen Überwachung, die gewährleistet, dass der Rechtsanwalt nicht beziehungsweise nicht unkontrolliert mit Mandantengeldern in Berührung kommt. Die Einhaltung vertraglich vereinbarter Sicherungsmaßnahmen ist dabei nach der ständigen Senatsrechtsprechung nur in einer Sozietät, nicht aber in einer Einzelkanzlei sichergestellt (vgl. nur Beschlüsse vom 22. Mai 2013 aaO mwN und vom 24. Oktober 2012 aaO Rn. 9 mwN).

20

Der Vortrag des insoweit die Feststellungslast tragenden, weiterhin in einer Einzelkanzlei tätigen Klägers lässt nicht erkennen, dass die vorgenannten Voraussetzungen für einen Gefährdungsausschluss zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids vom 2. April 2015 gegeben waren.

21

2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Der Sachverhalt ist übersichtlich; die Rechtslage ist eindeutig und nicht klärungsbedürftig.

III.

22

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.

Kayser

Bünger

Remmert

Schäfer

Lauer

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