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Bundesgerichtshof
Urt. v. 12.04.2016, Az.: II ZR 261/15
Aufhebung eines nicht mit Gründen versehenden Berufungsurteils über die Auseinandersetzung einer überörtlichen Gemeinschaftspraxis
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 12.04.2016
Referenz: JurionRS 2016, 15464
Aktenzeichen: II ZR 261/15
ECLI: ECLI:DE:BGH:2016:120416UIIZR261.15.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Marburg - 06.03.2013 - AZ: 1 O 233/11

OLG Frankfurt in Kassel - 19.03.2015 - AZ: 15 U 103/13

Fundstelle:

NJOZ 2016, 1537

BGH, 12.04.2016 - II ZR 261/15

Tenor:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 15. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 19. März 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gerichtskosten für das Revisionsverfahren werden nicht erhoben.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Auseinandersetzung ihrer überörtlichen Gemeinschaftspraxis. Der Beklagte ist mit Urteil des Landgerichts Marburg vom 6. März 2013 zur Zahlung von 178.000 € an den Kläger verurteilt worden. Diese Entscheidung hat der Beklagte mit der Berufung angegriffen.

2

Das Berufungsgericht hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Januar 2015 Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 12. Februar 2015 bestimmt. Am 12. Februar 2015 wurde der Verkündungstermin zunächst auf den 5. März 2015 und sodann auf den 19. März 2015 verlegt. An diesem Tag hat das Berufungsgericht ein die Berufung zurückweisendes Urteil ohne Gründe verkündet. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner vom Senat zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe

3

Die Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

4

Das Berufungsurteil ist mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet, weil es im Sinne von § 547 Nr. 6 ZPO entgegen § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht mit Gründen versehen ist, und ist daher auf die Rüge der Revision aufzuheben.

5

I. Nach gefestigter Rechtsprechung ist der absolute Revisionsgrund des § 547 Nr. 6 ZPO gegeben und ein bei Verkündung noch nicht vollständig abgefasstes Urteil "nicht mit Gründen versehen", wenn der notwendige Inhalt des Urteils nicht binnen fünf Monaten nach Verkündung schriftlich niedergelegt, von den Richtern besonders unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden ist (Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 27. April 1993 - GmS-OGB 1/92, NJW 1993, 2603 ff.; BVerfG, NJW 2001, 2162 f.; BGH, Urteil vom 19. Mai 2004 - XII ZR 270/02, NJWRR 2004, 1439; Urteil vom 28. September 2011 - IV ZR 110/09, Rn. 6; Urteil vom 27. Mai 2015 - RiSt (R) 1/14, [...] Rn. 7, jew. mwN). Tragender Gesichtspunkt für diesen übergreifenden verfahrensrechtlichen Grundsatz ist - unabhängig davon, ob die jeweiligen Verfahrensordnungen (wie hier § 548 ZPO) die Fünfmonatsfrist als absolute Frist für die Rechtsmitteleinlegung vorsehen - die Einsicht, dass das richterliche Erinnerungsvermögen abnimmt und nach Ablauf von mehr als fünf Monaten nicht mehr gewährleistet ist, dass der Eindruck von der mündlichen Verhandlung noch zuverlässigen Niederschlag in den so viel später abgefassten Gründen der Entscheidung findet. Es geht mithin um die Vermeidung von Fehlerinnerungen und damit um Gründe der Rechtssicherheit. Schließlich ist es insbesondere der unterlegenen und an der Einlegung eines Rechtsmittels interessierten Partei nicht zuzumuten, nach Verkündung eines Urteils länger als fünf Monate warten zu müssen, um - über eine etwaige mündliche Urteilsbegründung hinaus - die detaillierten Gründe zu erfahren, die zu ihrem Unterliegen geführt haben. Auf eine Rüge der Parteien haben die Gerichte deswegen bei Überschreitung der Fünfmonatsfrist ein Urteil, das wegen der Fristüberschreitung die Beurkundungsfunktion nicht mehr erfüllt und deswegen als "nicht mit Gründen versehen" gilt, aufzuheben (Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 27. April 1993 - GmS-OGB 1/92, NJW 1993, 2603, 2605; BGH, Urteil vom 19. Mai 2004 - XII ZR 270/02, NJW-RR 2004, 1439; Urteil vom 28. September 2011 - IV ZR 110/09, Rn. 6, 7 mwN).

6

II. Das Berufungsurteil gilt wegen einer solchen Fristüberschreitung als "nicht mit Gründen versehen". Es wurde ausweislich des bei den Gerichtsakten befindlichen Verkündungsprotokolls vom 19. März 2015 an diesem Tag verkündet und hätte daher mit den nach § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO notwendigen Urteilsgründen binnen fünf Monaten nach der Verkündung schriftlich niedergelegt, von dem Einzelrichter besonders unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben werden müssen. Diese Frist ist nicht gewahrt. Eine mit Gründen versehene und von dem Einzelrichter unterschriebene Fassung des Berufungsurteils ist bis heute nicht zur Geschäftsstelle des Berufungsgerichts gelangt.

7

Das Berufungsgericht wird nochmals in der Sache zu verhandeln und zu entscheiden haben.

8

III. Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG werden Gerichtskosten für das Revisionsverfahren nicht erhoben.

Bergmann

Caliebe

Drescher

Born

Sunder

Von Rechts wegen

Verkündet am: 12. April 2016

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